Donnerstag 30.03.2017


Lesung mit Katharina Hagena

Sound des Nordens




Mit „Der Geschmack von Apfelkernen“, der in 26 Sprachen übersetzt und fürs Kino verfilmt wurde, hat Katharina Hagena 2008 ein großartiges Debüt vorgelegt. Nach „Vom Schlafen und Verschwinden“ (2012) ist im letzten Herbst ihr neuer Roman „Das Geräusch des Lichts“ erschienen. Eine grandiose kanadische Rhapsodie, die von fünf Suchenden erzählt. In der Buchhandlung Heymann stellt Katharina Hagena den Roman vor.

Auf den ersten Blick klingt der Plot von Katharina Hagenas „Das Geräusch des Lichts“ fast nach einer Creative-Writing-Aufgabe, doch die Literaturwissenschaftlerin, die zwei Bücher über James Joyce vorlegte, bevor sie selbst ins belletristische Fach wechselte, hat ihre Geschichte klug arrangiert: „Grammatik ist Struktur, das Gegenteil von Warten“, heißt es in dem Roman, der einer universalpoetischen Spur folgt, ohne großes Aufhebens darum zu machen.
Botanik und Kunst, Zoologie, Philosophie und Esoterik, Katharina Hagena hat in ihre Geschichten von fünf Menschen, die in einem Wartezimmer zusammenkommen, eine ganze Menge von jenem Stoff untergebracht, der nicht, wie eine Fiktion, „unter dem Verdacht der Lüge steht“.
Daphne etwa, die sich auf den Weg gemacht hat, um ihre Freundin und Kollegin Thekla in Kanada aufzuspüren, erforscht im Biozentrum des Botanischen Gartens Moose und Flechten, während Thekla sich dem Erforschen von Wasserbären widmet, einem winzigen „wirbellosen Wesen“, das sogar „eine Menge Spaß“ haben kann: „Mit Männern, mit Frauen, mit sich selbst, sie tun und lassen, was ihnen gefällt.“
In Kanada entdeckt Daphne dann ein Geheimnis ihrer Freundin, die selbst jedoch verschwunden bleibt. Erst später taucht sie wieder auf, im Mikroskop von Daphne, sie sitzt auf einem Lebermoosblatt „und nestelt an ihrem offenen Haar“. Daphne entschließt sich daraufhin, besser einen Neurologen aufzusuchen.
Der Musiker, dem wir im zweiten Teil des Romans begegnen, versucht, in Trauer um seine Frau Eva, den Sound des Nordlichts aufzuzeichnen. Er lebt in einem „dottergelben Hauscboot“ auf einem See in den Northwest Territories und war-tet. Auf das Nordlicht und vielleicht auch auf eine Erleuchtung darüber, was ihn aus seinem wohlsortierten Leben gerissen hat und was Eva zugestoßen ist.
Der zwölf-jährige Richard Deutsch hat da ganz andere Probleme: Er ist kein Tschu und kann deshalb auch nicht wie seine verschwundene Schwester und seine Mutter auf dem Planeten Tschu leben. Stattdessen kümmert er sich um Hydranten, bzw. um alles, was ihm Zugang in diese andere Welt Tschu verspricht, und um Kaugummiautomaten. Das auch. Sogar in Kanada, wo er mit seinem Vater in den Ferien unterwegs ist.
Schließlich ist da noch diese verwirrte Dame: „In ihrem leeren Blick ist jede Geschichte aufgehoben.“ Zuletzt erfindet sich die Erzählerin, die nun alleine im Wartezimmer sitzt ihre eigene Geschichte. Sie kreist um die skrupellosen Verbrechen einer Ölfirma, durch die sie selbst in Lebensgefahr gerät.
Wie durch die vorangegangenen Geschichten auch verwandelt sich das Warten, das „eigentlich bewachen heißt“, durch das Erzählen in ein Erinnern, das zugleich ein Vergessen ist, weil es hinausführt aus einer unerträglichen Situation. „Unterschätzen sie niemals die Moose“, die sich in ihrer Vielfalt und Schönheit erst zeigen, wenn man genau hinsieht, kann man hier noch einmal zitieren, um „Geräusch des Lichts“ schließlich als einen wunderbar verspielten und klugen Roman über die Macht der Fantasie zu empfehlen.

Buchhandlung Heymann, Erik-Blumenfeld-Platz 27, 19.30 Uhr, 7.- Euro.





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