Dienstag, 11.10.2016


Lesung mit Tilman Rammstedt

„Morgen mehr“




Tilman Rammstedt stellt zum Yachtclub seinen Roman „Morgen mehr“ vor, der eine grandios verrückte Geschichte erzählt, die 1972 beginnt, als der Erzähler sein ganzes Leben noch vor sich hat. Er kann es sogar kaum erwar¬ten, richtig damit loszulegen, nur muss er vorher noch geboren und genau¬genommen zuerst einmal gezeugt werden. Seine Mutter ist jedoch drauf und dran, einem schwermütigen Südfranzosen zu verfallen, während sein Vater gerade mit einbetonierten Füßen in den Main geworfen wird. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als ein Taxi zu klauen und sich quer durch Europa auf den Weg zu machen, um dafür zu sorgen, dass die beiden zusammenfinden.

Nochtspeicher, Bernhard-Nocht-Straße 69a, 20.00 Uhr, 9.- Euro.


Lesung mit Judith Hermann

Das Geheimnis der Veränderung

Judith Hermann
Judith Hermann, Foto: Gaby Gerster
Eigentlich ist gar nichts Besonderes passiert. Nichts jedenfalls, worüber man lange reden könnte. Und doch ist von einem auf den anderen Augenblick alles verändert. Wir sind auf einmal in etwas Neues hineingeraten. Es ist fast so, als hätte sich ein Zimmer geöffnet, aus dem heraus wir zurück in das Leben blicken, das wir einmal hatten. Ahnungsvoll, erstaunt, manchmal auch traurig,. Um diese Kippfigur des Daseins kreisen die 17 Geschichten des neuen Erzählbandes „Lettipark“ (S. Fischer Verlag) von Judith Hermann. Es sind meisterhafte Shortcuts über das Geheimnis der Veränderung und die Frage, wie wir an dem festhalten, worauf es ankommt. Judith Hermann stellt ihren Erzählband im Literaturhaus vor. Moderation: Heide Soltau.

Sogar der stets gestrenge Marcel Reich-Ranicki gab zum Erscheinen ihres Debüts seinen väterlichen Segen: „Wir haben eine Autorin bekommen, eine hervorragende Autorin. Ihr Erfolg wird groß sein.“ Und so kam es, Judith Hermanns Debüt „Sommerhaus, später“ wurde in 17 Sprachen übersetzt, es ist der bis heute vermutlich größte internationale Erfolg eines Erzählbandes aus der deutschen Literatur in den vergangenen Jahrzehnten. Mit „Nichts als Gespenster“ (2003) und „Alice“ (2009) hat Judith Hermann zwei weitere Erzählbände vorgelegt, vor zwei Jahren erschien dann ihr Romandebüt „Aller Anfang“, weil es halt doch irgendwann ein Roman sein muss, den der Literaturbetrieb und die Leser den Autoren hierzulande abverlangen, das gilt auch dann, wenn sie so gefeierte Erzähler von Kurzgeschichten sind wie die mit dem Kleist- und dem Hölderlin-Preis ausgezeichnete Hermann. Die Reduktion und Lakonie von Judith Hermanns Sprache war als Möblierung der langen Strecke einer Romanhandlung jedoch eine Bürde, während sie auf den wenigen Seiten ihrer Erzählungen an genau den richtigen Stellen der Erzählräume offen lassen, was offen bleiben muss, damit sich die ganze existentielle Wucht des Gesagten entfalten kann.
In der Erzählung „Gehirn“ erfahren wir von Philipp und Deborah, die lange vergeblich versuchen ein Kind zu bekommen und sich dann dazu entschließen, den kleinen Alexej aus Russland zu adoptieren. Sie machen eigentlich alles richtig, nehmen sich Zeit für das Kind, lassen es selbst entscheiden, versuchen sich als Paar nicht aus den Augen zu verlieren, sind offen miteinander. Dennoch finden sie sich nach einem Jahr an „einer Gabelung des Weges“, die eine Entscheidung erfordert. „Das Kind trinkt das Glas Wasser aus, stellt das leere Glas ganz allein und behutsam zurück auf den Tisch. Es sieht niemanden an.“ Vielleicht ist etwas Endgültiges geschehen, man ahnt, wie bedroht das gemeinsame Leben ist, auserzählt wird die Geschichte nicht.

In existentielle Situationen führen alle Erzählungen des Bandes, einige auch im Rückblick, so wie „Inseln“, wo die Erzählerin sich an ihre Freundin Martha erinnert, der sie schon lange nur noch gelegentlich begegnet, obwohl sie eine innige Freundschaft mit ihr verband. Als sie gemeinsam eines Tages im Haus eines Freundes mit einer Hausdurchsuchung konfrontiert sind, ist es damit dann unvermittelt vorbei. Warum, erfahren wir nicht: „Wir stehen im Grunde bis heute, wir stehen noch immer barfuß und Hand in Hand auf der Terrasse dieses Hauses auf der Insel,“ sagt Martha am Ende, „und über die schönen blauen Berge kommt in großen Schritten schon die Nacht.“ Was ist passiert? Die beiden Protagonistinnen haben „keine Antwort“ darauf.

In dieser Sprachlosigkeit sind alle Figuren des Bandes gefangen. Auch Rose, die im Supermarkt die einst starke und kraftvolle Elena beobachtet, deren Schönheit stumpf wurde. Etwa weil Page, der Trinker sich in heftigem Liebeswerben im Lettipark mit dem Fotoapparat auf die Spuren von Elenas Kindheit begeben hat? Ella bekommt, während sie auf ihren Freund Carl wartet, Besuch von einem Jungen, der ihr ein zerknittertes Foto von Sigmund Freuds Couch zeigt. Hat es etwas damit zu tun, dass Carl nicht zurückkommt? Niemals wieder zurückkommt?

„Das Entscheidende wird nie gesagt. Doch die Augenblicke sind sehr beredt.“ Das hat Helmut Böttiger einmal über die Erzählungen von Judith Hermann geschrieben und es trifft auf alle ihr Erzählungen zu. Ergänzen könnte man mit „Lettipark“, dass Elena, Rose, Page und all die anderen deshalb keine Worte dafür finden, weil das Entscheidende für die Abbrüche, die Zerwürfnisse, die verlorenen Lieben umso weniger greifbar wird, umso mehr sie danach suchen. Was am Ende bleibt, ist so eine Art heilsame Magie, mit der sich die Sprachlosigkeit überwinden lässt: Judith Hermanns Erzählungen haben sich die Strategie der Erinnerung zu eigen gemacht, das Eigentliche stets mit Nebensächlichem zu überblenden, ganz gleich, ob es ein schönes oder schreckliches Erlebnis war. „Es fallen einem wirklich die merkwürdigsten Dinge wieder ein, von einem Moment auf den anderen“, sagt Greta, nachdem sie in „Manche Erinnerungen“ von einem lange zurückliegenden Badeunfall erzählt hat, der ihr ganzes Leben veränderte, nur weil sie für einen Augenblick unaufmerksam gewesen ist. Es war dieser eine Augenblick, in dem sie vielleicht eine große Liebe verloren hat. Aber das können wir nur vermuten, ausgesprochen wird es nicht.

Buchhandlung Lüders, Heußweg 33, 20.00 Uhr.


Lesung mit Harald Martenstein

Sex, Kinder, Tiere und Nazis

Seine Kolumnen sind so vielseitig wie es das Leben vorschreibt. Und witzig, nachdenklich, sarkastisch, skurril, manchmal wütend, das sind sie auch. Nett ist der Kult-Kolumnist, preisgekrönte Autor und Humorist Harald Martenstein dagegen nicht. Jedenfalls nicht in seinen Kolumnen. Davon hätte ja auch niemand was. Seit einigen Jahren erntet er immer wieder sogar Hasstiraden. Doch „Nettsein ist auch keine Lösung“, wie schon der Titel seines neuen Sammelbandes mit „Einfachen Geschichten aus einem schwierigen Land“ annonciert.

Zum Auftakt unternimmt Harald Martenstein eine „Standortbestimmung“, die man als ganz schön nüchternes Resümee des Kolumnisten lesen kann, der seit einigen Jahren nicht nur seinen Lebensalltag, Frauen und Männer, „Sex und Nudelsiebe“ thematisiert, sondern sich auch zu Themen wie „Gender, politische Korrektheit und Feminismus“ äußert. Er ist „da so hineingeschlittert“, ahnungslos wie er war. Und er hat es mit „verbissenen Leuten“ zu tun bekommen und die Erfahrung gemacht, dass es Themen gibt, die in der Presselandschaft mit großer Vorsicht behandelt werden. In der darauf folgenden Kolumne philosophiert er dann zuerst einmal meisterhaft über Katzen mit Hitlerbärten und freut sich darüber, dass er vier Paradethemen auf nur zweieinhalb Seiten unterbringen durfte: Sex, Kinder, Tiere und Nazis. So kuschelig geht es dann natürlich nicht weiter, egal, ob er über „Missionare“ schreibt, über „Gott“, das „Fasten“, „Intelligenz“, „Nichtschwimmer“ und „Arschlöcher“, er eckt gerne an, der Harald Martenstein. Und provoziert damit Widerspruch und Belehrung. Bei vielen Kolumnen hat er einen oder mehrere Kommentare aus dem Internet mit ins Buch aufgenommen. Auf „lobende Kommentard“ hat er dabei „schweren Herzens“ verzichtet. Deshalb stehen da dann oft Sachen wie: „Prototyp des privilegierten Ignoranten“ (Townsville) oder „verwirrter reaktionärer Bourgeois“ (Profi-Trollerin). Richtig freundlich ist dagegen noch ein Kommentar wie dieser: „„Erinnert stark an Kishon“. Da braucht man dann nur noch ergänzen: „Das sind wir von Ihnen ja gewohnt“ („Cherrypicker“).

Harald Martenstein liest im Literaturhaus aus „Nettsein ist auch keine Lösung“. Moderation: Adam Soboczynski.

Literaturhaus, Schwanenwik 38, 19.30 Uhr, 12.-/8.- Euro.


Lesung

„Geliebte, Lady und dickere Hälfte“

Die Schauspielerin Kornelia Kirwald rezitiert Texte aus vier Jahrhunderten von u.a. Francois Villon, Kurt Tucholsky und Dorothy Parker über „Frauen in Lyrik und Prosa“.

Buchhandlung Kötz & Buchenau, Wedeler Landstr. 53c, 19.30 Uhr. 7.- Euro incl. Wein. Um Reservierung unter Tel.: 040-812597, Mail kundb@gmx.net wird gebeten.


Lesung

„Der Käs im Grippte“

Drei „hessische Wahlhamburger“ treffen sich, um Geschichten über die alte Heimat vorzulesen. Teilweise in Mundart, manchmal noch unverständlicher, immer aber mit dem allseits bekannten bissigen Hessen-Humor. Es lesen: Thomas Nast, Bronco Butzbach und Ina Bruchlos.

Mathilde Bar Ottensen, Kleine Rainstr. 11, 20.15 Uhr, 7.- Euro.


Poetry Slam

„Jägerschlacht“

Offener Poetry Slam. Lesezeit: 5 Minuten. Lesen kann, wer sich kurz vor der Veranstaltung in die Leseliste eintragen lässt.

Kampf der Künste, Grüner Jäger, Neuer Pferdemarkt 36, 20.30 Uhr, 4.- Euro.


Literatur in Hamburg