Sonntag, 17.05.2015


Lesung Tom Schulz und Christine Langer

„Vergiss nicht das Eichhörnchen“

Tom Schulz
Tom Schulz, Foto: Hans Praefke
Als „Romantiker unter den jüngeren deutschen Lyrikern“ kündigt ihn der Hanser-Verlag an, in dem sein neuer Gedichtband „Lichtveränderung“ in diesem Frühjahr erschienen ist. Tatsächlich folgt Tom Schulz mit seinem Gedichtband einer Fährte, die ihren Ausgangspunkt in jener von den Romantikern propagierten „progressiven Universalpoesie“ (Friedrich Schlegel) hat, die Gattungen und Formen miteinander verbinden und vermischen sollte, wobei der 1970 in der Oberlausitz geborene Herausgeber und Lyriker mit seiner Dichtung ganz in der Gegenwart zu verorten ist.

„Lichtveränderung“ gliedert sich in fünf, nicht näher betitelte Abschnitte, in denen von den „Breslauer Spatzen“ über den „Tag der Arbeit“ und „Rundstrickware“ bis zum „Griff ins Herz“, von Kindheitserinnerungen über Reisen, Musik, die Liebe und Naturbetrachtungen so ziemlich alles unterkommen kann. Disparat sind die Gedichte auch sonst, vom Prosagedicht über die Liebesklage bis zum politischen Gedicht ist alles da – und für sich betrachtet auch formstreng gearbeitet: „vergiss nicht das Eichhörnchen/ zu reanimieren, regnet es/ unter dem Rettungsschirm// regnet es wenige Meter/ über dem Meer, Geliebte der Buchecker/ ich wohne jetzt im Norden// wo die Wälder Kieselsteinteppiche sind/ ich lebe jetzt in einem sommerlichen Winter/ zwischen den Brauen des Waldmeisters“. Tom Schulz hat den Mut in seinen Gedichten Reh und Waldvögelein zu besingen, er gestattet sich immer wieder sehr „nah am Wortrausch“ zu siedeln und eine gewisse Naturmystik schwingt in manchen Gedichten auch mit. Doch dann ist der Wald plötzlich „voll von Schläuchen und Blutkonserven“. Tragödie oder Vorabendserie – die Schnitte sitzen tief. Es sind die Übergänge, die Tom Schulz interessieren, wo die Lichtveränderung zum Aufbruch ins Ungewisse führt und sich die Dinge grundlegend wandeln. In einer Sprache, in der sich hoher Ton mit Alltagsphrasen verbindet, ruft der Dichter die Veränderung der Wirklichkeit herbei: „egal wie Du kommst, / ob als Hund oder Schlüsselblume / komm.“ Im Literaturhaus liest Tom Schulz aus „Lichtveränderung“. Ihren Gedichtband „Jazz in den Wolken“ (Klöpfer & Meyer) stellt bei der TeaTime-Lesung die vielgelobte Lyrikerin Christine Langer vor. Von Gedichten, „die alle Sinne ansprechen und alltägliche Erfahrungen zauberhaft verwandeln“, schwärmte Ilma Rakusa, während Friederike Mayröcker fand: „Einfach sehr schön.“ Im Literaturhaus stellt Mirko Bonné die beiden Dichter vor und führt durch die Lesung.

Veranstalter: Literaturhaus. Schwanenwik 38, 17.00 Uhr. Eintritt: 7.-/4 Euro.


„Theater! Theater!“

„Man kann doch nicht zwei Männer lieben…“

Im Rahmen der Matinee-Reihe „Theater! Theater!“ von und mit Matthias Wegner geht es unter dem Motto „Briefe erzählen Geschichten“ um ein 1951 erstmals unter dem Titel „Sommer in Lesmona“ veröffentlichtes Buch mit vertraulichen „Mädchenbriefen“. Verfasst hat sie Marga Berck, die 1875 als Tochter eines hanseatischen Großkaufmanns in Bremen geboren wurde. Ihre Briefe sind das Dokument einer jungen Liebe zwischen Pflicht und Neigung, dem „in aller Unschuld ein ergreifendes Kunstwerk entsprungen ist“, wie Thomas Mann schrieb. Marga Berck ist das Pseudonym von Magda Pauli, der Frau des einstigen Direktors der Hamburger Kunsthalle – sie hatte gute Gründe ihre Identität zu verbergen. Im Ernst Deutsch Theater liest Barbara Auer aus „Sommer in Lesmona“. Dramaturgie: Sonja Valentin.

Veranstalter: Ernst Deutsch Theater. Friedrich-Schütter-Platz 1, 11.00 Uhr. Eintritt: 20.-/10.- Euro.


Lesung für Kinder

„Frerk, du Zwerg!“




Finn-Ole Heinrich liest aus seinem 2012 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichneten Buch, das von einem Jungen erzählt, der sich exakt so wie sein wortkarger Vater kleidet, karierte Hemden trägt, Hosen mit Bügelfalte, Wollpullunder und beim Radfahren Knieschoner. Dieser Frerk ist der Drittschwächste und Zweitkleinste in seiner Klasse, von Cola wird ihm schwindelig und im Bus schlecht. Aber in Frerks Kopf wohnen wilde Gedanken und ein Sack voll Abenteuer. Er ist ein großer Wörtererfinder: Bügelfalten nennt er Krumpelfumpel, Mineralwasser Rülpsplörre und die Gabel Fressforke. Auszüge aus der 2013 erschienenen chinesischen Ausgabe von „Frerk, du Zwerg“ liest Dr. Jing Bartz.

Veranstalter: Konfuzius-Institut an der Universität Hamburg e.V., Deutsch-Chinesischer Kindergarten Hamburg, Pedia International GmbH. Ort: Chinesisches Teehaus „Hamburg Yu Garden“, Feldbrunnenstr. 67, 15.00 Uhr. Eintritt frei.


Lesung und Gespräch mit Jörg Kronauer

Ist die Ukraine ein Expansionsprojekt des Westens?




Das Buch heißt „Ukraine über alles“ nach einem der ultrarechten Slogans, mit denen sich die Nationalisten in der Ukraine an den Protesten im Land beteiligten. Erschienen ist es im Konkret Verlag, der Autor ist Jörg Kronauer, ein Sozialwissenschaftler, der als freier Journalist mit den Themenschwerpunkten Neofaschismus und deutsche Außenpolitik in London lebt. Im Untertitel seines Buches stellt Kronauer fest, dass die Ukraine „Ein Expansionsprojekt des Westens“ sei. Das propagiert auch die russische Regierung. Timothy Snyder, ein US-amerikanischer Historiker und Professor an der Yale-University, hält das schlicht für Propaganda.

„Die wirtschaftliche und die politische Expansion der westlichen Staaten, allen voran Deutschlands und der USA“, so heißt es im Werbetext des Konkret Verlages zu Kronauers Buch, habe zu verantworten, dass das Land „vor dem Zusammenbruch“ stehe und sich die „politisch äußerste Rechte ungebrochen im Aufwind“ befinde. Die geostrategischen Interessen Russlands und Europas sind derzeit immer häufiger Ausgangspunkt der Debatten im Zusammenhang mit dem Ukraine Konflikt. Und zum Verständnis der Zusammenhänge empfehlen sich vor allem drei Bücher: Jury Andruchowytsch hat die Anthologie „Euromaidan: Was in der Ukraine auf dem Spiel steht“ (Edition Suhrkamp) herausgegeben, eine Momentaufnahme der Stimmen von Schriftstellern, Historikern, Soziologen und Politikwissenschaftlern aus der Ukraine über die Protestbewegung; Einen erweiterten Blick auf die Veränderungen seit 1989 ermöglicht das mit dem Leipziger Buchpreis ausgezeichnete Buch des Soziologen, Historikers und Politikwissenschaftlers Philipp Ther über „Die neue Ordnung auf dem alten Kontinent“ (Suhrkamp Verlag); Timothy Snyder hat schließlich mit „Bloodlands“ (C.H. Beck Verlag) ein durchaus umstrittenes Buch über „Europa zwischen Hitler und Stalin“ vorgelegt, das u.a. die Ukraine als „Experimentierfeld der Unterwerfung und der Gewalt“ (Die ZEIT) im Zweiten Weltkrieg zeigt. Snyder ist ein profunder Kenner der ukrainischen Geschichte, der sich im letzten Jahr immer wieder mit Aufsätzen über den Konflikt in der Ukraine zu Wort meldete. Die These, dass der Volksaufstand gegen den Präsidenten Janukowitsch von westlichen Regierungen gesteuert worden sei, gehört für ihn ins Reich der Sagen und Märchen. Bei der internationalen Konferenz „Ukraine, Russland und die EU – Europa ein Jahr nach der Annexion der Krim“ war Snyder Anfang März in Berlin vor allem über die Erfolge der russischen Propaganda besorgt, die „die Regierung in Kiew als vom Westen gestützte Faschisten verteufelt“. Snyder weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Russland derzeit „extreme Rechte in vielen europäischen Ländern“ unterstützt. Diese Zusammenhänge stehen, so muss man hoffen, ebenfalls zur Diskussion, wenn Jörg Kronauer im Golem sein Buch „Ukraine über alles“ vorstellt.

Veranstalter: Golem. Große Elbstr. 14, 20.30 Uhr.


Szenische Lesung

„Allerdings. Ringelnatz“

Soloabend mit dem Schauspieler Frank Roder, der Gedichte und Prosa von Joachim Ringelnatz lesen wird und aus dem reichen Anekdotenfundus über das Leben des Dichters erzählt. Ringelnatz gab als Berufsbezeichnung gegenüber Behörden stets „Artist“ an und hat auch als Schaufensterdekorateur, Kommandant eines Minensuchers, Kommis und Bibliothekar gearbeitet. Buch und Regie: Sylvia Richter.

Veranstalter: Das Schiff. Holzbrücke 2, Nikolafleet, 18.00 Uhr. Eintritt: 20.- bis 27.- Euro. Weitere Infos: theaterschiff.de


Literarischer Spaziergang

„Doch alle Lust will Ewigkeit“

Bei einer Führung an erotische Grab-skulpturen auf dem Ohlsdorfer Friedhof präsentieren Dr. Lutz Flörke und Vera Rosenbusch „tödliche Erotik in der Literatur“ von u.a. Brentano, Baudelaire und Claudius.

Veranstalter: Hamburger Literaturreisen. Treffpunkt: Ohlsdorfer Friedhof, Hauptgebäude der Friedhofsverwaltung, Parkseite, U/S Ohlsdorf, 14.30 Uhr. Teilnahmebeitrag: 10.- Euro.


Lesung

„Literatur im Waschhaus“

Die Orientalistin und Autorin Ziba Pooyan liest Notizen über ihre Alltagserfahrungen in ihrem Heimatland Iran und in Deutschland und berichtet von ihrer Arbeit an Übersetzungen persischer Gedichte ins Deutsche. Moderation: Peter Schütt.

Veranstalter: Waschhaus. Wesselyring 51, 16.00 Uhr.


Literatur in Hamburg