Dienstag, 20.01.2015


Lesung, Vortrag, Gespräch

„Wie wenn es aus dem Nebel gekommen wäre“

„Jahnn
Hans Henny Jahnn (vorne links) bei der Gründung des PEN-Clubs Deutschland in Göttingen, Foto: Bundesarchiv, Bild 183-1984-0424-504 / CC-BY-SA
Er gilt als großer literarischer Außenseiter des 20. Jahrhunderts, der 1894 in Stellingen geborene Schriftsteller Hans Henny Jahnn. Neben seiner literarischen Arbeit wird er als Orgelbauer berühmt, er züchtet Pferde und gründet 1919 die Glaubensgemeinschaft „Ugrino“.

Seine ersten literarischen Werke schreibt Jahnn in Norwegen, wohin der überzeugte Pazifist nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs zusammen mit seinem Gefährten und Geliebten Gottlieb Harms ins Exil flieht. Dazu zählt auch sein Drama „Pastor Ephraim Magnus“, für das er 1920 unter großen Protesten den Kleist-Preis Hamburgs erhält. Jahnns erster Roman „Perrudja“ erscheint 1929, doch der erhoffte literarische Durchbruch gelingt nicht. Sein Werk bleibt wegen der drastischen Darstellungen von Sexualität und Gewalt umstritten, von Klaus Mann gefeiert und von Walter Benjamin als „Heimatkunst der analen Zone“ verunglimpft. Als 1931 dann auch noch der geliebte Gottlieb Harms stirbt, zieht Jahnn mit seiner Familie nach Bornholm auf einen Bauernhof.

Schon 1926 hatte er Ellinor Philips geheiratet, es ist eine ungewöhnliche, von tiefer Zuneigung getragene Ehe, wie man an dem soeben bei Hoffmann und Campe neu erschienenen Band „Liebe ist Quatsch“ erstmals in allen Facetten anhand der Briefe von Jahnn an Ellinor nachvollziehen kann. Bis 1945 hält Jahnn sich weitgehend im Ausland auf, den Nationalsozialisten gilt er als „Kommunist und Pornograph“, seine Wohnung in Hamburg wird mehrfach durchsucht. Jahnn lebt auf Bornholm zusammen mit Ellinor, deren Schwester Sibylle, der Witwe von Harms, ihrem fünfjährigen Sohn, dem Besitzer des Hofes und seiner Tochter Signe. In den Jahren im Exil entsteht sein Hauptwerk „Fluss ohne Ufer“, „eines der prächtigsten Prosawerke deutscher Sprache“ (Botho Strauß).

„Wie wenn es aus dem Nebel gekommen wäre, so wurde das schöne Schiff plötzlich sichtbar“ - so beginnt die über 2000 Seiten lange Romantrilogie, die bei Hoffmann und Campe im November in einer opulent ausgestatteten Neuausgabe erschienen ist. Auf dem Schiff befinden sich eine geheime, womöglich todbringende Fracht, und ein blinder Passagier: Gustav Horn. Seine Verlobte, die Tochter des Kapitäns, wird die Reise nicht überleben, sie verschwindet während eines Unwetters spurlos, und Gustav setzt sich an die Spitze einer Meuterei, die mit dem Untergang des Schiffs endet. Doch für Horn ist die Reise noch lange nicht zu Ende, sie wird ihn über Kontinente führen, hinab in menschliche Abgründe und zu einer Erkundung der Welt, der Natur, des Daseins und der Sprache. „Nichts Denkbares oder Fühlbares bleibt hier ungedacht oder ungefühlt; und nichts bleibt unausgesprochen“, heißt es in einer Kritik in der „ZEIT“ aus dem Jahr 1950 als mit „Die Niederschrift des Gustav Anias Horn“ der zweite Teil der Trilogie erstmals erschien. Ebenfalls 1950 kehrt Jahnn nach Hamburg zurück. Er lebt mit Ellinor im Witthüs im Hirschpark, wird erster Präsident der Freien Akademie der Künste. Als er am 29. November 1959 in Hamburg stirbt, ist sein Werk noch immer umstritten, der „Epilog“ zu „Fluss ohne Ufer“ noch unveröffentlicht.

Das große Publikum hat Hans Henny Jahnn in den letzten Jahrzenten kaum je einmal erreicht – der „Bannkreis aus Unkenntnis und Missachtung, der sein Werk umgibt, ist noch immer nicht durchbrochen“, wie Ulrich Greiner zum 100. Geburtstag des Dichters 1994 schrieb. Obwohl man es doch immer wieder versucht: Im Literaturhaus sprechen der Schriftsteller Clemens Meyer und Ulrich Greiner, Jahnn-Kenner und sein Nachfolger als Präsident der Freien Akademie der Künste, über den Einfluss und den Nachhall des großen Hamburger Schriftstellers. Der Schauspieler Christian Redl liest ausgewählte Passagen aus „Fluss ohne Ufer“. Und schließlich stellt der Jahnn-Biograf Jan Bürger gemeinsam mit der Kunsthistorikerin Sandra Hiemer die von ihnen edierte Ausgabe „Liebe ist Quatsch. Briefe an Ellinor“ (Hoffmann und Campe) vor.

Veranstalter: Literaturhaus. Schwanenwik 38, 19.30 Uhr. Eintritt: 10.-/8.- Euro.


Brave Babes

Yachtclub mit Isabel Bogdan & Monika Mertens

Isabel Bogdan
Isabel Bogdan beim „Sachen machen“, Foto: Klaus Friese
„Wer immer noch glaubt, Literatinnen seien ausschließlich für sensible Seelchenschau zuständig“, heißt es in der Ankündigung zum Yachtclub im Januar, der sollte Bogdan & Mertens treffen, denn „diese Ladies haben, mit Verlaub, mehr Eier als so mancher Zeitgenosse.“ Dass Isabel Bogdan zu den eher unerschrockenen Zeitgenossinnen gehört, ist spätestens mit ihrem Buch „Sachen machen“ klar geworden, in dem die Übersetzerin, Autorin und Bloggerin davon erzählt, was sie in ihrer Freizeit so unternimmt: Sie ist mit einem „geliehenem Kind“ zum Babyschwimmen gegangen, wohnte der Schlachtung eines Schweins bei (arme Sau!), blamierte sich im Rhönrad (wen wundert’s?), amüsierte sich auf einer Esoterikmesse, spielte Ping-Pong mit Punks, besichtigte einen Darm, schlüpfte in eine Fett-weg-Hose und schüttelte ihr Haar beim Heavy Metal-Festival in Wacken. Doch auch die Spoken-Word-Heldin Monika Mertens traut sich was: Zum Beispiel morgens um 8:00 Uhr lächelnd in der Bahn zu sitzen oder Tankwarte zu umarmen. Durch den Abend führen die Skipperinnen Friederike Moldenhauer & Tina Uebel.

Veranstalter: Nochtspeicher. Bernhard-Nocht-Str. 69a, 19.30 Uhr. Eintritt: 9.- Euro.


NDR Hörspiel präsentiert

„So was von da“

Auf dem Programm der Reihe NDR Hörspiel im Planetarium steht mit der Hörspielversion des Romans „So was von da“ von Tino Hanekamp ein gewisser Oskar Wrobel, der mit „Brutalkopfschmerz" und „Extrembrechreiz" im Bett liegt als auf dem Kiez die ersten Silvester-Böller explodieren. Düster raisoniert er über sein vermurkstes Leben und formuliert in Gedanken schon mal den Text, der auf seinen Grabstein gekritzelt sein soll. "Hier liegt Oskar Wrobel, 23. Er hat’s versucht." Strenggenommen ist Wrobel Pleitier. Mathilda, seine große Liebe, hat ihn schon vor geraumer Zeit verlassen und ihren Irrtum immer noch nicht eingesehen. Der Hamburger Musik-Club, den er vor zwei Jahren ins Leben gerufen hat, ist total abgerockt und zum Abriss freigegeben. Und dann stürmt auch noch Kiezkalle seine Wohnung, berüchtigter Zuhälter und Bordellbesitzer, um Oskar 10.000 Euro aus den Rippen zu leiern. Alles Bruch. Finanziell, sexuell, ideell. Und nun? Zum Glück bleibt ihm kaum Zeit, sich in weinerlichen Selbstbetrachtungen zu verlieren, denn das Leben fordert ihn schon wieder heraus. Schließlich will er es bei seinem Untergang krachen lassen und mit einer letzten schrillen Club-Party in die Annalen des Szenelebens eingehen. Also sammelt er seine exzentrischen Freunde ein, besorgt Getränke, Eis zum Kühlen, "Friedhofskerzen zwecks Fummellicht" und los geht’s! "Heute ist die letzte Nacht, heute noch, und dann ist’s aus." Tino Hanekamp, geboren 1979, der jahrelang als Musikjournalist in Hamburg arbeitete und Mitbegründer, Miteigentümer und Programmdirektor des Uebel & Gefährlich ist, wurde für seinen Roman "So was von da" mit dem „Silberschweinpreis für das beste Debüt“ der LitCologne und dem Kasseler Förderpreis für Komische Literatur 2012 ausgezeichnet. Im Dezember erhielt er für einen Auszug aus seinem Romanmanuskript „Let´s get lost“ einen Förderpreis für Literatur der Hansestadt Hamburg.

Veranstalter: Planetarium. Hindenburgstr. 1 b, 19.30 Uhr. Eintritt: 6.- Euro.


Lesung und Musik

„Schneeland und andere Geschichten“

Anna-Kathrin Warner
Anna-Kathrin Warner, Foto: privat
Anna-Kathrin Warner liest Geschichten vom Aufbrechen und Unterwegssein „zwischen einem Club in Berlin, einer Mauer in Jerusalem, einer Hütte am Polarkreis und einer Insel in Griechenland“. Ulrich Kodjo Wendt begleitet die Lesung auf seinem diatonischen Akkordeon mit eigenen Kompositionen.

Veranstalter: Mathilde – Literatur und Café. Bogenstr. 5, 20.15. Eintritt: 5.- Euro.


Literatur in Hamburg