Freitag, 20.01.2017


„Raumpatrouille“ mit Matthias Brandt

Applaus, Buhrufe, Hauptgewinn

Matthias Brandt und Jens Thomas
Matthias Brandt und Jens Thomas, Foto: Mathias Bothor
Auf den ersten Blick ist es eine ganz normale Familie: Mutter, Vater, Kind und Hund, die auf dem Bonner Venushügel in einem soliden Eigenheim leben. Der Junge, um dessen Lebenshorizont die Geschichten kreisen, will mal Torwart werden, später Astronaut und falls das nicht klappt, vielleicht Briefträger. Matthias Brandt ist dann Schauspieler geworden, er hat an renommierten deutschsprachigen Theatern gespielt und stand in den letzten Jahren vor allem vor der Kamera.

In seinem literarischen Debüt „Raumpatrouille“ erzählt er in kurzen Geschichten von einer Kindheit in einer Stadt am Rhein, die damals Hauptstadt der Bundesrepublik war, in den siebziger Jahren ein beschaulicher Ort, um groß zu werden, besonders wenn man sich nichts mehr wünscht als Normalität. Doch für den jungen Helden lauert in Bonn damals hinter jeder Ecke der Ausnahmezustand, denn der angestrengt lächelnde Herr auf den Plakaten, an denen er auf dem Schulweg vorbeikommt, ist sein Vater. Gerade hat er sich noch „auf der Suche nach einem Pflaster in der Badezimmertür“ an ihm „vorbeigeknurrt“, weil er sich beim Rasieren geschnitten hat. Später wird er im Bundeskanzleramt sitzen, sein Name ist Willy Brandt. Der Sohn streift oft alleine durch das große Haus, auf dem Grund¬stück patrouillieren Personenschützer, die ihm nicht alle freundlich begegnen, immerhin gibt es auch einen Bernd Stöckl, der in einem Kabuff in der Einfahrt sitzt und sich besuchen lässt. In der Nachbarschaft freundet er sich früh mit dem schweigsamen Herrn Lübke an, den sonst alle für deppert halten, und versteckt sich hinter seinen Klassenkameraden, damit er nur ja nicht persönlich von ihm begrüßt wird, als sie ihm zum Geburtstag ein Ständchen singen. Er will schließlich auf keinen Fall, dass die anderen etwas von seiner Freundschaft mit dem Bundespräsiden¬ten erfahren. Doch so einfach kann er sich nicht immer aus der Affäre ziehen. Als seine Eltern endlich einmal mit ihm zum Rummel fahren, der im September auf der anderen Rheinseite stattfindet, freut er sich zunächst, weil auch alle seine Kumpels schon dort waren. Sie fahren in einer Wagenkolonne vor, werden mit Applaus und Buhrufen begrüßt und von Fotografen begleitet, sogar einen Haupt¬gewinn darf er mit nach Hause nehmen. Und hat absolut keine Freude daran. Eine der schönsten Geschichten des Bandes heißt „Welthölzer“. Sie erzählt von einem Fahrradausflug mit dem Vater und einem gewissen Herrn Wehner. Es ist eine kurze und hochkomische Geschichte, die sehr liebevoll von einer durch die äußeren Umstände hoch belasteten Vater-Sohn-Beziehung erzählt und vom Scheitern einer politischen Allianz.
Die in der Literaturkritik vielgelobte, literarische Aussöhnung mit einer problematischen Kindheit, die Matthias Brandt mit seiner „Raumpatrouille“ unternommen hat, ist Teil eines Projektes mit dem Musiker Jens Thomas. „Memory Boy“ heißt das neue Album von Thomas, das ebenfalls eine Annäherung an die eigene Kindheit thematisiert. Album und Buch stellen sie nur gemeinsam vor – in einer Wort-Musik-Collage, die einen besonderen Blick auf einen Kosmos wirft, den wir alle kennen und ein ganzes Erwachsenenleben lang immer wieder neu entdecken.

In einer Wort-Musik-Collage präsentiert der Schauspieler und Autor Matthias Brandt seinen Erzählband und der Jazz-Pianist und Komponist Jens Thomas sein neues Album.

Deutsches SchauSpielHaus, Kirchenallee 39, 20.30 Uhr, 9.- bis 29.- Euro.


Lesung

„Trümmerkind“

Mechthild Borrmann liest aus ihrem Roman.

Büchereck Niendorf-Nord, Nordalbinger Weg 15, 19.30 Uhr, 8.- Euro.


Lesung

Lola Slam

„Die besten Poeten des Landes und mutige Neulinge“ treffen sich, um ihre Zuschauer mit Fünf-Minuten-Texten zu begeistern. Abgestimmt wird auch bei diesem Slam mit Punkten zwischen 0 und 10 darüber, ob Text und Performance Gänsehaut oder Lachreiz, Abscheu oder Gleichgültigkeit beschert haben. Moderation: David Friedrich.

Kampf der Künste im Lola Kulturzentrum, Lohbrügger Landstr. 8, 20.00 Uhr, 9.- Euro.

Literatur in Hamburg