Mittwoch, 21.09.2016


Literatur aus den Niederlanden & Flandern

Das Land zwischen Meer und Meer

Joost de Vries
Joost de Vries, Foto: Thomas switn Sweertvaegher, www.switnphoto.com
Im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse, dessen Gastland die Niederlande und Flandern im Oktober sein werden, sind im September eine ganze Reihe niederländischer Autoren in Hamburg zu Gast. Junge „Literatur aus den Niederlanden und Flandern“ präsentieren an diesem Mittwoch auf der Cap San Diego Bregje Hofstede, Joost de Vries, Nina Weijers und Lize Spit. Ein guter Anlass für einen vertiefenden Blick in eine Literatur, die uns in Deutschland heute ganz nah und selbstverständlich ist. Es war nicht immer so.

Der Klassiker Johann Gottfried Herder verspottete die Niederländer einst als „dekadentes Handelsvolk“ und war der Ansicht, dass man Homer nicht ins Niederländische über-setzen könne, ohne ihn zu travestieren. Von August Wilhelm Schlegel, der von 1791 bis 1796 in Amsterdam lebte, ist überliefert, dass ihn „davor ekelte, ein holländisches Buch in die Hand zu nehmen“, weil ihm „die Sprache so zuwider“ war. Das Niederlande-Bashing, mit dem sich die deutschen Klassiker hervorgetan haben, ist zum Glück lange her, auch wenn es bis heute Missverständnisse und Ressentiments gibt, die jedoch vor allem aus den vielen Ähnlichkeiten zwischen den beiden Ländern und Sprachen resultieren. Von Deutschen werden die Unterschiede in Mentalität und Kultur schnell mal glattgebügelt, und die Niederländer betonen gern ihre Eigenständigkeit gegenüber dem großen Nachbarn.
Der Kritiker-Papst Marcel Reich-Ranicki rief noch 1991 in seiner Fernsehsendung „Literarisches Quartett“ aus: „Ich bin tief von diesem Nooteboom beeindruckt, sieh da, die Holländer haben einen solchen Autor!“ Etwas pikiert fragten sich die beiden Professoren für niederländische Literatur Jos Joosten und Thomas Vaessens in einem 2011 erschienen Aufsatz über die (Nicht-) Rezeption des niederländischen Kanons im Ausland: „Was genau meint er damit?“ Tatsächlich reicht die literarische Tradition der niederländischen Literatur, so wie die der englischen oder deutschen auch, zurück bis ins frühe Mittelalter – und hat stets große Texte hervorgebracht.
Eine der schönsten Publikationen aus der niederländischen Literatur in diesem Herbst ist im Hamburger mairisch Verlag erschienen, der im Februar mit allen Mitarbeitern für einen Monat nach Amsterdam umgezogen ist, um die niederländische Literaturszene besser kennenzulernen. Mitgebracht haben sie „DAS MAG“, ein Literaturmagazin, das in den Niederlan-den mit großem Erfolg viermal jährlich erscheint. Bei mai-risch ist „DAS MAG“ mit einem Best-of der jungen niederländischen Literatur erschienen. Zum Harbour Front Literaturfestival stellt der Verleger Daniel Beskos nun vier Autoren aus der jungen Szene vor: Bregje Hofstede, Joost de Vries, Nina Weijers und Lize Spit.
Als „größtes literarisches Talent“ (NRC Handelsblad) wurde in den Niederlanden Joost de Vries mit seinem Roman „Die Republik“ (Heyne Verlag) gefeiert und mit dem wichtigsten Literaturpreis Flanderns, der Goldenen Büchereule, ausgezeichnet. Seine rasante Gesellschafts- und Wissenschaftssatire erzählt von einem jungen Historiker, der sich nach dem Tod seines Mentors mit Täuschung und noch mehr Selbsttäuschung in eine wahnwitzige Situation laviert. Gleich mehrfach ausgezeichnet wurde Nina Weijers für ihrem Debütroman „Die Konsequenzen“ (Suhrkamp Verlag). Sie wirft mit ihrer jungen, eigensinnigen Protagonistin Minnie Panis einen ironischen Blick auf den internationalen Kunstbetrieb. Eine Liebesge-schichte „mit fast kriminalistischen Qualitäten“ erzählt dagegen die in Brüssel lebende Schriftstellerin und Kunsthistorikerin Bregje Hofstede in ihrem Roman „Der Himmel über Paris“ (Verlag C.H. Beck).
Ein Debüt, das nicht bei einer Lesung vorgestellt wird, muss hier abschließend trotzdem noch erwähnt werden: Hendrik Groen, 83 ¼ Jahre alt, hat mit „Eierlikörtage“ (Piper Verlag) endlich das „geheime Tagebuch“ über sein Leben im Alten-heim vorgelegt. Es erscheint in 28 weiteren Ländern gleichzei-tig, und war in Holland so erfolgreich, dass sich im ganzen Land Hendrik-Groen-Fanclubs gegründet haben. Dabei erzählt der alte Herr einfach nur davon, warum er den Kuchen von Frau Visser im Aquarium versenkt hat, woraufhin „eine Ermittlung eingeleitet“ wird, weil die Fische gestorben sind. Oder wie das ist, wenn man „immer mehr zu tröpfeln“ anfängt. Oder warum der „Alzheimer-Tag für die eigentliche Ziel-gruppe verschwendet“ ist. Tja, komt goed.

Harbour Front Literaturfestival auf der Cap San Diego, Luke 5, 20.00 Uhr, 15.- Euro.


Harbour Front Literaturfestival

„Die Wiedergeburt der Ameisen“




Der vielfach ausgezeichnete chinesische Schriftsteller Liao Yiwu, der seit 2011 in Berlin im Exil lebt, liest aus seinem neuen Roman, der die Geschichte seiner Familie mit der seines Heimatlandes China verwebt. Den deutschen Text liest Laura de Weck. Moderation: Hans-Jürgen Fink und Martina Hasse.

Harbour Front Literaturfestival in St. Katharinen, Katharinenkirchhof 1 , 20.00 Uhr. 14.- Euro.


Vortrag und Gespräch mit Jan Wagner

„Schönheit!“




Der Lyriker Jan Wagner spricht im Rahmen der Veranstaltungsreihe über die Frage, was Schönheit in den Künsten noch oder wieder bedeutet, über das Schöne in der Poesie. Moderation: Ulrich Greiner

Harbour Front Literaturfestival in der Freien Akademie der Künste, Klosterwall 23, 19.00 Uhr, 12.- Euro.


Liebe in Lokalen
„Liebe in Lokalen“, erschienen im Kunstmann Verlag
Lyrik im Café

„Die schöne Dingsbums“

Der Endreim zählt in Kreisen der hohen Dichtkunst und Poeterei hierzulande nicht allzu viel, gelobt wird eher seine Abwesenheit. Und doch gibt es einen Dichter, der sein Werk fast ganz dem Endreim gewidmet hat: Christian Maintz. Der „Hamburger Experte für Lyrik mit Humor“ (NDR Kultur) hat zweimal den Wilhelm-Busch-Preis für humoristische Dichtung erhalten (2002 und 2005) und mehrere Anthologien herausgegeben. Seine Lesungen sind legendär. Im Rahmen der Reihe „Lyrik im Café“ stellt er sein neuen Gedichtband „Liebe in Lokalen“ vor. Es moderiert Peter Engel.

„Höchste Zeit, dass die sehr komischen Verse von Christian Maintz unter die Leute kommen“ – so empfiehlt ihn kein Geringerer als der große F.W. Bernstein. Der Dichter bedankt sich standesgemäß mit einem Sonett und tierischen Vergleichen mit Specht und Haubenbären, doch am Ende ist´s: „die Wachtel, / Die Bernstein ähnelt“. Im Tierleben findet Maintz auch sonst große Momente, ob mit Horst dem Keiler (er lebt bei Badenweiler), mit Nashornbulle Waldemar, bei „Mensch und Reiher“ oder unter „Tierischen Rassisten“. Unvergessen bleibt bei der Lektüre aber auch wie „Wilhelm und die sieben Schwaben / Die schöne Dingsbums gerettet haben“ und dieser gnadenlose „Einkaufsblues“, in dem der Dichter nicht nur „hundert Gramm, und eine Schnitte“, sondern auch sie, die „Holde, stehen sah“. Eine Weltneuheit ist schließlich ein Gedicht mit einem endlosen Titel, das nur aus zwei Zeilen besteht: „Wir hörten etwas Hindemith“ (…) Sie wollen wissen, was in der zweiten Zeile steht? Im Chavis geht es weiter.

Kulturcafé Chavis, Detlev Bremer Str. 41, 19.00 Uhr. Eintritt frei.


Harbour Front Literaturfestival

„Anonym“

Ursula Poznanski und Arno Strobel lesen aus ihrem zweiten gemeinsamen Krimi, in dem der Hamburger Kriminalkommissar Daniel Buchholz zu einem Tatort auf einem verlassenen Fabrikgelände gerufen wird, wo er eine entsetzlich zugerichtete Leiche findet – und seine neue Kollegin Nina Salomon. Die beiden geraten sofort aneinander: der überkorrekte Buchholz und die unkonventionelle Neue. Nina Salomon ist es, die einem Internetforum auf die Spur kommt, das seine Mitglieder in der Anonymität des Darknets zu einem mörderischen Spiel einlädt: Sie dürfen Menschen, denen sie den Tod wünschen, auf eine Liste setzen, und die User des Forums stimmen dann über den „Gewinner“ ab.

Harbour Front Literaturfestival in der Zentralbibliothek der Hamburger Öffentlichen Bücherhallen, Hühnerposten 1, 20.00 Uhr, 14.- Euro.


Lesung

„Zwischen den Bäumen das Meer“





Janne Mommsen liest aus seiner Geschichte von Tom und Annkathrin, die an der Ostsee und auf Föhr spielt. Auf einem gefrorenen See in Ostholstein zieht Annkathrin auf Schlittschuhen ihre Kreise, als ihr ein Mann auffällt, der sich offenbar ins Eiswasser stürzen will. Beim Versuch, ihn zu retten, stürzt sie schwer. Der Mann rettet nun sie. Wie immer hat ihm das Leben einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ein paar Monate später treffen sie sich wieder und erleben zusammen einen wunderschönen Sommer. Doch Toms Schwermut ist nicht so einfach mal aus der Welt zu schaffen, und auch über Annkathrins Leben liegt ein dunkler Schatten. Kann es eine Zukunft für sie beide geben?

Bücherhalle Lokstedt, Kollaustr. 1, 19.00 Uhr. Eintritt frei.


Lesung

„Gemischtes Doppel“

Annemarie Stoltenberg und Rainer Moritz empfehlen Neuerscheinungen, die man am Büchertisch der Buchhandlung Samtleben im Literaturhaus dann auch gleich erwerben kann. 16 Titel, Belletristik und Sachbuch kunterbunt gemischt, stehen auf dem Programm, ergänzt durch eine Empfehlung des Buchhändlers Stephan Samtleben.

Literaturhaus, Schwanenwik 38, 19.30 Uhr, 12.-/8.- Euro.


Spaß mit Büchern

„ Kommando Känguru“

Im Rahmen der Reihe stellt Nina Weger den ersten Band der turbulenten und spannenden Detektivgeschichte „Die sagenhafte Saubande. Kommando Känguru“. Alter: für 3. Und 4. Klassen.

Jugendinformationszentrum /JIZ und Literaturhaus, Schwanenwik 38, 9.30 und 11.00 Uhr. Eintritt frei. Anmeldung beim Kulturring der Jugend unter Tel.: 040-428 23-4801 /-4827 (Mo. – Do. 9.00 – 17.00 Uhr, Fr. 9.00 – 16.30 Uhr) ist unbedingt erforderlich.


Lesung

Modernes Seemannsgarn mit Nagelritz

„An Land wirst du nie ein Seemann”, prophezeite man einst dem gebürtigen Gelsenkirchener Kabarettisten Nagelritz, der mit seinem Comedy-, Kabarett- und Chanson-Programm seit 15 Jahren die Bühnen der Republik unsicher macht. Für das Theaterschiff zieht er nun seine ungewöhnlichsten Geschichten aus dem Seesack. Erklärt Flaggenzeichen, wie sie noch keiner erklärt hat. Verschleudert seine Heuer ans Publikum und macht den Frauen schöne Augen, bis sie weiche Knie und er Ärger mit den Ehemännern bekommt.

Das Schiff, Holzbrücke 2/Nikolaifleet, 19.30 Uhr. Eintritt: 23.- bis 25.- Euro. Weitere Infos: www.theaterschiff.de


Lesung

„Spätlese“

Autorinnen und Autoren – Anfänger wie Profis – sind eingeladen ihre Kurzgeschichten oder Gedichte zum Besten zu geben. Wer vorlesen möchte, kommt nach Möglichkeit etwas früher, zehn Autorinnen und Autoren dürfen auf die Bühne. Musikalische Begleitung: Crazy Joe (Gitarre). Moderation: Wolfgang A. Gogolin.

Kulturpunkt im Barmbek-Basch, Wohldorfer Str. 30, 19.30 Uhr, Für Lesende frei, für Zuhörer 2.- Euro.


History Slam

Historisches rockt den Bunker

Zum 51. Deutschen Historikertag in Deutschland (20. bis 23. September, Universität Hamburg) wird sich auch bei einem Slam in Clubatmosphäre zeigen, was die aktuelle Geschichtsforschung zu bieten hat: Junge Wissenschaftler präsentieren ihre Arbeiten. Das Publikum kürt den Gewinner. Moderation: Insina Lüschen.

Uebel & Gefährlich. Feldstraße 66, 20.30 Uhr, 9.-/8.- Euro.


Literatur in Hamburg