Richard Powers neuer Roman »Das große Spiel«
Ein ozeanisches Vergnügen
Richard Powers, Foto: Mike Belleme
Im Zentrum der Literatur von Richard Powers steht schon seit vielen Jahren die Frage, »wie wir von einer Sicht, die nur uns Menschen ins Zentrum stellt, dahin kommen, uns im Wechselspiel mit der lebenden Welt zu sehen«. So formulierte er es in einem Interview zu seinem Roman »Erstaunen« (2021), in dem er die Geschichte einer Vater-Sohn-Beziehung mit Themen wie dem Klimawandel, Biodiversität und den Neurowissenschaften koppelt. In seinem Roman »Die Wurzeln des Lebens« (2019), für den er mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnet wurde, führt Powers in eine Erzählwelt, in der das Ökosystem des Waldes die Hauptrolle dabei spielt, die großen Bedrohungen für den Planeten aufzuzeigen.
Ein Leitmotiv ist die Entfremdung des Menschen von der Natur nun auch in »Das große Spiel«, wobei hier der Ozean als Lebensraum im Mittelpunkt steht. Ihn erkundet der Roman an der Seite der Meeresbiologin Evelyne Beaulieu, einer Koryphäe ihres Fachs. Noch im hohen Alter versucht sie das geheimnisvolle Spiel der Riesenmantas bei Tauchgängen im Pazifik vor Makatea zu entziffern. Die Insel ist ein vernarbtes Paradies, in dem mehrere Jahrzehnte lang Phosphat als Dünger abgebaut und in alle Welt geliefert wurde. Heute leben dort noch nicht einmal hundert Einwohner, darunter der Lehrer Rafi Young und die Künstlerin Ina Aroita, die mit ihren beiden Kindern ein zurückgezogenes Leben im Einklang mit der Natur führen.
Vorgestellt werden Rafi und Ina gleich zu Beginn von ihrem Freund Todd Keane, einem Computernerd, dessen Geschichte als Ich-Erzählung eingebunden ist. Diese subjektive Perspektive gibt dem sonst auktorial erzählten Roman einen überraschenden Rahmen und übersetzt formal den Wahnsinn, von dem »Das große Spiel« durchweht ist, denn dieser Todd ist, wie sich nach und nach zeigt, ein visionärer Tech-Gigant. Mit seiner Spiele-Plattform »Playground« und anderen Firmen hat er die Geschichte der Informatik von den Anfängen bis zu den Auswirkungen von Social Media und Künstlicher Intelligenz in der Gegenwart mitgeprägt, unterstützt von seinem Schul- und Studienfreund Rafi. Jetzt plant er ein finales Großprojekt, die Insel im Pazifik hat er sich als Knotenpunkt dafür ausersehen. Und das wird sie für ein spektakuläres ozeanisches Vergnügen bald auch sein, nur auf ganz andere Weise als er es sich vorstellt, etwas kitschig vielleicht, aber in seiner Verspieltheit sehr überzeugend und berührend.
Richard Powers, »Das große Spiel«, Penguin, € 26,–
01.11.2024 | Jürgen Abel