Dienstag 23.05.2017


Lesung mit Arno Frank

Fast wie im Paradies




Mit der Herkunft ist das so eine Sache, manche erfüllt sie mit Stolz, andere leiden ein Leben lang darunter, in jedem Fall trägt man sie stets mit sich herum. Das ist auch bei Arno Frank so, der in seinem gefeierten autobiographischen Familien- und Bildungsroman „So, und jetzt kommst du“ erzählt, dass er als Kind eine Zeit lang wie im Paradies leben durfte. Und dann in der Hölle landete. Das ist ganz schön schräg, immer wieder unglaublich komisch und tragisch zugleich. Zum „Yachtclub“ stellt Arno Frank seinen Roman vor. Es moderieren Tina Uebel und Friederike Moldenhauer.

Es beginnt mit einem sehr treffenden Zitat von Heimito von Doderer, der wusste: „Jeder bekommt eine Kindheit über den Kopf gestülpt wie einen Eimer. Später zeigt sich, was darin war. Aber ein ganzes Leben lang rinnt das an uns herunter, da mag einer die Kleider oder auch die Kostüme wechseln, wie er will.“ Bei Arno Frank ist das, was sich in dem Eimer befindet, ziemlich ätzend, obwohl es am Anfang gar nicht danach aussieht. Der „Lärchenweg“, wo er seine ersten Jahre verbringt, ist ein Ort, über den er „gerne Karamell gießen würde“, ein Ort zum Glücklichsein: „Gedrängt wie vier Freunde auf der Rückbank eines Autos“ stehen dort die Häuser nebeneinander, darunter auch das Elternhaus. Sein Vater Jürgen ist Verwaltungsfachmann, hat sich selbstständig gemacht und verkauft von „Kugelschreibern mit Schiebemechanismus“ über „Hirschgeweihe aus Kunststoff“ und „Aschenbecher aus Bakelit“ bis zu „Heimtrainern“ alles, was Geld bringt. Als er eine ganze Flotte zerlegter Kübelwagen kauft, hat die Geschichte gerade erst Fahrt aufgenommen, doch man ahnt schon, dass das alles nicht gut gehen wird: Die Familie ist bald verschuldet und verliert ihr Haus, daran ändern auch die Tupperpartys der Mutter nichts. Unglücklich sind die Eltern und die dreKinder in dieser Zeit nicht, und später, als der Vater das große Geld macht, „einen Arsch voll Geld“, und die Familie überstürzt nach Frankreich flieht, geht es ihnen sogar ganz ausgezeichnet. Frank besucht in Cannes eine Privatschule, nur die Frage, was der Vater arbeitet und wie er an sein Geld gekommen ist, findet irgendwie keine befriedigende Antwort. Jürgen erzählt vom großen Gewinn im Casino und ist sich sicher: „Nothing really matters, nothing really matters to me!“ Ein paar Tage später versteckt er sich dann im Wandschrank vor der Polizei, das große Geld ist ausgegeben, und die Familie flieht weiter nach Portugal. Das paradiesische Leben an der Côte d‘Azur mündet unvermittelt in einem Albtraum, der sich nicht einmal im „bewährten Überzeugungszauber“ des Vaters aufhellt. Am Ende dieses bewegenden literarischen Roadmovies, das Arno Frank mit großer poetischer Tiefenschärfe ausleuchtet, fällt ein versöhnlicher Blick auf „all den erfreulichen Tand, den die Zeit an den abendlichen Strand des Lebens“ der Mutter „geschwemmt hatte“. Der Vater hat sich da schon lange „ins Nichts der Freiheit“ verflüchtigt.

Nochtspeicher, Bernhard-Nocht-Straße 69a, 20.00 Uhr, 9.- Euro.





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