Mittwoch 10.05.2023


Eröffnung des Festivals und Marathonlesung

Hamburg liest verbrannte Bücher

(c) Marisa Boury Kremer
Alfred und Judith Kerr, in Szene gesetzt von Marisa Boury-Kremer in der Ausstellung »feuerfest«, die im Ausstellungsraum der Staats- und Universitätsbibliothek gezeigt wird.
In feierlichen Ritualen und begleitet von landesweit vorgegebenen »Feuersprüchen« wurde damals »Schund- und Schmutz«-Literatur von der »Deutschen Studentenschaft« dem Feuer übergeben. Darunter waren die Werke von Sigmund Freud, Erich Maria Remarque, Erich Kästner, Rosa Luxemburg, Ernest Hemingway, Karl Marx und vielen anderen. Die »Aktion wider den undeutschen Geist« begann am 10. Mai, den wir heute als Tag der Bücherverbrennung erinnern. Mit einem großen Lesefestival vom 10. Mai bis zum 10. Juni und einer ganzen Reihe von Ausstellungen begeht Hamburg den 90. Jahrestag der Bücherverbrennung.

In über zwanzig deutschen Universitätsstädten brannten damals die Feuer, in Hamburg am Kaiser-Friedrich-Ufer, in München auf dem Königsplatz, in Frankfurt auf dem Römerberg und in Heidelberg auf dem Universitätsplatz. Erich Kästner wurde am 10. Mai auf dem Berliner Opernplatz Zeuge der Bücherverbrennung und hat seine Eindrücke in einem kurzen Bericht zum Jahrestag der »Schandtat« im Jahr 1947 festgehalten, der mit der Frage »Kann man Bücher verbrennen?« überschrieben ist.

So gut besucht wie in Berlin waren die Bücherverbrennungen zwar nicht überall, sie hatten aber dennoch eine enorme Öffentlichkeitswirkung. Initiiert wurden sie von der NSDAP, der Hitlerjugend und der »Deutschen Studentenschaft«, die kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten zu einer »Aktion wider den undeutschen Geist« aufgerufen hatte, deren Höhepunkt die Bücherverbrennung wurde. So wie in der Vorzeit dem Feuer eine reinigende Wirkung zugesprochen wurde, sollte in einem symbolischen Akt zum Ausdruck kommen, »dass in Deutschland die Nation sich innerlich und äußerlich gereinigt hat«, wie Joseph Goebbels in einer Rede auf dem Berliner Opernplatz erklärte.

Im Vorfeld und der Folge wurden in Deutschland Bibliotheken und Buchhandlungen anhand einer »Schwarzen Liste« des Berliner Bibliothekars Wolfgang Herrmann durchforstet. Beteiligt an der barbarischen »Reinigung« waren sehr viele eifrige Helferlein überall in Deutschland, die Bücher aus ihren Regalen entfernten, und sie sind dabei so gründlich vorgegangen, dass viele der Werke und Autor:innen danach nicht wieder zum Vorschein kamen. Schon das ist ein guter Grund, sich zu erinnern.

Das Motto des Hamburger Festivals ist ein berühmtes Zitat, mit dem Erich Kästner seinen Bericht über die Bücherverbrennung abschließt: »Bücher, das wissen wir jetzt, kann man nicht verbrennen«. Am 10. Mai startet der Reigen der Veranstaltungen mit einer Marathonlesung am Platz der Bücherverbrennung, die offizielle Eröffnung des Festivals findet im Lichthof der Stabi um 19.00 Uhr statt. Dort lesen die Autorinnen Kirsten Boie und Simone Buchholz, Kultursenator Carsten Brosda, die Musikerin Anna Depenbusch, Uni-Präsident Hauke Heekeren, die Literatur-Bloggerin Karla Paul und der Rapper Torch aus verbrannten Büchern und diskutieren mit ZEIT-Feuilletonchef Volker Weidermann. Vor und nach der Veranstaltung führen Studierende der HAW durch die Festival- Ausstellung »feuerfest« im Ausstellungsraum der Stabi. Bis zum 10. Juni präsentiert das von der Staats- und Universitätsbibliothek, der Hochschule für Angewandte Wissenschaften und der Behörde für Kultur und Medien veranstaltete Festival in der ganzen Stadt Veranstaltungen.

Das vollständige Programm finden Sie auf
hamburgliest.de



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