Sonntag 27.04.2025
Lesung mit Yoko Tawada»Kein Geschlecht kann ein Haus sein, das passt«
Die Dichterin Yoko Tawada präsentiert zusammen mit Sasha Rau und Sachiko Hara Ausschnitte aus ihren Büchern »Überseezungen« und »Eine Zungengymnastik für die Genderdebatte«. Moderation: Ludwig Haugk.
Nach Deutschland kam sie zum ersten Mal 1979 mit der transsibirischen Eisenbahn. Von der Reise hat sie später in ihrer ersten auf Deutsch entstandenen Erzählung »Wo Europa anfängt« berichtet, aber das sei hier nur am Rande erwähnt, obwohl es eine Lektüre ist, die sich heute wieder besonders empfiehlt, schon weil Grenzen plötzlich wieder so sehr ins Bewusstsein gerückt sind. In der Literatur von Yoko Tawada erfährt man vieles darüber, was passiert, wenn wir sie überschreiten. »Sieht ein Seepferdchen anders aus, wenn es nicht mehr ,tatsu-no-otoshigo´ (das verlorene Kind des Drachen) heißt, sondern das kleine Pferd aus der See?« Das ist eine dieser feinen Fragen, mit denen die 1960 in Japan geborene Schriftstellerin die Verwandlung als Echoraum der Existenz thematisiert. Im Befremden, im Sichten und Entschichten von konventionellen Bedeutungsspuren entwickelt sie in ihrer Literatur einen eigenen Blick – auch auf die Natur. »Die Menschen können die Natur nicht unmittelbar wahrnehmen«, schreibt sie in »Portrait eines Kreisels« (konkursbuchverlag 2022), und es sei »eine sehr menschliche Art, bei Naturbetrachtung stets die kulturell geprägten Bilder mitzudenken«. In ihrem 2023 im konkursbuchverlag erschienenen Buch »Eine Zungengymnastik für die Genderdebatte« geht es um neue Sichtweisen rund um die Themen »Geschlecht«, »Gender«, »Jenseits von Geschlecht«. Yoko Tawada betrachtet Sprache und Wörter, den Alltag, literarische Werke, die Körper und Historisches aus verschiedenen Kulturen. Ihre Perspektive ist die einer »poetischen Ethnologin«. Nichts bleibt diesem Blick selbstverständlich, kleinste Dinge werden aufmerksam betrachtet und so beschrieben, dass unser Alltagsverständnis in Frage gestellt ist, wir die »Welt mit neuen Augen sehen«.
Deutsches Schauspielhaus, Malersaal, Kirchenallee 39, 19.30 Uhr, € 15,–