Dienstag, 10.05.2016


„Literaturschauspiel“ mit Anna Magdalena Bössen

„Deutschland. Ein Wandermärchen“




„Sagen Sie mal, Frau Bössen, wie sind sie eigentlich auf die Idee gekommen? Sich einladen zu lassen von völlig fremden Menschen, durch ganz Deutschland zu radeln und aufzutreten gegen Kost und Logis, mit Gedichten im Gepäck?“ Das wird sie immer wieder gefragt, diese Anna Magdalena Bössen, die in Stuttgart Rezitation studierte, an der staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst. Ja, ganz richtig: „Rezitation. Das heißt Sprechkunst.“

Nach dem Studium arbeitete Anna Magdalena Bössen als Sprechcoach und als Veranstalterin der „textouren“ in Hamburg, bis sie Gedichte rezitierend mit dem Fahrrad durch ganz Deutschland geradelt ist, 8160 Kilometer weit. Das Motiv für ihre Reise sei eine Mischung aus Fernweh und Neugier gewesen, erklärt sie im Vorwort zu ihrem neu erschienenen Buch „Deutschland. Ein Wandermärchen“. Das greift natürlich zu kurz, eigentlich ist das ganze Buch eine Erklärung dafür, warum sie losgezogen ist. Es geht es immer wieder um die Frage, was Heimat eigentlich ist, welche Rolle die Kultur in Deutschland spielt und wie sinnvoll es ist, sein Leben damit zu verbringen, Gedichte zu rezitieren. Mike, ein Tänzer, der in Kleinwelka in der Oberlausitz lebt, sagt zum Beispiel, dass man „Heimat nur in sich selbst finden könne“. Gleichzeitig ist er einer dieser vielen Kulturschaffenden, denen Anna Magdalena Bössen auf ihren 4 Etappen im Norden, Osten, Süden und Westen begegnet. Kultur gibt es (fast) überall in Deutschland, ob als „Lümmelpicknick“ mit „Freilufthörspiel“, als Rezitationsabend im kleinen „Theater am Weingarten“ – oder eben als „großes Literaturschauspiel“ in der 2. Heimat in Hamburg, wo Anna Magdalena Bössen ihr „Wandermärchen“ vorstellt und Gedichte rezitiert.

Die 2. Heimat, Max-Brauer-Allee 34, 19.30 Uhr, 30.- Euro (AK), 27.- Euro (VVK) inkl. Fischbrötchen und Bier. Tickets gibt es unter http://textouren.com/booking


Lesung mit Saša Stanišic

Sprache, Mut und Zauberei

David Grossman
Saša Stanišic, Foto: Katja Sämann
Von Europa und den Flüchtlingsströmen, von Krieg und Vertreibung, von all den Durchreisenden und dem Durcheinander in einer haltlosen Zeit erzählt Saša Stanišic in seinem neuen Erzählband „Fallensteller“. Doch zum Ereignis werden seine Geschichten nicht durch die Brüche der großen Geschichte, von denen sie eher beiläufig und in den Provinzen, von den Rändern des Weltgeschehens her erzählen, sondern durch ihre grandiose sprachliche Mikroökonomie und ihr subtiles Spiel mit Realität, Täuschung und Illusion. Ach ja – und wer sagt eigentlich, dass ernste Bücher nicht auch sehr unterhaltend sein können?
Saša Stanišić liest in der Buchhandlung Felix Jud aus seinem neuen Erzählband. Moderation: Ulrich Greiner.


Saša Stanišic, der 1978 in Višegrad, einer Kleinstadt im östlichen Bosnien geboren wurde und 1992 mit seinen Eltern nach Deutschland geflohen ist, wurde schon mit seinem in 31 Sprachen übersetzten Debütroman „Wie der Soldat das Grammofon repariert“ (2006) als Ausnahmetalent der jungen Literatur in Deutschland gefeiert und vielfach ausgezeichnet. Er hat sich daraufhin mehrere Jahre Zeit für eine Art ethnologische Tiefenbohrung in Fürstenwerder genommen, einem Dorf in der Uckermark. Bei seinem 2014 erschienenen Roman „Vor dem Fest“ war dann von Talent nicht mehr die Rede, sondern von „Weltliteratur“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung). Der unisono gefeierte Bestseller erzählt mit viel Sympathie für die Dörfler und einer großen Portion Humor in Geschichten, Legenden und Fabeln die Chronik eines prototypischen Dorfes im deutschen Osten. In Fürstenwerder gibt es dank des „Jugo-Schriftstellers“ einen regelrechten Literaturtourismus. Doch der ändert auch nichts daran, dass in Fürstenfelde, so heißt das literarische Pendant von Fürstenwerder,,die Menschen in den letzten Jahren weniger und die Tiere mehr geworden sind.
Das ist die Ausgangssituation von „Fallensteller“, der titelgebenden Erzählung des neuen Bandes, mit dem Stanišic noch einmal nach Fürstenfelde zurückkehrt, wo Lada seinen Golf „zum vierten Mal binnen zwei Jahren im Tiefen See“ parkt. Für sich genommen wäre das nichts besonderes, würde nicht gleichzeitig ein seltsamer Vogel auftauchen, ein „Fallensteller“, der sich ziemlich gestelzt ausdrückt, prompt eine Ratte in Ullis Garage einfängt und schlagartig berühmt wird. Einige Wochen später ist dann ganz Fürstenfelde auf die Einflüsterungen dieses Rattenfängers reingefallen, mit bösen Folgen: „Die betrügen wollten, fanden sich betrogen. Die Misstrauischen wurden zu ihrem Nachteil belogen. Die Überlebenden vorgeführt. Und Förster Fritz sechs Tage lang entführt.“ Man trennt sich, wie so oft in der Provinz, fast einvernehmlich, der „Fallensteller“ macht sich wieder auf die Reise, und Lada fährt nach Hamburg, wo er, zum Schriftsteller gereift, bei einer Preisverleihung von einem Wanderer erzählt, in dessen „Gepäck“ sich „Sprache, Mut und Zauberei“ befinden.

Dieser Wanderer durchstreift im Verborgenen alle Erzählungen von „Fallensteller“, ob sie von „christlichen Menschenrechtsaktivisten“ erzählen, die ein „Rheinfest“ feiern, von Freddie und seiner „großen Illusion“, von einem Pizzaalbaner und seiner Machete, der Opfer einer Erpressung wird und dabei den syrischen Surrealismus kennenlernt, von einer Fabrik auf dem Balkan, mit der sich die Europäische Union verspekuliert, von Rebecca, von Kosovaren, von der Ornithologin Elfriede Jelinek, von all den Vögeln, die ständig durch diese Geschichten flitzen: Sperlinge, Turteltauben, Kanarienvögel, Rabenvögel. Sie sind Durchreisende, so wie die Flüchtlinge, für die im Norden Norwegens ein florierender Handel mit Fahrrädern stattfindet, damit sie unbehelligt über die russische Grenze nach Europa radeln können. Es ist ein Bild, das unvermittelt auftaucht und befremdet, so als wäre es nicht aus dieser Welt, man kann nur darüber staunen und mit Saša Stanišic, dem stets der Schalk im Nacken sitzt, sogar darüber lachen. Dieses Erstaunen, dieses aufrichtige, vorurteilfreie und beherzte Hinsehen, begreifen und erfahren wollen, das sich da mitteilt, ist es, was die Literatur Saša Stanišics antreibt und so einmalig macht.
Eigentlich müsste hier jetzt ein Zitat stehen, schon um zu zeigen, wie diese Erzählungen in nur wenigen Sätzen ein großes Welttheater anzetteln. Doch für Häppchen gibt es ja eine, nein sogar zwei Lesungen in diesem April. Wer Stanišic und das sympathisch rollende R, das ihm aus seiner Kindheit geblieben ist, erleben will, hat Glück und muss einfach nur hingehen und zuhören. „Heimat ist“, sage ich (…), „wo man sich nichts vornehmen muss“, heißt es in einer der Erzählungen. Für diesen Abend gilt die dringende Empfehlung: Nimm dir vor Saša Stanišic zu hören!

Buchhandlung Felix Jud, Neuer Wall 13, 19.00 Uhr, 8.- Euro


5. Hamburger Graphic Novel Tage

„Sprechende Bilder“

Dominique Goblet und Anna Sommer präsentieren zu den 5. Hamburger Graphic Novel Tagen ihre Arbeiten. Moderation: Christian Gassner und Andreas Platthaus.

Literaturhaus, Schwanenwik 38, 19.30 Uhr, 12.-/6.- Euro


Lesung

„Kopfkissenbuch“

Zur Kirschblüte im Mai liest Katharina Schütz aus dem Notizbuch von Sei Shonagon, das Vertrauliches und Delikates aus den Privatgemächern des japanischen Kaiserpalastes im Jahr 1000 erzählt.

Buchhandlung Boysen + Mauke, Große Johannisstraße 19, 19.30 Uhr, 20.- Euro inkl. Getränken und japanischem Fingerfood. Um verbindliche Anmeldung unter Tel.: 040-44183280 oder B.Ermlich@schweitzer-online.de wird gebeten.


Lesung

Zum Gedenken an die Bücherverbrennung




Am 10. Mai 1933 und in den Tagen und Wochen davor und danach, wurde in einer großangelegten „Aktion wider den undeutschen Geist“ von der deutschen Studentenschaft das angeblich „zersetzende Schrifttum“ aus den Bibliotheken des Landes zusammengetragen und an zentralen Orten „den Flammen überantwortet“. In der Bücherverbrennung sah man einen symbolischen Akt, so wie in der Vorzeit dem Feuer eine reinigende Wirkung zugesprochen wurde, sollte in ihm zum Ausdruck kommen, „dass in Deutschland die Nation sich innerlich und äußerlich gereinigt hat“ (Joseph Goebbels in seiner Rede am Berliner Opernplatz am 10. Mai 1933). Die „Schund- und Schmutz-Literaten“, deren Werke am 10. Mai dieser barbarischen „Reinigung“ unterzogen wurden, gehörten zu den herausragenden Schriftstellern, Künstlern und Wissenschaftlern des Landes, darunter waren zum Beispiel Franz Kafka und Bertolt Brecht, Robert Musil und Joachim Ringelnatz, Kurt Tucholsky und Karl Marx, Erich Kästner und Else Lasker-Schüler, Albert Einstein und Siegmund Freud. In Hamburg brannten die Bücher am 15. Mai am Kaiser-Friedrich-Ufer.
Zum Gedenken an die Bücherverbrennung lesen Dagmar Seifert, Ellen Sell und Astrid Vehstedt Erzählungen über die Bücherverbrennung und den Krieg.

GEDOK am Platz der Bücherverbrennung, Kaiser-Friedrich-Ufer / Ecke Heymannstr., 14.45 Uhr. Eintritt frei.


Poetry Slam

„PICs AS pOetry“- Poetry Slam

Nach einem exklusiven Besuch der Ausstellung „Picasso. Fenster zur Welt“ im Bucerius Kunst Forum (Kurzvorträge ab 19.00 ) treten junge Autorinnen und Autoren im Levantehaus (20.30 Uhr) zum Thema „Mythos“ Picasso in fünf verschiedenen Uraufführungen in einem Poetry Slam der besonderen Art an. Picassos Motiv des Fensters dient dabei als Inspiration für die jungen „Kämpfer der Künste“. Moderation: Michel Abdollahi.

Kampf der Künste, Levantehaus Hamburg, Bucerius Kunst Forum im Bucerius Kunst Forum, Rathausmarkt 1, 19.00 Uhr und Levantehaus, Mönckebergstr. 7, 20.30 Uhr, 10.-/8.- Euro


Vortrag

„Die Stadt und die Geschichte Europas“

Vortrag von Prof. Marcello Verga (Universität Florenz) im Rahmen der Europawoche 2016. Der Vortrag findet auf Italienisch statt und wird simultan übersetzt.

Istituto Italiano di Cultura, Hansastr. 6, 19.00 Uhr, Eintritt frei. Anmeldung unter Tel.: 040-39999130 oder per E-Mail an iicamburgo(at)esteri.it.


Literatur in Hamburg