Mittwoch, 16.01.2019


Lesung mit Heinz Strunk

Der Sound der Vergeblichkeit




Es geht nicht gut aus. Nie. Heinz Strunk bläst in seinem Erzählband »Das Teemännchen« mit großer Hingabe zur Attacke gegen alles Versöhnliche und Konziliante, erbarmungslos wird bei ihm zum Brandbeschleuniger des Verderbens, worauf man als Ausflucht aus den Zumutungen des Lebens hoffen könnte. Dabei sind die 50 Miniaturen des Bandes genau getaktet, von der kleinen Niederlage, die sich zum Lebensdebakel auswächst, über all die zur Erweiterung der Vorstellungskraft aufgeworfenen körperlichen Bedürftigkeiten bis zur »wundersamen Fügung« in einem finalen »Aufstand der Kleinfahrzeuge«. Es sind Texte, die sich einbrennen, pointiert und direkt, und sie haben durch ihren unerbittlichen Blick auf das Allzumenschliche auch noch den Effekt einer heilsamen Katharsis.

In seinen bisherigen Büchern hat Heinz Strunk, der auch als Musiker und Entertainer sehr erfolgreich ist, vor allem aus seinem eigenen Leben erzählt, in seinem Debüt, dem Bestseller »Fleisch ist mein Gemüse«, von einem Musiker, der mit einer Tanzkapelle durch Norddeutschland tingelt. Skurrile und dabei doch treffende Milieubeschreibungen vor allem aus den gesellschaftlichen Randgebieten sind zum Markenzeichen seiner Literatur geworden. In seinem Roman »Der goldene Handschuh«, der in diesem Sommer von Fatih Akin verfilmt wurde, leuchtet er mit dem Frauenmörder Fritz Honka die Nachtseite Hamburgs in den 1970er Jahren aus und damit eine nicht allzu lange nach dem Krieg und der Nazi-Diktatur verrohte Gesellschaft. Mit seinem Roman »Jürgen« ist ihm dann erneut ein Bestseller gelungen, der literarisch jedoch nicht an den Vorgänger anknüpfen konnte. Sein Erzählband »Das Teemännchen« ist nun wieder »high end literatur at it’s best«, wie der Autor auf seiner Website »in aller erdenklicher Unbescheidenheit« selbst anmerkt. Seinen Themen ist Strunk treu geblieben: Alkohol, Sex, Übergewicht, Einsamkeit und Antriebslosigkeit, das ist der Kanon, der in den Prosaminiaturen von wenigen Sätzen bis ein paar Seiten in einem breiten Gesellschaftspanorama der Abgehängten, Ausgestoßenen und Verlorenen angestimmt wird. Ein alternder »Weltstar« gerät in einer Kneipe in St. Pauli an seine Grenzen, das Lebensglück der Imbissbuden-Schönheit Anja geht am »Borstelgrilleck« zu Schanden, die »legendären Albrecht-Brüder« und das »Cleverle« Lothar Späth finden ihr Unglück ebenso wie »Janine« und »Der kleine Herr Diba«, der sein Pech immer schon geahnt hat und endlich »koppheister« in der Toilette abrauscht. Zu großer Form läuft Strunk auf, wenn Realität, Phantasie und Wahnsinn in existenziellen Grenzsituationen ineinander fallen, ob »Über den Wolken«, wo sich ein Mann gefesselt an das Rotorblatt eines Windrades die Seele aus dem Leib kotzt oder in einem Hotelzimmer in Düsseldorf, das sich als »Schwarzes Loch« erweist, in dem nach und nach die persönlichen Dinge und dann auch ein Reisender selbst verschwindet. Man hofft, mit den Figuren dieser meisterhaften Erzählungen immer wieder, es könnte »alles nur ein schlimmer Traum« gewesen sein oder ein besonders hinterhältiger Treppenwitz. »Weiß man’s?« Bei Heinz »Heinzer« Strunk »sickert die Dunkelheit wie flüssiger Teer durch ein Loch im Universum«, sein Humor ist rabenschwarz. Und wer trotzdem lacht, hat alles richtig gemacht, denn es bleibt der einzige, wenn auch schwache Trost: »Es erlischt, was mal loderte oder wenigstens glomm. Wir kommen aus dem Nichts und verschwinden im Nichts, alles sonst sind fromme Wünsche und infantile Phantastereien.«

Deutsches Schauspielhaus, Kirchenallee 39, 20.00 Uhr, € 22,–/12,–


Vortrag

»Zu des Rheins gestreckten Hügeln…«

Vortrag von Prof. Wolfgang Bunzel über Goethes Kuraufenthalte in Wiesbaden 1814/1815 und die Gründung der Zeitschrift »Über Kunst und Alterthum«

Goethe-Gesellschaft im Warburg-Haus, Heilwigstr. 116, 19.00 Uhr


Lesebühne

»Spät-Lese«

Autorinnen und Autoren – Anfänger wie Profis – sind eingeladen ihre Kurzgeschichten oder Gedichte vorzulesen. Wer vorlesen möchte, kommt nach Möglichkeit etwas früher, zehn Autorinnen und Autoren dürfen auf die Bühne. Musikalische Begleitung: Crazy Joe (Gitarre). Moderation: Wolfgang A. Gogolin.

Kulturpunkt im Barmbek-Basch, Wohldorfer Str. 30, 19.30 Uhr, Für Lesende frei, für Zuhörer € 2,–


Poetry Slam

»Jägerschlacht«

Offener Poetry Slam. Lesezeit: 5 Minuten. Lesen kann, wer sich kurz vor der Veranstaltung in die Leseliste eintragen lässt. Moderation: Jasper Diedrichsen

Kampf der Künste, Grüner Jäger, Neuer Pferdemarkt 36, 20.30 Uhr, € 4,–


Literatur in Hamburg