Mittwoch, 02.10.2019


Lesung mit Bernd Brunner

Links vom Sonnenaufgang

Bernd Brunner
Bernd Brunner, Foto: Michael Schidlack
Für viele Jahrhunderte ist der Norden eine Weltgegend, in der man das Böse vermutet, ein Ort der Kälte und Dunkelheit. Er liegt links vom Sonnenaufgang, zeigt »Richtung Mitternacht« und führt schnurstracks hinaus aus der gebildeten Welt im Mittelmeerraum. Angst und Schrecken geht von dieser Gegend aus, auch Hamburg braucht lange, bis es sich von einer grausamen Heimsuchung des Nordens erholt. Im Jahr 845 überfallen Wikinger die damals noch kleine Siedlung und erschlagen, wen auch immer sie erwischen. Gleichzeitig wird hoch im Norden schon im 4. Jahrhundert v. Chr. eine Insel beschrieben, die bald mythische Bedeutung erlangt: das sagenhafte Thule. Es ist nur eine der großen Projektionsflächen, die Bernd Brunner in seinem neuen Buch »Die Erfindung des Nordens« (Galiani) ausleuchtet.

Zum Auftakt erfahren wir von einem Stich aus der »Wunderkammer des königlichen Antiquars des dänisch-norwegischen Reiches Ole Worm«, aus dem sich ableiten lassen soll, dass der Urahn des sagenumwobenen Einhorns kein Pferd war, sondern ein die Nordmeere bewohnendes Meerestier. Es ist nur eine der vielen Preziosen, die Bernd Brunner für seine »Kulturgeschichte einer Himmelsrichtung« gesammelt hat. Der in Berlin und Istanbul lebende Autor findet seine Themen stets an der Schnittstelle von Kultur-, Wissenschafts- und Mentalitätsgeschichte, mal vermittelt er in »Ornithomania« Staunens- und Wissenswertes aus der Welt der Vogelkunde, dann erzählt er in »Als die Winter noch Winter waren« die »Geschichte einer Jahreszeit« oder schreibt ein »Granatapfelbuch«. Zu einem großen Streifzug lädt er mit seiner Kulturgeschichte des Nordens ein, er führt von der Entdeckung Thules bis zu IKEA, vom ersten Touristen auf der »Bäreninsel« über die verschiedenen Nordpol-Expeditionen bis zur kultischen Verehrung alles Nordischen durch die Nazis, die im Norden die »Urheimat der Germanen« sahen und in Helgoland die Hauptstadt von Atlantis entdeckt haben wollten. Vom wahren Norden erzählt Brunner zum Abschluss seiner Exkursion, und wir erfahren, dass man »Ultima Thule«, den nördlichsten Landpunkt der Erde, kürzlich »in den Weltraum verlegt« hat – als Bezeichnung für den am weitesten entfernten Himmelskörper, der je untersucht wurde. Der irdische Norden rückt unterdessen als Wirtschaftsregion mehr und mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Mit Frank Brunner kann man diesen profanen Blick um große Weiten ergänzen und darf sich damit trösten, dass die Jahrhunderte verbindende Magie, die vom Norden ausgeht, wenigstens in der Literatur erhalten bleibt.

stories! im Falkenriedquartier, Straßenbahnring 17, 19.30 Uhr, € 5,-


Lesung mit Jan Christophersen

»Ein anständiger Mensch«

Jan Christophersen, Foto: Mathias Bothor
»Eins passierte nach dem anderen. Wie hätte es auch anders sein können?« Das ist der Startschuss zu Jan Christophersens neuem Roman und damit ist auch schon klar, dass man mit Unerhörtem zu rechnen hat. Erzählt wird von Steen Friis, einem Autor und gern gesehenen Gast in Talkshows, der sich in seiner Rolle als öffentlicher »Anstandsonkel« wohl fühlt, bis die Ereignisse weniger Tage sein gesamtes Werte- und Lebensgefüge in Frage stellen. Die Konstellation ist klassisch: Steen und seine Frau Frauke bekommen Besuch in ihrem Ferienhaus von einem befreundeten Paar. Man plaudert, geht zusammen segeln, und völlig unerwartet erinnert Frauke ihn dann an ein Versprechen, das sie sich Jahre zuvor gegeben haben: sich gegenseitig in der Liebe größtmögliche Freiheit zu gestatten. Damit nimmt die Katastrophe ihren Lauf, die nicht nur Steens Ego erschüttert, sondern in einem Notfall gipfelt, der seine gesamte Lebenseinstellung zu erschüttern droht. Jan Christophersen stellt seinen Roman im Literaturhaus vor. Moderation: Alexander Häusser.

Literaturzentrum im Literaturhaus, Schwanenwik 38, 19.30 Uhr, € 7,–/5,-


Übersetzerinnen packen aus

»Verwandlungen«

Die Hamburger Übersetzerinnen Annette Kopetzki, Miriam Mandelkow und Eva Profousová »packen aus« und erzählen von den erstaunlichen Verwandlungen, die ihre Werke auf dem Weg ins Deutsche erfahren haben. Auf dem Programm stehen Samuel Selvons Roman »Eine hellere Sonne« (dtv), der philologische Krimi »Kafkas elektrische Straßenbahn« von Adrian Sofris (Wagenbach) und »Ein empfindsamer Mensch« (Suhrkamp Verlag), der neue Roman von Jáchym Topol.

Buchhandlung Christiansen, Bahrenfelder Str. 79, 20.00 Uhr, € 10,-


Lesung mit Sven Regener

»Das Schloss«

Sven Regener liest aus dem Roman »Das Schloss« von Franz Kafka.

Deutsches Schauspielhaus, Kirchenallee 39, 20.00 Uhr, € 25,–


Vortrag

»Das Bauhaus und seine Künstler«

Die Kunsthistorikerin Dorith Will spricht über die vielfältigen Aktivitäten an der von Walter Gropius vor 100 Jahren als »Staatliches Bauhaus in Weimar« gegründeten Reformschule, die das Handwerk und die freien Künste unter einem Dach zusammenführte.

KulturKreis Walddörfer e.V. in der Bibliothek der Ohlendorff’schen Villa in Volksdorf, Im Alten Dorfe 28, 19.30 Uhr, € 14,–/12,–, Vorverkauf in der Buchhandlung I. v. Behr


Poetry Slam

»Jägerschlacht«

Offener Poetry Slam. Lesezeit: 5 Minuten. Lesen kann, wer sich kurz vor der Veranstaltung in die Leseliste eintragen lässt. Moderation: Hannes Maaß.

Kampf der Künste, Grüner Jäger, Neuer Pferdemarkt 36, 20.30 Uhr, € 5,-


Literatur in Hamburg