Dienstag, 20.06.2023


Lesung mit Michael Weber und Detlef Grumbach

»Entnazifizierung reicht nicht«

Der Schauspieler Michael Weber (Deutsches Schauspielhaus) liest aus dem Roman »Anfrage« (Verbrecher Verlag) des Hamburger Schriftstellers Christian Geissler (1928-2008). Moderation und Einführung: Detlef Grumbach, Journalist und Vorsitzender der Christian-Geissler-Gesellschaft e.V.

Christian Geissler untersucht in seinem 1960 erschienen Romandebüt »Anfrage« die Schuld der Väter am Holocaust und greift die »Wir haben von allem nichts gewusst«-Haltung der Adenauer-Ära an. Er erzählt von der Deportation einer jüdischen Familie, von ihrem Gärtner, der ihr Freund war und doch nur zugeschaut hat, vom Besuch eines Verwandten aus Amerika und von einem jungen Soldaten, der kurz vor Kriegsende noch sein Bein verloren hat. Christian Geissler betrachtet den Nationalsozialismus in seinem Roman nicht als Betriebsunfall, sondern schlägt den Bogen von 1923 bis in die Gegenwart des Jahres 1958.

»Anfrage« wurde 1960 zum Bestsellererfolg. Große und kleine Zeitungen druckten Besprechungen und sorgten so für eine große Verbreitung. Marcel Reich-Ranicki sah in dem Buch den lang ersehnten Schrei des Schmerzes und der Verzweiflung, der Schande und der Empörung: »Ein heiserer Schrei, gewiß, doch ein erschütternder Schrei, dessen Ehrlichkeit nicht bezweifelt werden kann.«

Eine Kooperationsveranstaltung der Rosa Luxemburg Stiftung, des Buchladens in der Osterstraße und der Christian-Geissler-Gesellschaft e.V.

Buchladen Osterstraße, Osterstr. 171, 20.00 Uhr, € 5,–, Vorverkauf im Buchladen, Tel. 040 491 95 60


Jüdischer Salon

»Über Israel reden«

Über kaum ein anderes Land wird in Deutschland so viel geredet und gestritten: Zu Israel hat jeder eine Meinung. Warum ist das so? Wieso hat der Nahostkonflikt eine solche Bedeutung? Und warum ist die Debatte so emotional – und oft so vergiftet? Davon erzählt Meron Mendel, Professor für Soziale Arbeit und Leiter der Bildungsstätte Anne Frank, in seinem Buch »Über Israel reden. Eine deutsche Debatte«, das er zum Jüdischen Salon vorstellen wird. Schon als Mendel vor zwanzig Jahren nach Deutschland kam, stellte er überrascht fest, welche Bedeutung sein Heimatland Israel hier im öffentlichen Diskurs hatte. Daran hat sich nichts geändert – und auch nicht daran, dass nahezu alle glauben, klare Positionen zu Israel formulieren zu können.
Moderation: Ronen Steinke, Gastgeberin des Abends ist Barbara Guggenheim.

Jüdischer Salon in den Hamburger Kammerspielen, Hartungstr. 9-11, 19.30 Uhr, € 12,–/8,–/5,–


Lesung und Konzert

»Mr. Goebbels Jazz Band«

Demian Lienhard
Demian Lienhard, Foto: Amrei-Marie, Wikipedia
Demian Lienhard erzählt die ungeheuerliche und fast bis ins Detail die wahre Geschichte von »Mr. Goebbels Jazz Band« (Frankfurter Verlagsanstalt) und des berüchtigten Radiosprechers William Joyce vor. Moderation Nefeli Kavouras. Die Lesung findet in einer Untergrundbar statt, mit Cocktails und musikalischer Begleitung.

Berlin, Frühjahr 1940. Auf Beschluss von Joseph Goebbels wird fu?r den Auslandsradiosender Germany Calling eine Big Band gegru?ndet, die als Mr. Goebbels Jazz Band internationale Bekanntheit erlangt. Die besten europäischen Musiker, darunter auch Ausländer, Juden und Homosexuelle, spielen im Dienst der NS-Propaganda wortwörtlich um ihr Überleben – ausgerechnet mit Jazz, der als »entartet« galt.

Bis zu 6 Millionen britische Haushalte täglich lauschen den Swing-Stücken mit anti-alliierten Hetztexten und dem Star-Moderator William Joyce alias Lord Haw-Haw, der nach seinem Aufstieg in der British Fascist Union aus London nach Berlin geflohen war. Joyce soll den Erfolg »an der Front im Äther« literarisch dokumentieren lassen. Der dafür ausgewählte Schweizer Schriftsteller Fritz Mahler findet sich im Zuge seines Auftrags, einen Propagandaroman über die Band zu schreiben, in verruchten Berliner Clubs und illegalen Jazzkellern wieder, trinkt zu viel Cointreau, verzettelt sich in seinen Recherchen und muss nicht nur die Skepsis der Musiker überwinden, sondern auch seine gefährlichen Auftraggeber über das schleppende Vorankommen seines Unterfangens hinwegtäuschen.

literatur altonale, Eingang über NAA Pop-Up, Neue große Bergstr. 4-5, 20 Uhr, Eintritt: Zahle, so viel du willst!


Lesung

»Manchmal fliegen«

Sophia Hungerhoff liest aus ihrem neuen Roman. Moderation: Verena Carl.

literatur altonale im »Lesegarten« der Buchhandlung Christiansen, Bahrenfelder Str. 79, 20.00 Uhr, Eintritt: Zahle, so viel du willst!


Lesung und Gespräch mit Thomas Weigand und Elisa Hoven

»Strafsachen. Ist unser Recht wirklich gerecht?«

Die Urteile der Gerichte sind für viele Bürgerinnen und Bürger häufig nicht nachvollziehbar. Elisa Hoven und Thomas Weigend greifen in ihrem Buch spektakuläre und prominente Fälle auf und analysieren, warum die Gerichte so und nicht anders geurteilt haben. Dabei zeigen sie die Grenzen unseres Rechtssystems auf. Zum Beispiel am »Fall Renate Künast«: Tut das Strafrecht genug gegen Hass im Netz? Oder »Böhmermann gegen Erdogan«: Strafbare »Majestätsbeleidigung«? Oder anhand des »Ku’Damm-Raser-Falls« diskutieren sie, ob Raser Mörder sind

Schweitzer Fachinformationen, Große Johannisstr. 19, 19.00 Uhr, € 15,–/10,–,
Anmeldungen an Anja Wenzel: a.wenzel@schweitzer-online.de

Lesung

»Aber ich hab doch gar nichts zu erzählen«

Im Sinne der Stiftungsidee »Generationen-Zusammenhalt« lesen Jugendliche drei von 32 Geschichten aus dem Buch »Aber ich hab doch gar nichts zu erzählen«, das aus verschiedenen Leben älterer Menschen berichtet und von Jugendlich geschrieben wurde.

Literaturzentrum und Stiftung »Generationen-Zusammenhalt« im Literaturhaus, Schwanenwik 38, 19.30 Uhr, € 6,–


Aktuelle Buchempfehlungen


01.06.2023 | Literatur in Hamburg
Marica Bodrožics »Die Arbeit der Vögel«

Das größere Gedächtnis

Marica Bodroži?
Marica Bodrožic, Foto: Peter von Felbert
Klare Gattungsgrenzen gibt es in diesem Buch nicht, die Übergänge zwischen Essay, Erzählung und Poesie sind so fließend wie jene zwischen der Natur und der inneren Lebenslandschaft, die Marica Bodrožic in »Die Arbeit der Vögel« (Luchterhand) erkundet. Sie selbst bezeichnet es als ein »Denk-, Essay- und Erzählprojekt«, im Untertitel gibt sie den poetischen Takt dafür vor und nennt die kurzen Texte über eine Wanderung und ein ganzes Jahrhundert, das dabei durchschritten wird »Seelenstenogramme«. Sie verbinden eine brillante Erinnerungsarbeit über Walter Benjamin mit der Suche nach einem »weiter gefassten, großzügigeren Selbst«.


01.06.2023 | Literatur in Hamburg
Ella Carina Werners Erzählband »Man kann auch ohne Kinder keine Karriere machen«

So super, diese Frau Werner

frei
Ella Carina Werner, Foto: Julia Schwendner
In ihrem gefeierten Erzählband »Der Untergang des Abendkleides« (2020) erzählt sie von ihrer Geburt, ihren hochfliegenden Plänen, aber auch von Menschen, etwa vom »Ding Dong« der Handwerker und von Onkel Bernhard, der sich lustvoll die Pfeffermühle auf den Kopf haut. In den neuen Geschichten aus dem Leben von Ella Carina Werner hängt Onkel Bernhard nun »halb auf dem Teppich« und ist Feminist, »ein bisschen Restsexist« und Frauenfußballfan. Doch auch sonst schöpft die Mitherausgeberin des Satiremagazins »Titanic« und Autorin der monatlichen Kolumne »Rosen in Beton« höchst »inspirierend« aus ihrem reichen Erfahrungsschatz als Frau. Das geht schon mit dem Titel los: »Man kann auch ohne Kinder keine Karriere machen« (Rowohlt).


30.05.2023 | Literatur in Hamburg
T.C. Boyles »Blue Skies«

Der Countdown läuft

T.C. Boyle
T.C. Boyle, Foto: Jamieson Fry
In seinen letzten Romanen war der amerikanische Schriftsteller T.C. Boyle stets auf der Spur wissenschaftlicher Untersuchungen: Eine bitterböse Persiflage des Versuchs, eine autarke »Biosphäre« zu erschaffen, ist sein Roman »Die Terranauten« (2017), in »Das Licht« (2019) erzählt er von den Experimenten mit bewusstseinserweiternden Drogen des Hippie-Gurus und Harvard-Professors Timothy Leary, und in »Sprich mit mir!« (2021) geht es um das Bewusstsein von Tieren, genaugenommen um einen Schimpansen, der ohne Kontakt zu seinen Artgenossen in einer menschlichen Familie aufwächst. Für seinen neuen Roman »Blue Skies« (Hanser) projiziert er nun die Folgen des Klimawandels ein klein wenig in die Zukunft und erzählt von einer Welt, in der die Apokalypse beginnt.


30.05.2023 | Literatur in Hamburg
Helga Schuberts »Der heutige Tag«

Die weiten blauen Fernen

Helga Schubert
Helga Schubert, Foto: Renate von Mangold
Für eine Erzählung aus ihrem Sammelband »Vom Aufstehen. Ein Leben in Geschichten« (DTV) wurde Helga Schubert 2020 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet, 40 Jahre nachdem die heute 83-jährige Schriftstellerin schon einmal zum Wettbewerb eingeladen war und ihn dann verpasste, weil sie nicht aus der DDR ausreisen durfte. In diesem Frühjahr ist mit der »Der heutige Tag« (DTV) ein tief berührendes Porträt des Lebens mit ihrem Mann im Mecklenburgischen Neu Meteln erschienen, es ist »Ein Stundenbuch der Liebe«, das die kleinen Momente des Glücks in einem höchst beschwerten Alltag feiert.


01.05.2023 | Literatur in Hamburg
Clemens Setz neuer Roman »Monde vor der Landung«

Den »Windmühlen-Vorteil« nutzen

Clemens Setz
Clemens Setz, Foto: Max Zerrahn
Vor zwei Jahren wurde Clemens J. Setz mit dem Büchner-Preis ausgezeichnet, und es ist nur der Gipfel all der Preise, mit denen der Grazer Schriftsteller schon geehrt wurde. Dabei ist seine Literatur im besten Sinn exzentrisch, gleichzeitig gegenwärtig, hochpoetisch und verspielt. Mit künstlich erschaffenen Sprachen setzt er sich in »Die Bienen und das Unsichtbare« (2020) auseinander, ein »Gespräch ohne Autor« inszeniert er in »Bot« (2018), und sein neuer Roman »Monde vor der Landung« (Suhrkamp) erzählt die Geschichte eines Querdenkertums »avant la lettre«, wie der Verlag ankündigt, die aktueller kaum sein könnte. Es ist die Rekonstruktion der Biografie einer historischen Figur, akribisch recherchiert und literarisch meisterhaft ausgeleuchtet.


01.05.2023 | Literatur in Hamburg
Der neue Roman von A.L. Kennedy

»Als lebten wir in einem barmherzigen Land«

A.L. Kennedy
A.L. Kennedy, Foto: Robin Niedojadlo
Die im schottischen Dundee geborene Alison Louise Kennedy gilt als einer der brillantesten Köpfe der Gegenwart, ist eine der wichtigsten Schriftstellerinnen Großbritanniens und wurde für ihre Romane und Erzählbände vielfach ausgezeichnet. In Deutschland wird sie mit nahezu jedem ihrer Bücher gefeiert und hat ein großes Publikum. Ihr neuer Roman »Als lebten wir in einem barmherzigen Land« feiert seine »Weltpremiere« in diesem Frühjahr in der deutschen Übersetzung von Susanne Höbel und Ingo Herzke, der das Werk von Kennedy seit vielen Jahren begleitet. Es sei ein »Meisterwerk der moralischen Beunruhigung« heißt es beim Hanser Verlag.


01.05.2023 | Literatur in Hamburg
Kim de l’Horizons »Blutbuch«

Ein Zuhause in der Sprache finden

Kim De l Horizon
Kim de l´Horizon, Foto: Anne Morgenstern
Es war ein Triumphzug, mit dem Kim de l’Horizon die literarische Welt im vergangenen Jahr aufmischte. Zuerst wurde der Debütroman »Blutbuch« mit dem Literaturpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung ausgezeichnet, es folgte der Deutsche Buchpreis und dann auch noch der Schweizer Buchpreis. Als Geburtsjahr steht in de l’Horizons fiktiver Biografie das Jahr 2066 und als Ausbildung das Studium des »Literarischen Weinens und der Hexerei bei Starhawk«. Tatsächlich gehört das ebenso zu den Selbstfindungen einer öffentlichen Kunstfigur wie der Name Kim de l’Horizon. Das »Blutbuch« ist jedoch ein autobiografischer Text, er erzählt formal und stilistisch meisterhaft von der Suche nach Anknüpfungspunkten in der eigenen Familie und einer Sprache für queere Identität. Kim de l’Horizon stellt seinen Roman auf Kampnagel vor.


28.03.2023 | Literatur in Hamburg
Die 18. Ausgabe des Hamburger Literaturjahrbuchs ZIEGEL

Ein Hingucker in Pink

Hamburger ZIEGEL
So leuchtend hat sich das Hamburger Literaturjahrbuch ZIEGEL bisher noch nie gezeigt. Die 18. Ausgabe der beliebten Anthologie ist jedoch nicht nur ein Hingucker in Pink, sondern präsentiert auch ein vielschichtiges Best-of mit Erzählungen, Gedichten, Auszügen aus Romanen, Theaterstücken und Comics aus der Hamburger Literatur der letzten zwei Jahre. »Es ist zwar ein schweres Buch«, schwärmte das NDR Hamburg Journal, »aber es liest sich federleicht«.


28.03.2023 | Literatur in Hamburg
Matthias Polityckis neuer Roman »Alles wird gut«

Eine Liebe in Afrika

Hamburger ZIEGEL
Matthias Politycki, Foto: Heribert Corn
Er ist ein Autor, der vor Konflikten nicht zurückschreckt, einer, der sich einmischt und Stellung bezieht. Zuletzt hat er »den deutschen Debattensumpf« mit dem Essayband »Abschied von Deutschland« ausgeleuchtet, aber auch seine Romane zielen mitten hinein in die Gemengelage gegenwärtiger Empfindsamkeiten. Von einer Männerfreundschaft über tiefe weltanschauliche Gräben hinweg handelt die grandios erzählte Komödie »Das kann uns keiner nehmen« (2020). Ausgangszenario ist eine Reise in Afrika, so wie auch in seinem neuen Roman, dem das freundliche Versprechen vorauseilt: »Alles wird gut« (Hoffmann und Campe) und der doch die »Chronik eines vermeidbaren Todes« erzählt.


28.03.2023 | Literatur in Hamburg
Katrin Seddigs neuer Roman »Nadine«

Den Ausweg finden

Katrin Seddig
Katrin Seddig, Foto: Bruno Seddig
Die Hamburger Schriftstellerin Katrin Seddig ist eine so kluge wie mitreißende Erzählerin. Zuletzt hat sie mit ihrem Roman »Sicherheitszone« (2020) in der radikalen Ausnahmesituation des G20-Gipfels einen unbefangenen Blick in die erschütterbare Mitte der Gesellschaft geworfen und wurde dafür mit dem Hamburger Literaturpreis und kurz darauf mit Hubert-Fichte-Preis ausgezeichnet. In ihrem neuen Roman »Nadine« (Rowohlt Berlin) erzählt sie die Geschichte der Selbstermächtigung einer Frau. Sie beginnt mit einer furchtbaren Nachricht.


28.03.2023 | Literatur in Hamburg
Michael Köhlmeiers neuer Roman »Frankie«

So ein ganz schlauer

Michael Köhlmeier
Michael Köhlmeier, Foto: Peter-Andreas Hassiepen
Seine Prosa umfasst über 50 Bücher, er war zudem als Hörspielautor erfolgreich, hat die »Sagen des klassischen Altertums« nacherzählt und das »Nibelungenlied«, und ist ein großer Fan und Erfinder von Märchen. Nach seinem Opus Magnum »Matou«, in dem er auf tausend Seiten aus den sieben Leben eines Katers erzählt, ist Michael Köhlmeier mit seinem Coming-of-Age-Roman »Frankie« nun auf einem eher überschaubaren Spielfeld unterwegs. Doch es geht um ein universelles Thema, das am Beispiel eines Großvaters ausbuchstabiert wird, der gerade aus dem Knast entlassen wurde, und seines Enkelsohns. Es ist eine ziemlich böse Geschichte.


28.03.2023 | Literatur in Hamburg
Virginie Despentes Roman »Liebes Arschloch«

»Du bist wie eine Taube«

Hamburger ZIEGEL
Virginie Despentes, Foto: JF PAGAn
Bekannt wurde Virginie Despentes als Autorin der »Skandalbücher« »Baise-moi – Fick mich« und »King Kong Theorie«. Spätestens mit ihren Vernon-Subutex-Romanen hat sie sich in den Olymp der zeitgenössischen französischen Literatur geschrieben. Als im letzten Herbst dann in Frankreich ihr neuer Roman »Cher Connard« erschien, stand sie monatelang im Zentrum einer aufgeregten Debatte. Jetzt ist der Roman unter dem Titel »Liebes Arschloch« (Kiepenheuer & Witsch) auch in einer deutschen Übersetzung von Ina Kronenberger und Tatjana Michaelis erschienen. Es ist ein höchst unterhaltsamer E-Mail-Roman über #MeToo und Social Media, Drogen, Machtmissbrauch und Feminismus.


28.02.2023 | Literatur in Hamburg
Magdalena Saigers Debüt »Was ihr nicht seht«

Und dann steht da ein Hirsch

Magdalena Saiger
Magdalena Saiger, Foto: Andreas Hornoff
Es geht um etwas, das aus sich selbst heraus strahlt, das echt ist, wahr und darin unanfechtbar bleibt. Aber kann es das überhaupt geben oder ist es doch immer nur ein Ideal? In ihrem hochpoetischen, feinsinnig konstruierten und gleichzeitig sehr unterhaltenden Romandebüt »Was ihr nicht seht oder die absolute Nutzlosigkeit des Mondes« (Edition Nautilus) erzählt Magdalena Saiger von einem, der auszieht, ein ideales Kunstwerk zu schaffen. Es ist die Geschichte eines künstlerischen Amoklaufs. Für einen Auszug aus dem Manuskript wurde Magdalena Saiger 2020 mit einem Hamburger Literaturpreis ausgezeichnet.


28.02.2023 | Literatur in Hamburg
Raphaela Edelbauers neuer Roman

»Man nennt sie: Inkommensurable«

Raphaela Edelbauer
Raphaela Edelbauer, Foto: Apollonia Bitzan
In ihrem neuen Roman »Die Inkommensurablen« führt Raphaela Edelbauer an einen Kipppunkt des 20. Jahrhunderts. Es ist der 30. Juli 1914, und die pulsierende Weltmetropole Wien wird von einem kollektiven Rausch heimgesucht, mit dem vor allem das Bürgertum im Deutschen Reich und Österreich-Ungarn in den Ersten Weltkrieg taumelt. Während der Countdown zur Mobilmachung läuft, begleitet der Roman drei junge Menschen für 24 Stunden auf einer orgiastischen Tour d’Horizon durch Wien, bei der bald alle Gewissheiten auf dem Prüfstand stehen.


28.02.2023 | Literatur in Hamburg
Peter Stamms neuer Roman »In einer dunkelblauen Stunde«

Eine vertrackte Geschichte

Peter Stamm
Peter Stamm, Foto: Salon du livre, Genève, 2012, Ludovic Péron
Den schmalen Grat zwischen Fiktion und Realität hat der Schweizer Schriftsteller Peter Stamm in seinen Romanen und Erzählungen immer wieder ausgelotet. Für seinen brillanten neuen Roman »In einer dunkelblauen Stunde« (S. Fischer) wächst eine romantische Versuchsanordnung nun gleich in die Realität hinein: Zwei Dokumentarfilmer wollten die Entstehung des Romans dokumentieren, sie wurden zum Spielball des Schriftstellers Peter Stamm und zum Sujet des Romans.


01.02.2023 | Literatur in Hamburg
Behzad Karim Kani, Martin Kordic und Musa Okwonga

Ein Kraftzentrum der Gegenwartsliteratur

Behzad Karim Khani
Behzad Karim Khani, Foto: Valerie Benner
Es ist fast zehn Jahre her, seit Maxim Biller der deutschen Gegenwartsliteratur in einem Artikel für »Die ZEIT« bescheinigte, sie sei »unglaublich langweilig«, die Feuilletons und Bücherregale würden von den »irrelevanten Sprachexperimenten der Retro-Avantgardisten« verstopft und von der »müden Innerlichkeitsprosa von Handke und Strauß«. Was ihm fehlte waren »lebendige literarische Stimmen von Migranten«, die sich nicht anpassen und »Wohlfühlpreise kassieren«, sondern den »romantischen Krähwinkel Deutschland« mit einer wütenden, einer widerständigen Literatur aufmischen. Auch schon vor zehn Jahren konnte man die Diagnose von Biller unter dem Label unterhaltende Provokation lesen und sie mit sehr lebendigen literarischen Stimmen widerlegen. Heute und mehrere Bestseller später ist eben diese migrantische oder postmigrantische Literatur, die Maxim Biller so vehement einforderte, längst ein Kraftzentrum der deutschen Gegenwartsliteratur. Das zeigt sich besonders eindrucksvoll in zwei vielgelobten Coming-of-Age-Romanen, die im Herbst 2022 erschienen sind.


01.02.2023 | Literatur in Hamburg
Lesung mit Max Czollek

»Versöhnungstheater«

Max Czollek
Max Czollek, Foto: Paula Winkler
Schon mit seinen Büchern »Desintegriert euch! « (2018) und »Gegenwartsbewältigung« (2020) hat Max Czollek lustvoll zum Streit im oft wenig diskursiven deutschen Debattenraum aufgefordert. Daran knüpft er mit seinem neuen Buch »Versöhnungstheater« (Hanser) nun an und nimmt sich die deutsche Erinnerungskultur vor.


01.02.2023 | Literatur in Hamburg
Leona Stahlmanns Roman »Diese ganzen belanglosen Wunder«

In einer nicht so fernen Zeit

Leona Stahlmann
Leona Stahlmann, Foto: Amrei Marie
Der Klimawandel und das Artensterben sind die großen Krisen der Gegenwart. Jenseits von Katastrophen- und Science-Fiction-Szenarien ist das in der Literatur jedoch schwer darstellbar, weil das Klima stets im Hintergrund menschlicher Dramen bleibt. In Leona Stahlmanns dystopischem Roman »Diese ganzen belanglosen Wunder« (dtv) ist das anders. Sie erzählt in einem gelungenen Mix aus »Nature writing«, »Climate fiction« und Gesellschaftskritik aus einer Welt am Rande der Apokalypse.


29.11.2022 | Literatur in Hamburg
Katja Petrowskajas Buch »Das Foto schaute mich an«

Ist Schönheit etwas, das wir sehen können?

Katja Petrowskaja
Katja Petrowskaja, Foto: Gunter Glücklich
Was kann uns ein Foto über die Welt und das Leben sagen? Seit 2015 hat die deutsch-ukrainische Schriftstellerin und Journalistin Katja Petrowskaja Foto-Kolumnen in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung veröffentlicht und damit ein eigenes Genre geschaffen. Die neu erschienene Sammlung der Kolumnen »Das Foto schaute mich an« (Bibliothek Suhrkamp) fügt sich zu einem großen Essay über Geschichte, Erinnerung und Vergegenwärtigung und kann gleichzeitig als Schule des Sehens gelesen werden.


28.11.2022 | Literatur in Hamburg
Dörte Hansens neuer Roman »Zur See«

Wo die wilden Winde wehn

Dörte Hansen
Dörte Hansen, Foto: Sven Jaax
Mit ihrem neuen Roman »Zur See« schafft Dörte Hansen erneut den Spagat zwischen Hochliteratur und glänzender Unterhaltung. Aber ein wenig die Zähne zusammen beißen muss man schon auch. Das liegt vor allem an der Unberechenbarkeit des Meeres, von der jeder Seemann ein Lied singen kann. Und dem ernüchternden Blick der Autorin auf die Natur, das Leben im hohen Norden und die Touristenherden, die ihn durchwandern.


29.10.2022 | Literatur in Hamburg
Sigrid Behrens´neuer Roman »Gute Menschen«

Ein beinahe perfektes Glückskleeblatt

Sigrid Behrens
Sigrid Behrens, Foto: Inga Seevers
Sie ist eine glückliche Frau und Mutter und verlässt plötzlich ihr ganz wunderbar eingerichtetes Leben, die Kinder und den geliebten Mann, das gemeinsame Haus. Sie verlässt eine Idylle für eine ungewisse Zukunft. Warum? Wofür? Das ist das Ausgangsszenario des neuen Romans »Gute Menschen« (Minimal Trash Art) von Sigrid Behrens. In einer so lakonischen wie berührenden Collage aus Stimmen der Protagonisten und ihrer Freunde unternimmt der Roman eine vielschichtige Ermittlung. An deren Ende steht die verstörende Erkenntnis, dass es auf eine Erklärung vielleicht gar nicht so sehr ankommt, sondern viel mehr auf das, was wir tun – oder unterlassen.


29.10.2022 | Literatur in Hamburg
Simone Buchholz´ neuer Roman »Unsterblich sind nur die anderen«

Halb zog sie ihn, halb sank er hin

Simone Buchholz
Simone Buchholz, Foto: Gerald von Foris
Mit ihren Chastity-Riley-Krimis hat Simone Buchholz das große Publikum erobert. Man erkennt sie schon nach wenigen Sätzen an ihrem feinen Sound und der leisen Ironie, die da stets mitschwingt. Das zeichnet auch ihren neuen Roman aus, der garantiert kein Krimi ist, obwohl der Titel passen würde. Er heißt »Unsterblich sind nur die anderen« (Suhrkamp) und erzählt eine ziemlich verrückte Geschichte über ein Buddelschiff, zwei Freundinnen und die Liebe.


01.10.2022 | Literatur in Hamburg
Abdulrazak Gurnahs neuer Roman »Nachleben«

Macht und Last der Erinnerung

 Abdulrazak Gurnah
Abdulrazak Gurnah, Foto: Amrei Marie, Wikipedia
In seinem Roman »Nachleben« (Penguin) verknüpft der im vergangenen Jahr mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnete Schriftsteller Abdulrazak Gurnah ein ergreifendes Familienepos mit der Kolonialgeschichte Deutschlands. Der Erinnerung stiftender Roman stellt die Ereignisse einer ganzen Epoche aus einer Perspektive dar, in der sie bisher kaum sichtbar wurde. Die Romanhandlung spielt über weite Strecken in der Swahiligesellschaft der Küstenregion des heutigen Tansania – und endet aus gutem Grund in Hamburg.


01.10.2022 | Literatur in Hamburg
Karen Duves neuer Roman über »Sisi«

Parforcejagd mit der Kaiserin

Karen Duve
Karen Duve, Foto: Kerstin Ahlrichs
Sie ist eine der populärsten Frauengestalten der Gegenwart, diese Elisabeth von Österreich, die 1837 in München geboren wurde und 1898 in Genf einem Attentat zum Opfer fiel. Netflix hat der »Kaiserin« gerade eine Miniserie gewidmet, sie folgte in nur wenigen Monaten auf eine »Event-Serie« von RTL und den Spielfilm »Corsage« der österreichischen Regisseurin Marie Kreutzer, in dem Sisi als moderne Frau in der Midlife-Crisis gezeigt wird. Von einer Frau, die ihrer Zeit voraus war und bis heute immer noch unterschätzt wird, erzählt auch Karen Duve in ihrem neuen Roman »Sisi« (Galiani).


01.10.2022 | Literatur in Hamburg
Heinz Strunks Bestseller »Ein Sommer in Niendorf«

Liebe ist ein Gefühl, Durst auch

Heinz Strunk
Heinz Strunk, Foto: Dennis Dirksen
Mit der Geschichte eines geglückten sozialen Abstiegs stürmte Heinz Strunk im Sommer bis an die Spitze der Bestsellerlisten und wurde zudem für den Deutschen Buchpreis nominiert. Skurrile und dabei doch treffende Milieubeschreibungen vor allem aus den gesellschaftlichen Randgebieten sind das Markenzeichen seiner Literatur. Der Kanon seiner Themen ist dabei ziemlich überschaubar, es geht um Alkohol, Sex, Einsamkeit und Antriebslosigkeit. So ist es auch in dem so berührenden wie witzigen Roman »Ein Sommer in Niendorf« (Rowohlt).


06.09.2022 | Literatur in Hamburg
Édouard Louis´»Anleitung ein anderer zu werden«

Geschichte einer Befreiung

Edouard Louis
Édouard Louis, Foto: Christian Werner
Im ersten Prolog zu diesem Buch ist es kurz nach Mitternacht und ein junger Mann kündigt die Geschichte einer Odyssee an, die ihn aus einfachsten Verhältnissen in ein Umfeld größten Reichtums führte. Es folgt ein zweiter Prolog, der sich weniger süffig liest. Er erzählt von einer höchst kompromittierenden Situation. Der Erzähler ist gezwungen, sich für eine Zahnarztrechnung zu prostituieren und erspart seinen Leser:innen nicht die Details. In diesem Schwingungsverhältnis ist die »Anleitung ein anderer zu werden« (Aufbau), von der Édouard Louis in seinem neuen Buch erzählt, insgesamt eingerichtet. Da hat einer etwas erlebt und zu sagen. Und er erzählt in aller Härte auch gegen sich selbst.


06.09.2022 | Literatur in Hamburg
Silke Stamms neuer Roman »Hohe Berge«

Alle Sinne auf Anfang

Silke Stamm
Silke Stamm, Foto: Andreas Hornoff, Piper Verlag
In so ausholenden wie eleganten Satzschwüngen von manchmal mehr als einer Seite erzählt Silke Stamm in ihrem neuen Roman »Hohe Berge« (Berlin Verlag) von einem Ausflug in schwieriges Gelände. Bei einer Skiquerung im Hochgebirge kommen die Tourengänger an ihre Grenzen, bis alle Sinne auf Anfang stehen. Doch es wird nicht nur von einem einmaligen Abenteuer erzählt, auch die Lektüre selbst ist ein ungewöhnliches Leseerlebnis und brennt sich durch eine höchst kunstvolle Erzählweise tief ein. Für einen Auszug aus dem Roman wurde Silke Stamm 2020 mit dem Hamburger Literaturpreis ausgezeichnet.


22.08.2022 | Literatur in Hamburg
Hernan Diaz´neuer Roman »Treue«

Das Evangelium des Geldes

Hernan Diaz
Hernan Diaz, Foto: Jason Fulford
Männer, Macht und Moneten, das ist eine Trias, die scheinbar unauflösbar zusammengehört. Heute fungieren Elon Musk, Jeff Bezos oder Mark Zuckerberg als Figuren in den heroischen Geschichten, mit denen wir das Evangelium des Geldes konzertieren, aber man findet sie durch die Jahrhunderte. Hernan Diaz erzählt in seinem neuen Roman »Treue« (Hanser Berlin) von einem dieser Männer und überführt an seinem Beispiel in vier grandiosen erzählerischen Etappen den Mythos, von dem großer Reichtum stets umrankt ist, in die provokante Geschichte einer Emanzipation.


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