Montag, 05.11.2018
Lesung mit Richard J. Evans
Vom Streben nach Macht
Mirko Bonne, Foto: Heike Bogenberger, Autorenfotos.com
Der Steinmetz Jakob Walter (1788–1864) und die »Nachwehen« der napoleonischen Kriege bilden den Auftakt der großen Erzählung von Richard J. Evans über »The Pursuit of Power / Das Streben nach Macht«. Mit diesem Titel bringt die englische Ausgabe das wesentliche Kennzeichen der Ära zwischen 1815 und 1914 schon im Titel auf den Punkt: Macht ist das Narrativ der Stunde, vor allem staatliche Macht, die das gesamte Jahrhundert über Anlass für Streit ist. Jedes der acht Kapitel des Bandes wird von Evans durch eine signifikante Biografie eingeführt, acht Männer und acht Frauen sollen der großen Geschichte ein menschliches Antlitz geben und den prägenden Prozess des Jahrhunderts verdeutlichen – die Emanzipation »riesiger gesellschaftlicher Gruppen von Unterdrückten«.
Von Jakob Walter wissen wir heute nur, weil er in seinen Lebenserinnerungen erzählt hat, wie er als Fußsoldat des Kaisers Napoleon Bonaparte bis nach Moskau marschierte und völlig verlaust und verdreckt wieder zu Hause in Ellwangen ankam. Vom Schicksal der Leibeigenen erfahren wir im zweiten Kapitel mit Sawwa Dmitrijewitsch Purlewski (1800–1868) und vom »Zeitalter des Gefühls« mit Fredrika Bremer, die Mitte des 19. Jahrhunderts eine der berühmtesten Schriftstellerinnen Europas war. Für den »Aufstieg der Demokratie« hat Evans mit Emmeline Pankhurst schließlich eine ganz besondere Heldin gefunden: Am 21. Mai 1914 versuchte sie König George V. eine Petition zu überreichen, die das Wahlrecht für Frauen forderte. Eines der bekanntesten Nachrichtenfotos des frühen 20. Jahrhunderts zeigt sie mit in der Luft baumelnden Beinen im Griff eines Polizisten. Das sind einige der Entrees zu den Kapiteln, in denen Richard J. Evans auf über 1000 Seiten ein so unterhaltsames wie detailreiches Panorama des 19. Jahrhundert auffächert und den radikalen Veränderungen in Kultur, Politik und Technik nachspürt, die der Kontinent damals erfuhr.
Literaturhaus, Schwanenwik 38, 20.00 Uhr, € 12,–/8,–
Vortrag
»Thomas Mann und Willy Brandt – Nachdenken über Deutschland«
Hans Rudolf Vaget spricht über die Parallelen in den Gedanken von Thomas Mann und Willy Brandt über die Ursachen der nationalsozialistischen Katastrophe.Thomas Mann-Gesellschaft Hamburg e.V. in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Vortragsraum, Von-Melle-Park 3,, 19.00 Uhr, Eintritt frei.
Arbeitstreffen