Dienstag, 06.02.2018


Nachruf

„Plötzlich ein anderer Raum“

Der Hamburger Autor und Literaturveranstalter Rüdiger Käßner ist am 2. Februar nach langer Krankheit verstorben. Wir trauern um einen engagierten Mitstreiter und sehr geschätzten Kollegen, der eine Institution in der Hamburger Literatur war, ob als Autor, Veranstalter oder Multiplikator. Lange Zeit gehörten die Mails mit seinen Veranstaltungstipps für viele zum Alltag, in den letzten Jahren hat er sich dann auf das konzentriert, was ihm besonders am Herzen lag: die Weblesungen und seine Lesereihe „Harburger Auslese“. Für die Weblesungen, die der ausgebildete Fotograf und studierte Literaturwissenschaftler und Soziologe seit 20 Jahren im Auftrag der Behörde für Kultur und Medien veranstaltete, hat er im wöchentlichen Wechsel Podcasts mit Hamburger Autorinnen und Autoren produziert, anfangs noch als „Hamburger Literaturtelefon“. Das Archiv umfasst heute hunderte von Lesungen. Bei seiner Lesereihe „Harburger Auslese“ hatte der „Experte für literarische Qualität“ (Hamburger Abendblatt) in den letzten Jahren so ziemlich jede und jeden mit Rang und Namen in der Hamburger Szene zu Gast. Dass er selbst als Autor angetreten war, ging bei seinem Engagement für Literatur manchmal fast schon unter. 1995 hat er einen Förderpreis für Literatur der Hansestadt Hamburg erhalten, seine Erzählungen sind in Zeitschriften und Anthologien erschienen, und er hat seine Texte auch oft und gern vorgelesen. Texte, in denen „hinter der Verlorenheit der städtischen Alltagstristesse plötzlich ein anderer Raum aufschimmert, die polychrome Magie der Zweitwelt, das Stelldichein von neurotischen Obsessionen, Phantasie und jener Art Realität, die möglicherweise die wahrere ist“, wie sein Schriftstellerkollege Christoph Ernst einmal schrieb. Der letzte eigene Podcast von Rüdiger Käßner auf LiteraturinHamburg.de ist die Erzählung „Jazz“ aus dem vergangenen Herbst, ein Abschiedsgeschenk und ein Hinweis auf die Spuren, die wir hinterlassen.
Hier kann man sich „Jazz“ anhören:
Rüdiger Käßner: Jazz »


Lesung mit Julia Wolf

»Ach Walter«

Julia Wolf
Julia Wolf, Foto: Franziska Rieder
Es ist ein eindrucksvolles Männerporträt und Psychogramm, das Julia Wolf in ihrem Roman »Walter Nowak bleibt liegen« erzählt: Ein Rentner, der sich mit täglichen Runden im Freibad fit hält, findet sich bewegungslos auf dem Badezimmerboden wieder. Niedergestreckt und hilflos, passiert in einem stetigen Bewusstseinsstrom ein typisches Leben in der deutschen Nachkriegszeit Revue, das geprägt ist vom Selbstverständnis eines Mannes, der es gewohnt ist, dass sich die Dinge nach seinen Vorstellungen und Wünschen fügen.

Doch damit ist es nun vorbei. Obwohl Walter Nowak noch immer alles gibt, um sich, sein Erleben und Fühlen nur ja nicht in Frage stellen zu müssen. »Teilnehmend, aber mit kühlem Blick«, wie es in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« hieß, sieht man Walter in dieser »großartigen Männerstudie« beim »Bewusstseinskraulen« (Sandra Kegel) zu.

Buchhandlung Boysen + Mauke, Große Johannisstr. 19, 19.30 Uhr,
€ 8,–/5,–. Um Anmeldung an Anja Wenzel wird gebeten, E-Mail: a.wenzel@schweitzer-online.de.


Literarisches Ratespiel

»Salon des Questions«

Wie hieß dieser Anzeigenakquisiteur bei einer Tageszeitung nochmal, der in einem der großen Romane des 20. Jahrhunderts die Hauptrolle spielt? Richtig, das ist ja auch einfach - es handelt sich um Leopold Bloom, den James Joyce in seinem Roman „Ulysses“ am 16. Juni 1904 auf seinen Wegen durch Dublin begleitet. Ganz so einfach wird es beim „Fünften Hamburger Literaturquiz“ im Literaturhaus nicht werden, denn die Fragen für den „Salon des Questions“ werden so zusammengestellt, dass die tollen Preise, die es zu gewinnen gibt, auch sehr verdient vergeben werden.

Es stehen alle Schwierigkeitsgrade auf dem Programm, gefragt wird nach allen, die Rang und Namen haben in der Literatur, von Johann Georg Hamann über Charlotte Brontë bis zu Alexander Puschkin, von Haruki Murakami bis Christian Kracht und J. K. Rowling, von der „Unendlichen Geschichte“ bis zu „Hundert Jahre Einsamkeit“.

Literaturhaus. Schwanenwik 38, 19.30 Uhr, € 10,–/8,–


Poetry Show

»Niemand weiß, wie man mich schreibt«

Soloabend mit Nektarios Vlachopoulos, dem Poetry Slam Champion aus Baden-Württemberg. Für seinen Soloabend hat er seine besten Slam-Texte aus den vergangenen Jahren um »Alltagsgeschichten und peinliche Improvisationen« ergänzt.

Kampf der Künste im Nochtspeicher, Bernhard-Nocht-Str. 69a,
20.00 Uhr, € 10,–


Lesung

»Geschriebenes«

Der Lyriker Rainer René Mueller liest Gedichte. Gastgeberin des Abends ist Marion Kollbach.

Jüdischer Salon im Café Leonar, Grindelhof 59, 20.00 Uhr, € 10,–/7,50


Vortrag und Lesung

Die »Heimaten« von Saša Stanišić

Sasa Stanisic
Saša Stanišić, Foto: Katja Sämann
Er flüchtete während des Bosnienkrieges im Alter von 14 Jahren mit seinen Eltern nach Heidelberg, hat am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig studiert – und ist heute einer der bekanntesten und auch international erfolgreichsten Schriftsteller der deutschen Gegenwartsliteratur. Mit seinen Zürcher Poetikvorlesungen hat sich Saša Stanišić nun auf die Fährte seiner »Heimaten« begeben, die ein zentraler Begriff seiner Literatur sind.

Heimat ist‹, sage ich (…), ›wo man sich nichts vornehmen muss‹«, heißt es in einer der Erzählungen seines zuletzt erschienenen Erzählbandes »Fallensteller«, in dem er auch noch einmal nach Fürstenwerder zurückkehrt, jenes prototypische Dorf im deutschen Osten, in dem sein als »Weltliteratur« (Frankfurter Allgemeine Zeitung) gefeierter Roman »Vor dem Fest« spielt. Es ist eine ziemlich unaufgeregte Vorstellung von Heimat, und dennoch findet Stanišić immer wieder ausgerechnet in der heimatschwangeren deutschen Provinz den Ausgangspunkt seines Erzählens. Seine Hauptfiguren sind jedoch nur allzu oft Durchreisende und Umherziehende, verwandt mit den Vögeln, die ständig durch seine Geschichten flitzen: Sperlinge, Turteltauben, Kanarienvögel, Raben. Saša Stanišić ergänzt den Sehnsuchtskanon aus Zugehörigkeit und Identitätsverlust, von dem die Heimatdiskurse heute bestimmt werden, um einen verschmitzten, dissonanten Grundton, der getragen wird von der Notwendigkeit, den Begriff der Heimat von der Fixierung auf die Herkunft zu lösen und im Plural, in »Heimaten« aufzulösen. Dass ihm dabei nur allzu oft der Schalk im Nacken sitzt und er sich zudem von allem Möglichen ablenken und einholen lässt, gehört zum inneren Prinzip seiner Literatur und ist eine besondere Freude für seine Leser und Zuhörer.

Freie Akademie der Künste, Klosterwall 23, 19.00 Uhr, € 12,–/8,–


Literaturclub im Gewerkschaftshaus

»Von der Liebe«

Die drei Erzählungen »Von der Liebe«, »Ein Verhängnis« und »Der Kuss« von Anton Teschechow stehen auf Programm des Literaturclubs im Gewerkschaftshaus mit der Literaturkritikerin Brigitte Neumann.

Im Klub, Besenbinderhof 62, 19.30 Uhr, € 5. –


Lesung

»Zehntausende Opfer – und dann Freispruch!«

Dokumentarstück von Michael Batz nach den Erinnerungen der ehemaligen Oberstaatsanwälte Jochen Kuhlmann und Dr. Udo Löhr an Hamburger NS-Verfahren. Sprecher: Jantje Billker, Isabella Vértes-Schütter, Tommaso Cacciapuoti, Andreas Grötzinger. Musik: Jakob Neubauer, Edgar Herzog.

Bucerius Kunst Forum, Rathausmarkt 2, 20.00 Uhr, 10.-/8.- €


Lesung

»Liebe für alle«

Lesebühne mit Katrin Seddig, Ella Carina Werner, Piero Masztalerz und Anselm Neft, Stargast des Abends ist Paul Bokowski.

Grüner Jäger, Neuer Pferdemarkt 36, 19.30 Uhr, 5.- Euro.


Poetry Slam

Mathilde-Slam

Unter einem vorgegebenen Motto präsentieren beim Poetry-Slam mit der Lesebühne »Längs« im »Mathilde« Autorinnen und Autoren in höchstens 5 Minuten Lesezeit einen eigenen Text. Thema des Februar-Slams ist: »Fundament«. Der Publikumssieger darf sich über eine Flasche »Tullamore Dew« freuen und startet beim nächsten Slam auf Platz 1. Auf die Bühne können nur 10 Autoren. Wer lesen möchte, sollte früh da sein oder sich anmelden (www.mathilde-hh.de).

Mathilde – Literatur und Café. Bogenstr. 5, 20.15, 5.- Euro. (Für Vorlesende frei.)


Literatur in Hamburg