Samstag, 06.09.2025


Lyrik im Römischen Garten

»Leuchtende Schafe«

Amelie Fechner, Ulrike Almut Sandig, Richard Bauer und Christoph Scheffler lesen Gedichte. Bei schlechtem Wetter wird die Veranstaltung ins Blankeneser Kino verlegt.

Herbstlese Blankenese im Römischen Garten, Elbhang über dem Falkensteiner Ufer, 11.00 Uhr, Eintritt frei


Lesung mit Melara Mvogdobo

»Großmütter«

Die kamerunisch-schweizerische Schriftstellerin Melara Mvogdobo liest aus ihrem vielgelobten Roman »Großmütter« (Transit), in dem sie von zwei Frauen aus verschiedenen Kontinenten erzählt, die sich beide auf abenteuerliche Weise aus ihrem vermeintlich unabänderlichen Schicksal lösen. Moderation: Annemarie Stoltenberg.

Herbstlese Blankenese im Blankeneser Kino, Blankeneser Bahnhofstr. 4, 14.00 Uhr, € 20,–/10,–

Hamburger Lesefrühstück

»Zeit ihres Lebens«

Dirk Gieselmann liest aus seinem neuen Roman. Moderation: Alexander Häusser.

Hamburger Lesefrühstück des Literaturzentrums im Hotel Wedina, Gurlittstr. 23, 12.00 Uhr, Buffet ab 11.00 Uhr, € 25,– inkl. Frühstück, Anmeldungen: lit@lit-hamburg.de

Literarischer Spaziergang

»Blankenese – Paradiese am Elbhang«

Bei einem Spaziergang durch Gosslers Park, Hesse Park und Baurs Park rezitiert Vera Rosenbusch Texte von u.a. Goethe, Hölty, Eichendorff.

Hamburger Literaturreisen, Treff: S-Bahn Blankenese, Bahnhofsvorplatz, 14.30 Uhr, € 10,–


Lange Nacht der Literatur

Zeit, Gedächtnis und Erinnerung

Claudia Lanteri
Claudia Lanteri, Foto: Maira Giammusso
An keinem anderen Tag des Jahres finden in Hamburg so viele Literaturveranstaltungen statt wie bei dem Lesefestival, mit dem schon traditionell die herbstliche Literatursaison eröffnet wird: Rund 40 Veranstaltungen in Buchhandlungen, den Bücherhallen und anderen Literaturorten, das sind die Eckdaten der Langen Nacht der Literatur. Für einen Ausflug in das Programm geht es hier im weitesten Sinn um Bücher, die Erinnerungsräume öffnen, um eine ganz konkrete Spurensuche im »Traumaland« und einen gefeierten »Erinnerungskrimi«, einen begnadeten Gamer und Nerd, der sich an seine Teenagerzeit erinnert, und um ein »Narrenschiff«, das durch die Zeitläufte segelt.

Von einer ungewöhnlichen »Spurensuche in deutscher Vergangenheit und Gegenwart« erzählt die in Berlin lebende Autorin Asal Dardan (Frauen*bildungszentrum Denk(t)räume, 16.00 Uhr) in »Traumaland«. Es ist ein Debattenbuch, das eine mentale Topografie Deutschlands und seiner politischen Gewaltgeschichte entwirft und dabei komplexe Fragen stellt, auf die es keine einfachen Antworten gibt: Wer macht die deutsche Geschichte? Wer trägt die Verantwortung für vergangene Schuld? Welche Erinnerungen werden erzählt, wie wurden sie kanonisiert, was wurde übersehen und was bleibt ungehört? Asal Dardan, die in Teheran geboren wurde und in Köln, Bonn und Aberdeen aufgewachsen ist, hat sich dafür an den Orten umgesehen, an denen Geschichte zum Ereignis wurde, sie hat Erinnerungsorte in ihrem Berliner Viertel und in Köln besucht, ist in Dessau, Hoyerswerda und Nürnberg gewesen, um »nach den Träumen und Albträumen dieses Landes« zu suchen, »nach dem, was es nicht sein will und deshalb immer wieder droht zu werden«.

Auf ganz andere Weise erzählt auch Claudia Lanteri (Lichtwarksaal, 18.30 Uhr), davon, wie sich Erinnerung konstituiert und über einen langen Zeitraum hinweg verändert. Die in Palermo lebende Schriftstellerin bezeichnet ihren in Italien gefeierten Debütroman »Die Insel und die Zeit« (Folio) selbst als einen »Erinnerungskrimi«. Erzählt wird von einer auf den ersten Blick klassischen Ermittlung auf der wunderschönen, nördlich von Lampedusa liegenden Vulkaninsel Linosa, einem archaischen Ort, der eine Welt für sich bildet. Die Felsen ausgebrannt, die schwarze Erde übersät von Disteln und Ginster, strömt dort Ende der 1950er Jahre alles, was Beine hat, zur Höhle Grotta des Greco. Mittendrin ist der Erzähler Nonò, ein neugieriger 13-jähriger Junge. Wie alle anderen will er etwas über die tote Frau und den dehydrierten Mann erfahren, die dort gestrandet sind. Der Mann ist ein Skipper und berichtet von einem Unglück, bei dem die fünfköpfige Familie ums Leben kam, die seine Yacht für eine Italienreise gechartert hat. In der Folge gibt es Ermittlungen und bald auch eine offizielle Version des Geschehens, der Nonò jedoch misstraut. War es wirklich ein Unglück oder doch ein Mord? Nonò macht sich auf die Suche nach dem Wrack der Yacht in der schwarzen Tiefe des Meeres und ihrem Geheimnis. Über mehrere Jahrzehnte versucht er, das Unfassbare aufzuklären und erweist sich dabei am Ende, trotz großer Erfolge, als unzuverlässiger Erzähler. Erinnert er sich auch richtig? Wie beeinflusst ihn die Insel in ihrer kargen Schönheit und Unverrückbarkeit, welchen Einfluss haben die langsam zerrinnende Zeit und die Einsamkeit auf sein Denken und seine Wahrnehmung? Davon erzählt dieser Roman in einer großen atmosphärischen Dichte und Spannung. »Rätselhaft«, heißt es am Anfang, »ist an dem Fall gar nichts, wir müssen ihn nur verstehen.« Am Ende hat man dann mit Nonò gelernt, dass es vielleicht gar nicht so sehr auf die Wahrheit ankommt, sondern darauf, wie wir versuchen zu verstehen.

Einer, der dieses Prinzip seit vielen Jahren unermüdlich praktiziert, ist Christoph Hein (Blankeneser Kirche am Markt, 20.00 Uhr). Der 1944 in Havelberg geborene Schriftsteller gilt als Chronist der DDR und als zentrale Stimme der deutschen Gegenwartsliteratur. In seinem neuen Roman »Das Narrenschiff« entfaltet er auf 750 Seiten ein Panorama der DDR von der Staatsgründung bis zum Mauerfall. Im Zentrum stehen der Ökonom Karsten Emser, mit dessen Rückkehr aus dem Exil in Moskau die Romanhandlung einsetzt, und der Bergbau-Ingenieur Johannes Goretzka, der sich in der sowjetischen Kriegsgefangenschaft vom überzeugten Nazi zum Kommunisten verwandelt, zwei Fachpolitiker und typische Verantwortungsträger der DDR. Was sie verbindet, ist die Hoffnung auf eine demokratische und antifaschistische Gesellschaft, gleichzeitig sind sie bereit, für Macht und ein wenig Luxus auch Entscheidungen mitzutragen, die ihren Überzeugungen nicht entsprechen. Für Hein sind sie die Narren auf dem Narrenschiff des ostdeutschen Gegenmodells zum Westen. Der Schwerpunkt des Romans liegt auf den ersten 20 Jahren der DDR, es ist eine ferne Zeit, deren Alltag mit seinen kleineren und größeren dramatischen Wendungen im privaten Leben der Politfunktionäre und ihrer Familien und Freunde sehr treffend und unterhaltend eingefangen wird. Für die großen historischen Wegmarken, die der Roman streift, empfiehlt sich vielleicht eher ein Blick in die Geschichtsbücher, aber wer etwas über Machtmechanismen in einem autoritären Staat und ihre Verzahnung in den Biografien der Menschen erfahren will, findet hier einen vielschichtigen und höchst lesenswerten Pageturner.

Um abschließend für die Lange Nacht auch noch einen Roman zu empfehlen, der mit einem feinen Erinnerungskonstrukt ein sehr häufig durchgespieltes Genre aufmischt, muss hier jetzt ganz kurz auch noch ein Hinweis auf Klapper und Bär stehen, die beiden Hauptfiguren in dem gefeierten Romandebüt von Kurt Prödel (19.00 Uhr, Buchhandlung Heymann in Eimsbüttel). In dem Coming-of-Age-Roman wird »Klapper«, der dem Roman seinen Titel gegeben hat, ein Computernerd und IT-Sicherheitsbeauftragter, in eine lange zurückliegende Zeit zurück katapultiert, als er sich in einen Games-Account einloggt, der seit »4891 Tagen« offline ist. Es ist der Auftakt für eine so komische wie bewegende Geschichte, in der die Erinnerung an die Teenagerzeit, an Zitroneneistee, Counter-Strike und Kollegah-Punchlines, dem Leben plötzlich noch einmal eine ganz neue Wendung gibt.

Alle Veranstaltungen unter
langenachtderliteratur.de

Lesung

»Frauen im Sanatorium«

Anna Prizkau liest aus ihrem neuen Roman. Moderation: Laura-Lena Förster.

Herbstlese Blankenese im Blankeneser Kino, Blankeneser Bahnhofstraße 4, 14.00 Uhr, € 20,–/10,–


Märchenfest

»Von Norden, Süden, Westen, Osten – Märchen aus der weiten Welt«

Märchenfest für die ganze Familie mit den Märchenerzählerinnen Christel Biebrach, Magdalene Hanke-Basfeld, Christine Rohde, Veroni Rohsius und Isa van Tasie.

Märchenforum Hamburg e.V. im Teehaus Große Wallanlagen, Holstenwall 28, 13.00 bis 16.30 Uhr, Eintritt frei


Sommerfest des Märchenforums e.V.

»Märchen von Liebe Leid und Lust«

Zum Sommerfest des Märchenforums Hamburg e.V. erzählten Iris Casper, Almuth Elbers, Magdalene Hanke-Basfeld, Angelika Rischer, Christine Rohde, Hanna Margarete Schilling, Annette Schmeling und Alexander Schrof Sommermärchen

Märchenforum Hamburg e.V. im Teehaus Große Wallanlagen, Holstenwall 28, 18.00 bis 21.00 Uhr, Eintritt frei


Auf den Spuren des kolonialen Erbes

»Hamburg, der Versklavungshandel und Caspar Voght«

Ein Rundgang mit der Meryem Choukri, Kuratorin der Ausstellung »Parkomania«, führt zu Stationen im Jenisch Park, an denen die Verflechtungen Hamburgs mit dem transatlantischen Versklavungshandel sichtbar werden. Im Fokus steht der Kaufmann Caspar Voght und seine Rolle im kolonialen Wirtschaftssystem des 18. und 19. Jahrhunderts. Der Rundgang lädt dazu ein, die historischen Spuren im Park zu entdecken und über das koloniale Erbe Hamburgs nachzudenken.

Treffpunkt: Jenisch Haus, Baron-Voght-Straße 50, 13.00 bis 15.00 Uhr, Teilnahme kostenfrei, Anmeldung nicht erforderlich


Poetry Slam

Diary Slam

»Seelenpein« und »Hochgefühle«, »Liebesschwüre« und »Selbstmordgedanken« von »wildfremden Menschen«, all das und noch viel mehr steht auf dem Programm des Tagebuch-Slams zur Langen Nacht der Literatur 2025.

Goldbekhaus, Moorfuhrtweg 9, 18.30 Uhr, € 12,38 (VVK), keine Abendkasse


Aktuelle Buchempfehlungen



12.08.2025 | Literatur in Hamburg
Michael Maars neues Buch »Das violette Hündchen«

Am Wegrand des Großen und Ganzen

Michael Maar
Michael Maar, Foto: privat
Für sein Buch »Die Schlange im Wolfspelz« hat er sich auf die Suche nach dem »Geheimnis großer Literatur« gemacht und Geschichten über Geschichten gefunden, die sich zu einem einzigartigen und sehr unterhaltenden Lehrbuch über Literatur zusammenfügen. Mit seinem neuen Buch »Das violette Hündchen« (Rowohlt) knüpft er an den vielgelobten Besteller an, nur dass er bei seinem Parforceritt durch die Weltliteratur diesmal eine Spurensuche am Wegrand des Großen und Ganzen unternimmt und »Große Literatur im Detail« vorstellt. Es ist eine literarische Entdeckungsreise und Verführung zum Lesen.


10.08.2025 | Literatur in Hamburg
Mirko Bonnés neuer Gedichtband »Wege durch die Spiegel«

Was vom Wind abhängt

Mirko Bonné
Mirko Bonné, Foto: Beowulf Sheehan
In seiner großen poetischen Fülle und Brillanz ein Ereignis: Gelehrt, witzig, verspielt und getragen vom großen Formenreichtum moderner Lyrik, das ist Mirko Bonnés neuer Gedichtband »Wege durch die Spiegel« (Schöffling & Co.). Und es ist ein schönes Buch, das sich mit drei Wespen auf dem Cover vor einem großen, knallgelben B und einem Gedicht über die »Guêpes« auch sehen lassen kann. Erst im Frühjahr wurde Mirko Bonné in Hamburg mit dem Hubert-Fichte-Preis ausgezeichnet, das große Lesepublikum in Deutschland kennt ihn vor allem durch seine Romane, er gilt aber auch als einer der bedeutendsten deutschen Dichter der Gegenwart.


17.06.2025 | Literatur in Hamburg
Tamar Noorts neuer Roman »Der Schlaf der Anderen«

Wie Träume wahr werden

Tamar Noort
Tamar Noort, Foto: Tara Wolff
Für einen Auszug aus ihrem Romandebüt »Die Ewigkeit ist ein guter Ort« wurde Tamar Noort mit dem Hamburger Literaturpreis ausgezeichnet und hat viele begeisterte Leser:innen im Hier und Jetzt erreicht. Eine wundervoll leichte und wendungsreiche Sommerlektüre legt die niederländisch-deutsche Autorin und Filmemacherin, die im Wendland lebt, mit ihrem zweiten Roman »Der Schlaf der Anderen« (Kindler) vor. Erzählt wird von einer tiefen Lebenskrise und der höchst unterhaltenden Suche nach einem neuen Takt für einen Alltag, dessen bestimmende Parameter ganz auf Selbstausbeutung und Fremdbestimmung beruhen.


01.06.2025 | Literatur in Hamburg
Friederike Gräffs neuer Erzählband

Frau Kleinhans hebt ab

Friederike Gräff, Foto: Julia Baier
Was ist quietschgelb und hat einen Pinguin mit einem Stuhl vorne drauf? Richtig, es ist das neue Buch der Hamburger Autorin und Journalistin Friederike Gräff. Der Titel des Erzählbandes und sein erster Satz ist »Frau Zilius legte ihr erstes Ei an einem Donnerstag«, und man kann sagen, dass es damit nicht nur richtig gut los-, sondern auch so weitergeht. Es ist eines der besonders lesenswerten Bücher der Saison, aber es spricht auch nichts dagegen, es sich nur zu kaufen, weil es ein Hingucker ist.


30.05.2025 | Literatur in Hamburg
Johannes Franzens Studie »Wut und Wertung«

Die Sache mit der Wut

Johannes Franzen
Johannes Franzen, Foto: Marion Koell
Worüber streiten wir uns eigentlich, wenn wir uns über Songs, ein Gedicht, einen Roman, ein Theaterstück oder eine Serie in die Haare kriegen? Woher kommt die Wut, mit der über Kultur gestritten wird? Und warum ist die Fähigkeit über ein Lieblingsbuch zu streiten, eine wichtige Kulturtechnik? Davon erzählt der Literaturwissenschaftler Johannes Franzen in seinem Buch »Wut und Wertung« (S. Fischer). Es ist eine kluge Analyse, die vor allem anderen zeigt, wie wichtig und produktiv Konflikte sein können.


30.04.2025 | Literatur in Hamburg
Jonas Lüschers »Verzauberte Vorbestimmung«

Von Menschen und Maschinen

Jonas Lüscher, Foto: Peter Hassiepen
Es ist ein eher schmales Werk, das Jonas Lüscher bisher vorgelegt hat, und doch gehört er zu den am meisten beachteten Autoren der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Zum gefeierten und mehrfach ausgezeichneten Bestseller wurde schon das Debüt des schweizerisch-deutschen Schriftstellers, die 2013 erschienene Novelle »Frühling der Barbaren«. Es folgten 2017 der Roman »Kraft«, mit dem er den Schweizer Buchpreis gewann, und in diesem Frühjahr »Verzauberte Vorbestimmung« (Hanser). Mit dem einzigartigen und höchst virtuos erzählten Roman durchquert er die Jahrhunderte und Schauplätze für eine Annäherung an das komplexe Verhältnis von Mensch und Maschine.


28.04.2025 | Literatur in Hamburg
Rachel Kushners neuer Roman »See der Schöpfung«

Pfade des Widerstands

Rachel Kushner, Foto: Gaby Laurent
Rachel Kushner ist eine der international bekanntesten Autorinnen der US-amerikanischen Literatur, ihr Roman »Flammenwerfer« wurde weltweit gefeiert und von Jonathan Franzen über Joshua Ferris bis zu Colum McCann als bestes Beispiel dafür gelobt, was einen guten Roman ausmacht. In diesem Frühjahr ist, nach ihrer Essaysammlung »Harte Leute« (2022), nun der 2024 für den National Book Award und den Booker Prize nominierte Roman »See der Schöpfung« von ihr erschienen. Es ist ein ziemlich cooler und kluger Spionageroman, der in einer entlegenen Gegend in Südfrankreich spielt.


30.04.2025 | Literatur in Hamburg
Rebekka Franks neuer Roman »Stromlinien«

Vom Gewicht des Schweigens

Rebekka Frank, Foto: Lexa Rost
Rebekka Frank ist eine dieser Autorinnen, die es mehrfach gibt. Unter dem Pseudonym Rebekka Eder hat sie den historischen Roman »Der Duft von Zimt« veröffentlicht, einen Longseller über die Erfindung des Franzbrötchens und weitere historische Romane. Auch unter ihrem Geburtsnamen Rebekka Knoll sind schon einige Bücher erschienen, und unter ihrem tatsächlichen Namen Rebekka Frank hat sie gerade bei S. Fischer ihren zweiten Roman vorgelegt. In einem gelungenen Genremix aus Coming-of-Age, Krimi und Familienroman verbindet sie in »Stromlinien« eine rasante und höchst unterhaltende Geschichte mit einer Hommage an die Elbe, die Lühe und das Marschland.


30.03.2025 | Literatur in Hamburg
Kristine Bilkaus neuer Roman »Halbinsel«

Nimm dich da raus

Kristine Bilkau, Foto: Thorsten Kirves
An der feinen Nahstelle, an der sich unsere Wünsche, Träume und Hoffnungen in der Realität verfangen, entfaltet Kristine Bilkau die Szenarien ihrer vielfach ausgezeichneten Romane. Mit »Nebenan« stand sie zuletzt 2022 auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis. In ihrem neuen Roman »Halbinsel« (Luchterhand), der im März mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde, verhandelt sie in einem wunderbar leichten Stil die gesellschaftlich-politische Großwetterlage unserer Zeit im Binnenraum der Beziehung einer Mutter und einer Tochter.


26.03.2025 | Literatur in Hamburg
Die 19. Ausgabe des Hamburger Literaturjahrbuchs ZIEGEL

Das Pappreptil beißt lautlos zu

Illustration von Moritz Wienert aus dem ZIEGEL #19 © Moritz Wienert
Das Hamburger Literaturjahrbuch ist ein Unikum in der deutschsprachigen Publikationslandschaft. Mit dem jetzt neu vorliegenden ZIEGEL sind in über 30 Jahren 19 Ausgaben der beliebten Anthologie erschienen, die eine Chronik der Hamburger Literatur von der Wiedervereinigung bis in die Gegenwart bilden. Ein vielschichtiges Best-of mit Erzählungen, Gedichten, Auszügen aus Romanen, Theaterstücken und Comics von Hamburger Autor:innen aus den letzten zwei Jahren versammelt die neue Ausgabe. Es ist zwar ein schweres Buch«, schwärmte das NDR Hamburg Journal, »aber es liest sich federleicht«.


25.03.2025 | Literatur in Hamburg
Annika Büsings neuer Roman »Wir kommen zurecht«

Wie es mit Geistern so ist

Annika Büsing, Foto: Lauree Thomas
Mit Katastrophen kennt Annika Büsing sich aus. Ihr gefeiertes Debüt »Nordstadt«, für das sie mit dem Mara-Cassens-Preis des Hamburger Literaturhauses und dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde, und ihr hochgelobter zweiter Roman »Koller« sind Sozialdramen, die in höchst prekären Verhältnissen spielen. Gleichzeitig erzählen sie mit großer Leichtigkeit und viel Humor auch Liebesgeschichten. In ihrem neuen Roman »Wir kommen zurecht« ist das Setting nun etwas anders, es geht um eine Familie in der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft, die an der psychischen Erkrankung der Mutter fast zerbricht.


20.03.2025 | Literatur in Hamburg
Steffen Kopetzkys neuer Roman

Unter dem Bann des Atoms

Steffen Kopetzky, Foto: Jana Mai
Die Verknüpfung von präzise recherchierten historischen Stoffen mit stets durch einen Anflug von Ironie gebrochenen fiktiven Geschichten sind das Markenzeichen der Romane von Steffen Kopetzky. Dabei gelingt es dem in Pfaffenhofen lebenden, vielfach ausgezeichneten Schriftsteller immer wieder an Themen anzuknüpfen, die in der Gegenwart plötzlich große Relevanz haben. So ist es auch bei seinem in diesem Frühjahr neu erschienenen Roman »Atom« (Rowohlt), der meisterhaft vom Wettlauf um die Atombombe erzählt.


13.03.2025 | Literatur in Hamburg
Katharina Hagenas Roman »Flusslinien«

Die Wolken immer im Blick

Katharina Hagena, Foto: Heike Steinweg
In der Literatur der Hamburger Schriftstellerin Katharina Hagena spielen Naturräume eine ganz besondere Rolle. So ist es auch in ihrem brillanten neuen Roman »Flusslinien« (Kiepenheuer & Witsch), in dem das Falkensteiner Ufer an der Elbe und der Römische Garten in Blankenese die Bühne für ein großes Welttheater über die Liebe und den Tod, Freundschaft und Verrat bilden. Im Zentrum stehen eine sehr alte Dame, ihr Fahrer und ihre Enkelin, aber auch die erste Obergärtnerin Deutschlands. Gastauftritte haben der endemische Schierlingswasserfenchel, eine Nacktschnecke, ein Maulwurfsweibchen, Wildgänse – und ein Orchester für Luftinstrumente.


04.03.2025 | Literatur in Hamburg
Ella Carina Werners »Feministische Tiergedichte«

Existenzielle Fragen aus dem Tierreich

Ella Carina Werner, Foto: Julia Schwendtner
Es ist ein tierisches Vergnügen, zu dem die Titanic-Herausgeberin Ella Carina Werner und die Illustratorin Juliane Pieper mit ihrem neuen Buch einladen. Feministische Themen sind wichtig und ernst, aber sie können auch sehr, sehr lustig sein! Denn wo sonst gibt es so viel Konfliktpotential, Widersprüche und Missverständnisse als in Liebebeziehungen? Und welche Textform kann das prägnanter auf den Punkt bringen als das kurze Reimgedicht, insbesondere das traditionsreiche »Tiergedicht«? Bisher wurde das Genre vor allem von Männern bespielt, Ella Carina Werner erweitert den Blick nun ein für allemal um eine feministische Perpektive.


28.02.2025 | Literatur in Hamburg
Der neue Roman von Wolf Haas

Eine vertrackte Angelegenheit

Wolf Haas, Foto: Heike Huslage-Koch
Mit dem wunderbar schrägen Coming-of-Age-Roman »Junger Mann« und einer großen »Verteidigung der Missionarsstellung«, die von einem aussichtslosen Kampf gegen die Liebe erzählt, hat er längst bewiesen, dass er auch anders kann. Doch bekannt wurde Wolf Haas mit seinen Krimis um den Ermittler Simon Brenner. Sie gehören zum Besten, was das Genre in der deutschsprachigen Literatur in den letzten Jahrzehnten hervorgebracht hat. Daran knüpft er mit seinem neuen Roman »Wackelkontakt« (Hanser) insofern an, als dass es sich vom funkenschlagenden Kurzschluss zum Auftakt bis zum finalen Klingeln des Elektrikers am Ende um einen waschechten Mafia-Krimi handelt. Nur, was heißt das schon bei einem Autor wie Wolf Haas?


28.02.2025 | Literatur in Hamburg
Dmitrij Kapitelmans »Russische Spezialitäten«

Den Bruderkuss üben

Dmitrij Kapitelman, Foto: Paula Winkler
Es ist ein Feuerwerk der Ironie und sprachlichen Feinheiten, das Dmitrij Kapitelman auch in seinem dritten Roman mit einem untrüglichen Gespür für punktgenau gesetzte Pointen entfacht, und es beginnt schon mit dem Titel »Russische Spezialitäten« (Hanser Berlin). Dazu gehören bei Kapitelman nicht nur Wodka, Kwas, Kaviar und Matrjoschkas, sondern auch der politisierte Wetterbericht, die »Tomatentrauer« und ein KGBschnik als Präsident. All das könnte einfach nur lustig sein, doch es geht um ein bitterernstes Thema, das Familien, Freundschaften und ganze Gesellschaften spaltet.


28.01.2025 | Literatur in Hamburg
Julia Schochs Roman »Wild nach einem wilden Traum«

Herzensangelegenheiten

Julia Schoch, Foto: Jürgen Bauer
Für die ersten beiden Romane ihrer »Biographie einer Frau« wurde Julia Schoch mehrfach ausgezeichnet und in der Kritik als »Virtuosin des Erinnerungserzählens« (FAZ) gefeiert. Jetzt ist mit »Wild nach einem wilden Traum« (DTV) der dritte Band der Trilogie erschienen. Es ist erneut ein glänzend erzählter Pageturner, tiefgründig und gleichzeitig leicht. Allen drei Romanen gemeinsam ist, dass sie mit einem Paukenschlag beginnen, mit einem Ereignis, das die Erzählerin dazu zwingt, ihr Leben zu revidieren, ihre Sicht auf die Dinge, ihre Arbeit und die Menschen, die ihr nahestehen.


28.01.2025 | Literatur in Hamburg
Ursula Krechels Roman »Sehr geehrte Frau Ministerin«

Mutter ist die beste

Ursula Krechel, Foto: Heike Steinweg
Ihre vor zwei Jahren erschienenen Essays »Gehen. Träumen. Sehen. Unter Bäumen.« (Jung und Jung) laden zu Exkursionen in Räume des Denkens und Schauens ein, in denen die Bezüge über Casanova, Friedrich den Großen und Daniil Charms bis zu Rolf Dieter Brinkmann reichen. Es ist nur eine Station im weitläufigen Werk der in Berlin lebenden, vielfach ausgezeichneten Schriftstellerin Ursula Krechel. In ihrem neuen Roman »Sehr geehrte Frau Ministerin« (Klett-Cotta) erzählt sie von den manchmal auch abgründigen Beziehungen zwischen Söhnen und ihren Müttern, von existenziell gefährdeten Frauen und von politischer Gewalt.


01.12.2024 | Literatur in Hamburg
Andreas Reckwitz´ »Verlust - Ein Grundproblem der Moderne«

Auf der Schattenseite des Fortschritts

Andreas Reckwitz, Foto: Jürgen Bauer
Er gilt als einer der bedeutenden Impulsgeber gesellschaftsanalytischer Debatten der Gegenwart: Andreas Reckwitz hat 2017 mit seinem Buch »Die Gesellschaft der Singularitäten« eine Generaltheorie der spätmodernen Gesellschaften vorgelegt, es ist eines der meistdiskutieren Bücher der letzten Jahre – und ein preisgekrönter Bestseller. In diesem Herbst ist nun ein neues Buch von dem Professor für Soziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin erschienen, das »Ein Grundproblem der Moderne« beleuchtet: »Verlust« (Suhrkamp Verlag).


01.12.2024 | Literatur in Hamburg
Heinz Strunks »Zauberberg 2«

Die endlos strapazierte Hoffnung

Heinz Strunk
Heinz Strunk, Foto: Dennis Dirksen
Seine beiden zuletzt erschienenen Romane »Es ist immer so schön mit dir« und »Ein Sommer in Niendorf« waren für den Deutschen Buchpreis nominiert und Bestseller, und an seinem Erzählband »Der gelbe Elefant« hat sich eine ganze Entourage der deutschen Literaturkritik abgearbeitet. Die bekommt mit dem neuen Roman von Heinz Strunk jetzt so richtig was zu tun, denn der Hamburger Schriftsteller, Musiker und Schauspieler hat mit »Zauberberg 2« eine Hommage an einen Klassiker und Jahrhundertroman der deutschen Literatur vorgelegt.


01.12.2024 | Literatur in Hamburg
Der neue Roman von Olga Grjasnowa

»Juni, Juli, August«

Olga Grjasnowa, Foto: Benner
Schon mit ihrem Romandebüt »Der Russe ist einer, der Birken liebt«, in dem sie die Geschichte einer Generation erzählt, die keine Grenzen kennt, aber auch keine Heimat hat, wurde Olga Grjasnowa mehrfach ausgezeichnet und erreichte ein großes Lesepublikum. Menschen mit gebrochenen Lebensläufen stehen auch im Zentrum ihrer folgenden, stets temporeichen und höchst unterhaltenden Romane. In »Juni, Juli, August« erzählt sie von einer modernen jüdischen Familie und von der Suche einer jungen Mutter nach Halt und Orientierung in ihrer Herkunftsgeschichte.


01.11.2024 | Literatur in Hamburg
Richard Powers neuer Roman »Das große Spiel«

Ein ozeanisches Vergnügen

Richard Powers, Foto: Mike Belleme
Kaum ein anderer Schriftsteller der Gegenwart hat das Wissen unserer Zeit so bewegend in Geschichten eingefangen wie Richard Powers. Über ein Dutzend Wissenschaftsromane sind von dem vielfach preisgekrönten Schriftsteller in den letzten Jahrzehnten erschienen. Ein eher anekdotisches Zwischenstück bildet in dieser Publikationsgeschichte »Das Buch Ich # 9«: Powers ist der neunte Mensch, dessen Genom vollständig entschlüsselt wurde. Mit seinem virtuos komponierten neuen Roman »Das große Spiel« (Penguin, Deutsch von Eva Bonné), lädt er auf ein kleines, vernarbtes Paradies in Französisch-Polynesien und zu einem furiosen Ausflug in die Welt der Riesenmantas.


01.11.2024 | Literatur in Hamburg
Gaea Schoetters neuer Roman »Trophäe«

Ein folgenschwerer Deal

Gaea Schoeters, Foto: Sébastien Van Malleghem
Das Thema des neuen Romans der flämischen Autorin, Journalistin und Librettistin Gaea Schoeters ist alles andere als eingängig. Sogar die Autorin selbst sagt, dass sie es noch vor wenigen Jahren ausgeschlossen hätte, jemals über Großwildjagd zu schreiben. Doch genau darum geht es in »Trophäe« (Zsolnay), einem Pageturner mit höchster Sogkraft, der eine große Parabel über koloniale Finsternisse in der Gegenwart erzählt und von dem Phantombild eines wilden und echten Afrikas, dem schon Hemingway nachjagte.