Der neue Roman von A.L. Kennedy

»Als lebten wir in einem barmherzigen Land«

A.L. Kennedy
A.L. Kennedy, Foto: Robin Niedojadlo
Die im schottischen Dundee geborene Alison Louise Kennedy gilt als einer der brillantesten Köpfe der Gegenwart, ist eine der wichtigsten Schriftstellerinnen Großbritanniens und wurde für ihre Romane und Erzählbände vielfach ausgezeichnet. In Deutschland wird sie mit nahezu jedem ihrer Bücher gefeiert und hat ein großes Publikum. Ihr neuer Roman »Als lebten wir in einem barmherzigen Land« feiert seine »Weltpremiere« in diesem Frühjahr in der deutschen Übersetzung von Susanne Höbel und Ingo Herzke, der das Werk von Kennedy seit vielen Jahren begleitet. Es sei ein »Meisterwerk der moralischen Beunruhigung« heißt es beim Hanser Verlag.

Bei der Lit.Cologne hat sie in diesem März »Bissigstmögliche Erzählungen von dieser unverzeihlichen Insel« (SZ) vorgestellt und sich einmal mehr mit gnadenloser Kritik an den politischen Zuständen im Vereinigten Königreich hervorgetan. Dass sie eine scharfzüngige Kritikerin ist, wissen auch die Leser:innen von A.L. Kennedys Kolumne in der »Süddeutschen Zeitung«: Da fragt sie sich, »welcher Rassist oder Perverse (oder beides) künftig regieren wird«, wenn der »Killerclown« Boris Johnson weg ist und stellt über seine Nachfolgerin Liz Truss fest: »Wie eine Fünfjährige, die gerade gegen eine Tür gelaufen ist«.
A.L. Kennedy, die gelegentlich auch mit Stand-up-Comedy auftritt, ist eine unbarmherzige Kritikerin eines Landes, das ihrer Einschätzung nach ziemlich auf den Hund gekommen ist. Die Grundschullehrerin Anna in ihrem neuen Roman glaubt dennoch daran, dass die Welt ein besserer Ort werden kann und ringt mit der Frage: Soll man Unbarmherzigen gegenüber barmherzig sein? Zu Beginn des Romans steht die Wiederbegegnung mit Buster, mit dem Anna 25 Jahre zuvor in einer Gruppe von Straßenkünstlern gegen die Kriegs- und Sozialpolitik der englischen Regierung demonstrierte. Was sie damals nicht ahnte: Buster war ein V-Mann, der sie alle verriet. Nun stellt sie dem Peiniger nach. Doch bis wohin reicht das Böse – und kann Anna sich selber davon freihalten? A.L. Kennedy hat mit »Als lebten wir in einem barmherzigen Land« einen hochpolitischen, sehr kritischen und zudem unterhaltenden Roman vorgelegt, der in England übrigens noch keinen Verlag gefunden hat. Umso mehr hofft und wünscht man ihr in Deutschland ein großes Publikum.

A.L. Kennedy, »Als lebten wir in einem barmherzigen Land«, Hanser, € 28,–


01.05.2023 | Jürgen Abel