Annika Büsings neuer Roman »Wir kommen zurecht«
Wie es mit geistern so ist

Annika Büsing, Foto: Lauree Thomas
Philipp, auf den ersten Blick ein ganz normaler Jugendlicher, hat kurz vor seinem achtzehnten Geburtstag anderes im Kopf, als sich auf die Abiturprüfungen vorzubereiten. Er trifft sich mit seinem Freund Lorenz zum Kiffen auf dem Friedhof, ist hin- und hergerissen zwischen seiner neuen Freundin Mascha, seiner Ex-Freundin Lisa und Kira, die er heimlich anhimmelt, er hält sich »für einen schlechten Schüler, schlechten Sportler, schlechten Freund« und hat tatsächlich meistens alles gut im Griff. Sein Vater ist Chefarzt in einer Klinik, »stemmt die Welt« und wirft seinem Sohn manchmal vor, dass er zu schnell »keinen Bock mehr« hat, ist aber eigentlich doch glücklich mit ihm und sowieso viel zu beschäftigt mit seiner Lebensgefährtin Stella, mit der sich Philipp gut arrangiert hat. Es ist eine fast schon klassische Patchworkfamilie, die vordergründig gut zurechtkommt. Doch umso näher Annika Büsing dann an ihre Figuren heranzoomt, zeigt sich ein anderes Bild, denn da ist auch noch Phillips Mutter Astrid. Im Leben ihres Kindes taucht sie seit Jahren nur als Heimsuchung auf, als Geist, der im Hintergrund spukt, in Kindheitserinnerungen an frühe Entgleisungen und Verletzungen. Ausgerechnet an seinem Geburtstag steht dann ein Fremder vor der Tür. Er stellt sich als Astrids Ex-Lebensgefährte vor und erklärt ihm, dass seine psychisch kranke Mutter die Tabletten wieder einmal abgesetzt hat, durch die sie ihr Leben einigermaßen im Gleichgewicht hält. Philipp muss sich entscheiden, ob er seine Mutter und all das, was er mit ihr verbindet, weiter verdrängt oder damit umgehen will.
Annika Büsing hat mit »Wir kommen zurecht« einen großartigen und sehr gegenwärtigen Roman vorgelegt, in dem das, was Familie ist, sich nicht einfach ergibt, sondern neu gefunden und individuell gewählt werden muss.
Annika Büsing, »Wir kommen zurecht«, Steidl, € 24,–
20.03.2025 | Jürgen Abel