Carsten Brosdas »Ausnahme/Zustand«
Notwendige Debatten
Carsten Brosda, Foto: Bertold Fabricius
In der Europäischen Union und ihrer Gestaltungsmacht jenseits der Nationalstaaten sieht Carsten Brosda ein zentrales Zukunftsthema, das allerdings schon jetzt und nicht zum ersten Mal in den Fokus rückt, wo Polen und Ungarn im Streit um Rechtsstaatlichkeit den mehrjährigen Finanzrahmen der Europäischen Union blockieren. Ein weiteres großes Feld umreißt Brosda mit der »Neujustierung des Verhältnisses von Markt, Staat und Gesellschaft«. Er fordert eine »Renaissance wirtschaftlicher Ordnungspolitik«, in der er eine große Aufgabe für die europäische Politik erkennt, aber auch die Nationalstaaten in der Pflicht sieht.
Ein drittes großes Themenfeld lenkt den Blick auf die Arbeitsbiografien, also auf die konkrete Lebenswirklichkeit in Deutschland. Brosda hält ein großes »sozialstaatliches Reformprojekt« für notwendig, das auch Beschäftigungsverhältnisse jenseits der klassischen Arbeitnehmer*innen berücksichtigt. Mit seinem vierten und letzten Themenfeld nähert er sich dann wieder seinem Kerngebiet, der Medien- und Kulturpolitik an, es »betrifft die demokratische Wirksamkeit des öffentlichen Raumes unserer Gesellschaft«. Da wird es dann auch mal ganz konkret, etwa in der Forderung, »Rahmen und Instrumente einer demokratischen Medienlandschaft zu stabilisieren und zu entwickeln«.
Carsten Brosda zeigt sich mit seinem neuen Buch nicht nur als profunder intellektueller Taktgeber der Sozialdemokraten, er liefert vielmehr die Blaupausen für Frontlinien, entlang derer sich die politischen Debatten der nächsten Jahre entzünden dürften.
Carsten Brosda, »Ausahme/Zustand«, Hoffmann und Campe, € 15,–.
29.11.2020 | Jürgen Abel