Gaea Schoeters neuer Roman »Trophäe«
Ein folgenschwerer Deal
Gaea Schoeters, Foto: Sébastien Van Malleghem
Das Cover schmückt sich sehr eindrucksvoll in sanften Erdfarben mit einem »KI-generierten« Nashorn-Kopf im Profil, die von Wilderern so begehrten Hörner bilden einen schwungvollen Rahmen für den Titel, und am rechten Rand zeigt sich ein von lichtem Flaum gesäumtes Nashornohr. Im Roman wird der Großwildjäger Hunter White an einem »Riss im rechten Ohr« jenes Nashorn erkennen, für das er eine Abschusslizenz erworben hat. Afrika ist für den amerikanischen Alpha-Mann, der es an der Börse, mit Immobilien und Grundstücken zu Reichtum brachte, ein großes Naturreservat, »sein Jagdgebiet«, aber eben auch nicht mehr. In Wahrheit interessiert er sich ganz unverhohlen nur für die Trophäen, die er von dort mit nach Hause bringt, aber eben kein bisschen für das Land, in dem er jagt.
Dennoch revanchiert er sich im Gegenzug für die Trophäen mit der für ihn »einzig funktionierenden Form des Naturschutzes«. Der sechsstellige Betrag, den er für das Nashorn-Männchen bezahlt, das die »Big Five« seiner Abschüsse erfüllen soll, finanziert ein Zuchtprogramm zum Fortbestand der Art. Doch nicht nur in moralischer Hinsicht ist dieser Hunter White erfüllt von der Exklusivität seiner Macht und Überlegenheit – bis sein Vorhaben durch skrupellose Wilderer durchkreuzt wird, die ihm seine Trophäe rauben. Zuerst erscheint ihm das, was ihm sein Jagdleiter daraufhin vorschlägt noch wie ein »perverser Scherz«: Aus der »Trophäenjagd als Naturschutz« soll eine »Menschenjagd als Entwicklungshilfe« werden, ein »echtes Abenteuer«, abgesprochen und ausdrücklich gestattet von den Einheimischen . Hunter lässt sich auf einen folgenschweren Deal ein. Gemeinsam mit einem jungen Fährtenleser begibt er sich auf die Jagd seines Lebens. Unterwegs verschwimmen dann die Grenzen von Gut und Böse, Jäger und Beute, Mensch und Tier mehr und mehr. Hunter White ist plötzlich Teil eines Ökosystems und nicht mehr länger Vertreter einer überlegenen Art, die außerhalb davon steht.
Gaea Schoeters »Trophäe« liest sich in der höchst gelungenen Übersetzung aus dem Niederländischen von Lisa Mensing so rasant wie ein Thriller und wirft gleichzeitig hochbrisante Fragen nach dem Verhältnis der westlichen Welt zu Afrika auf, ohne dabei je in moralische Stereotypen zu verfallen. Es ist eine Lektüre, die lange nachhallt, provokant, radikal und durch die Naturbeschreibungen auch von großer Sinnlichkeit.
Gaea Schoeters, »Trophäe«, Zsolnay, € 24,–
01.11.2024 | Jürgen Abel