Sprechende Bilder

9. Hamburger Graphic Novel Tage

Ljudmila Ulitzkaja
Ankel Kuhl, »Lehmriese lebt« , Reprodukt
Die Themen sind so vielfältig wie die Literatur selbst, und die künstlerischen Strategien lassen sich schon lange nicht mehr allein auf mit Texten kombinierte Bilderfolgen reduzieren, Comics sind viel treffender mit dem Titel der Hamburger Graphic Novel Tage beschrieben: »Sprechende Bilder«. Zur 9. Ausgabe des Festivals treffen sich in diesem Ausnahmejahr vom 22. bis zum 25. März jeweils ein Gast aus Frankreich, den Niederlanden, Österreich und Israel mit deutschen Künstler*innen. Kuratiert wird das Festival von Andreas Platthaus. Die Veranstaltungen werden als Livestream übertragen.

Zwei Großmeisterinnen nicht nur für kleine Leser*innen treffen sich zum Auftakt des Festivals: Anke Kuhl wird ihren Episodenband »Manno!« vorstellen, in dem sie von der Kindheit der kleinen Anke in einer hessischen Kleinstadt erzählt. Sie ist eine stilistisch unverwechselbare und sehr humorvolle Zeichnerin – so wie auch ihre Kollegin Dorothée de Monfreid aus Frankreich, von der zuletzt bei Reprodukt ihr Kindercomic »Die Hundebande in Paris« erschienen ist.

»Kongeniale Comics über Kunst« stehen am zweiten Festivalabend mit Typex und Jakob Hinrichs auf dem Programm. Der in Amsterdam lebende Typex hat schon mit seiner Biografie über Rembrandt in aller Welt Aufsehen erregt, vor zwei Jahren erschien dann sein als grafisches Meisterwerk gefeiertes Buch »Andy – A Factual Fairytale« über das Leben und Werk von Andy Warhol. Mit Jakob Hinrichs trifft er auf einen Berliner Zeichner, der nicht weniger innovativ Arthur Schnitzlers »Traumnovelle« und Hans Falladas »Der Trinker« in Szene setzte. Für seine Literaturadaptionen vielfach gefeiert wurde auch Nicolas Mahler, der am dritten Festivalabend zusammen mit Jaroslav Rudiš und Tina Brenneisen bei den Graphic Novel Tagen zu Gast sein wird. Mahler ist einer der wenigen deutschsprachigen Comiczeichner, die sich international etablieren konnten, 50 Publikationen von ihm sind in ganz Europa, in den USA und Kanada erschienen. Neben seinen eigenen, zum Teil autobiografischen Werken, hat Nicolas Mahler vor allem mit Literaturadaptionen von Musils »Mann ohne Eigenschaften« oder Bernhards »Alte Meister« für viel Aufsehen gesorgt. In diesem Frühjahr erscheint nun ein Band, den er zusammen mit dem tschechischen Schriftsteller Jaroslav Rudiš geschaffen hat: »Nachtgestalten« (Luchterhand).

Prominent besetzt ist auch der vierte Festivalabend: Die Israelin Mutu Modan, eine der faszinierendsten Comicautorinnen der Gegenwart, präsentiert ihre in diesem März neu erschienenes Graphic Novel »Tunnel«, eine beklemmende Satire über den Nahostkonflikt. Ebenfalls ein Star der Comicszene ist Max Baitinger. In seinem noch im Entstehen begriffenen Comic »Sibylla« (Reprodukt) erzählt er die Geschichte einer jungen Frau, die mit nur 17 Jahren starb und heute als bedeutende deutsche Barocklyrikerin gilt: Sibylla Schwarz lebte von 1621 bis 1638 in Greifswald und hinterließ 200 Gedichte, die 1650 posthum veröffentlicht wurden. Danach hat es dann ein paar Jahrhunderte gedauert, bis die Forschung wieder auf sie aufmerksam wurde, in diesem Januar ist der erste Band einer kritischen Gesamtausgabe (Reinecke & Voß) ihrer Gedichte erschienen.

22. bis 25. März 2021, Literaturhaus, Schwanenwik 38, jew. 19.00 Uhr, Streamingticket: € 5,–, Streamingabonnement: € 12,–

Ljudmila Ulitzkaja, »Eine Seuche in der Stadt« Hanser Verlag € 16,-


09.03.2021 | Jürgen Abel