Die 18. Ausgabe des Hamburger Literaturjahrbuchs ZIEGEL

Ein Hingucker in Pink

Hamburger ZIEGEL
Das Hamburger Literaturjahrbuch ZIEGEL, Ausgaben 16, 17, 18
So leuchtend hat sich das Hamburger Literaturjahrbuch ZIEGEL bisher noch nie gezeigt. Die 18. Ausgabe der beliebten Anthologie ist jedoch nicht nur ein Hingucker in Pink, sondern präsentiert auch ein vielschichtiges Best-of mit Erzählungen, Gedichten, Auszügen aus Romanen, Theaterstücken und Comics aus der Hamburger Literatur der letzten zwei Jahre. »Es ist zwar ein schweres Buch«, schwärmte das NDR Hamburg Journal, »aber es liest sich federleicht«.

Zum Auftakt der rund 50 Beiträge hat der ZIEGEL zuerst einmal ein »Entlastungspakt für harte Zeiten« geschnürt: Es geht um Alkohol, Lügen, Sex und die Liebe, aber mit dem Lyriker Dietrich Machmer auch um »Normalitätssimulation« oder »Synchronhypnose« und mit Sebastian Stuertz um »Sex und Tod und Einsamkeit«. Der Bruch des Gewohnten und Alltäglichen und seine Bewältigung zieht sich als Motiv durch viele Texte, kein Wunder, der geballte Krisenmodus der letzten Jahre zeigt sich natürlich auch in der Literatur. Und dennoch wird die Welt da oft mit großer Leichtigkeit und Fantasie in den Blick genommen, etwa bei Julia Herrgesell, die das zentrale Themenkapitel »Woran wir glauben« mit ihrem Theatertext »Füchse« eröffnet. Da sitzt ein Fuchs in einer großen Schneekugel, er hat »klare Sicht« hinaus auf die »Ordnung der Dinge« und auch auf all das, was »nicht für immer so sein wird«. In ihrer Erzählung »Schmetterlinge jagen« erzählt Johanna Sebauer von einer wundersamen Metamorphose, die sich auf ganz andere Weise auch bei den Turnhallen vollzieht, mit denen Katrin Seddig das sehr sportliche Kapitel »Abtauchen und Auftauchen« eröffnet.
Ein Höhepunkt des Bandes ist die Erzählung »Morgen, oder: Wenn er eine Nacht überlebt« von Herbert Hindringer, die im letzten Jahr mit dem Hamburger Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Er hat mit seinem grandiosen Familiendrama auch den Titel für ein weiteres Themenkapitel vorgegeben: »So ein Vater war mein Vater«. Zum Abschluss des Bandes führt der ZIEGEL schließlich in einer Grand Tour mehrerer Erzählungen und Romanauszüge »An den Rand der bewohnbaren Welt«. Da geht es mit Ingvar Ambjørnsen und einem ziemlichen Sonderling auf einen Streifzug durch die Wälder in Norwegen, und Kaspar Peters erzählt in seinem Romanauszug »Ultima Thulde« von einem entlegenen Ort auf Island, während der Held von Ocke Bandixen spontan auf einer Kreuzung mitten in Hamburg »Posten« bezieht. Die Schildkröte, die so freundlich auf einem Bücherstapel auf dem Cover des ZIEGEL thront, passt übrigens ganz wunderbar zu all den Geschichten und zur Literatur, wie Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda zur Einstimmung auf das Buch erklärt. Sie stammt von der Hamburger Comic-Zeichnerin Kathrin Klingner, die das Buch mit Zeichnungen begleitet, in denen auf sehr feine Weise übersetzt ist, welche Sprengkraft das Lesen immer noch hat.

ZIEGEL #18 - Hamburger Jahrbuch für Literatur 2023, mairisch Verlag, € 20,–


28.03.2023 | Jürgen Abel