Heinz Strunks Bestseller »Ein Sommer in Niendorf«

Liebe ist ein Gefühl, Durst auch

Heinz Strunk
Heinz Strunk, Foto: Dennis Dirksen
Mit der Geschichte eines geglückten sozialen Abstiegs stürmte Heinz Strunk im Sommer bis an die Spitze der Bestsellerlisten und wurde zudem für den Deutschen Buchpreis nominiert. Skurrile und dabei doch treffende Milieubeschreibungen vor allem aus den gesellschaftlichen Randgebieten sind das Markenzeichen seiner Literatur. Der Kanon seiner Themen ist dabei ziemlich überschaubar, es geht um Alkohol, Sex, Einsamkeit und Antriebslosigkeit. So ist es auch in dem so berührenden wie witzigen Roman »Ein Sommer in Niendorf« (Rowohlt).

Den Soundtrack zu seinem neuen Roman hat Heinz Strunk auf Einladung des ZEITmagazins nachgeliefert, das »Hits für die Ballermann-Saison« suchte. Es ist ein Schunkelsong mit dem Titel »Breit in 100 Sekunden«, in dem es ums »Saufen Saufen Saufen« geht. Der »gleichermaßen charismatische wie bescheiden-sympathische Großkünstler« (Selbstbeschreibung) mit der legendären »Präsenzanwesenheit« zeigt sich in dem Musikvideo zum Song als »Pierre Panade« mit einem rosaroten Plastikflamingo in der Strandkorbidyllle an der Flunderbar in Hohwacht. Einige Zeilen für den Song konnte er direkt aus dem Roman für den Song übernehmen, der sowieso ganz gut zusammenfasst, worum es geht, vor allem der Spruch »Liebe ist ein Gefühl, Durst auch« bringt es gut auf den Punkt.

Der Roman ist jedoch, bei allem abgründigen Witz, den Heinz Strunk ja immer drauf hat, auch von einer feinen Melancholie durchweht. Schon der Rowohlt Verlag hat »Ein Sommer in Niendorf« als ein norddeutsches »Tod in Venedig« angekündigt – und die Literaturkritik sich dann dankbar daran abgearbeitet, weil Strunk wie der moderne Klassiker Thomas Mann einen Helden in die Sommerfrische schickt, dem dort alle Selbstdisziplin verloren geht. Für drei Monate will der vornehme Anwalt Roth in Niendorf an einem Buch über seine Familiengeschichte arbeiten und gerät dabei gleich zum Auftakt in die Fänge des Strandkorbvermieters, Alkoholikers und Besitzers des örtlichen Spirituosengeschäfts Breda.

Nach anfangs nur gelegentlichen gemeinsamen Abstürzen in den Suff wird Roth in der Sommerfrische bald vom trostlosen Zustand seines Lebens heimgesucht: Seine Frau hat ihn verlassen, seine Tochter ist nur an seinem Geld interessiert, seine letzte Affäre endete in einem Desaster, und die Kellnerin, in die er sich verliebt, will absolut nichts von ihm wissen. Am Ende landet er dauervernebelt, sehr weich und durchaus glücklich in den Armen von Bredas Freundin und in dessen Leben in Niendorf, wo der Mond an klaren Tagen »so schön und rund wie eine menschliche Träne« über der Lübecker Bucht thront.

Heinz Strunk liest am 26. Oktober im Deutschen Schauspielhaus aus seinem Roman

Heinz Strunk, »Ein Sommer in Niendorf«, Rowohlt, € 22,–


01.10.2022 | Jürgen Abel