Heinz Strunks Heinz Strunks »Kein Geld Kein Glück Kein Sprit«

Negations-Trias mit Fun-Faktor

Heinz Strunk, Foto: Dennis Dirksen
Mit seinem vielgelobten Roman »Zauberberg 2« hat Heinz Strunk zuletzt einen weltberühmten Jahrhundertroman und Klassiker der deutschen Literatur für die Gegenwart adaptiert. In diesem Herbst brilliert der Schriftsteller, Musiker und Entertainer mit »Kein Geld Kein Glück Kein Sprit« (Rowohlt) in seiner Paradedisziplin und erweitert seine Kurzprosa um einen Sammelband mit 36 Erzählungen. Es sind literarische Miniaturen, die sich einbrennen, pointiert und direkt, und sie sind, trotz ihres unerbittlichen Blicks auf das Allzumenschliche, immer wieder auch zum Schreien komisch.

Auf dem Cover des neuen Erzählbandes von Heinz Strunk sind die drei Signalwörter »Geld, Glück und Sprit« durchgestrichen, übrig bleibt ein dreifaches »Kein«, das allen Erzählungen des Bandes den Takt vorgibt. Für Bojan, den frühverrenteten Helden aus »Mezzomix«, dessen Verlobte widerwillig hinnimmt, dass er als »Mann und Erwerbstätiger nichts taugt«, erweitert Strunk die Negations-Trias noch um »Sex, Fun, Geld, Alk«, doch erst als ihm auch noch seine Leidenschaften »rauchen und naschen und Mezzomix« gestrichen werden, ist das Lebensdebakel komplett. Es ist eine der Erzählungen, mit denen Strunk an die so skurrilen wie treffenden Milieubeschreibungen aus den gesellschaftlichen Randgebieten anknüpft, durch die er bekannt wurde. Festlegen kann man ihn darauf nicht, auch das zeigt der neue Band, der Kanon seiner Themen ist zwar überschaubar, aber eben auch universell: Meist geht es um Alkohol, Sex, Einsamkeit, Übergewicht und Antriebslosigkeit. Seine Erzählungen seien »niederschmetternd«, heißt es kurz und knapp in einer dennoch euphorischen Kritik in der FAZ. Und ja, die Belle Tristesse des Lebens spielt bei Heinz Strunk oft eine Hauptrolle, aber seine Geschichten sind auch berührend und zudem ein großer Spaß, weil es ihm so mühelos gelingt, auch den schlimmsten Horror in die heilsame Katharsis eines befreienden Lachens zu überführen.

In »Bäuerchen«, einer der herausragenden längeren Erzählungen des Bandes, helfen der sowieso schon von ihrem Leben tief enttäuschten Protagonistin Sonja keine »Tricks gegen den Hicks«, den schlimmen Schluckauf, den sie nicht mehr loswird. Nach einem halben Jahr beschließt sie, der Quälerei ein Ende zu setzen, indem sie von der Köhlbrandbrücke springt. Heinz Strunk liefert in der bitterbösen und schreiend komischen Geschichte ganz beiläufig zudem einen Exkurs über die Köhlbrandbrücken-Selbstmorde der letzten Jahrzehnte – und findet dann doch ein (fast) versöhnliches Ende für seine Heldin.

Grandios sind auch »Ihr größter Coup«, der auf nur einer halben Seite von einem vorweihnachtlichen Zitronenklau im Supermarkt erzählt oder »Vorhang auf!«, in dem der »Privatier« Kuno seine Haushaltsroboter zum Puppenspiel im Wohnzimmer einlädt. Meist sind es Normalos, Leute wie du und ich, die in den neuen Geschichten auftreten, nur dass Heinz Strunk sie mit heruntergelassener Unterhose zeigt – oder, um es freundlicher zu sagen, in ihrer ungeschönten Begrenztheit. Nur ganz selten verlässt er dabei die Position des neutralen Beobachters und gibt sich, wie bei den »Bergers«, als emphatischer Erzähler zu erkennen, der den ehemaligen Nachbarn und »Wirtschaftswunder-Spießbürgern« mit seinem Text »ein – wenn auch nicht sonderlich monumentales – Denkmal setzt«.

Heinz Strunk, »Kein Geld Kein Glück Kein Sprit« (Rowohlt), € 23,–

29.09.2025 | Jürgen Abel