Helge Timmerbergs »Joint Adventure«
Auf Drogentrip mit Helge
Er tut es seit Jahrzehnten und hat nicht vor, es irgendwann aufzugeben, solange er genussmittelfähig ist: Helge Timmerberg outet sich in »Joint Adventure« (Piper) als Kiffer. Pünktlich zum Endspurt des neuen Cannabis-Gesetzes, das zum Jahreswechsel in Kraft treten soll, hat er sich auf eine so informative wie unterhaltsame »Reise in die Welt des Cannabis« begeben. Er ist nach Malle, Malta und Marrakesch, nach Thailand, Holland und Hollywood gereist, um in Erfahrung zu bringen, was mit der Legalisierung so auf uns zukommt.
Der traurige Höhepunkt seines »Lebens als Krimineller« ist eine Hausdurchsuchung in einem Mietshaus in Winterhude im Jahr 1997, bei der ein Drogenhund von der Kripo einen Krümel Hasch findet. Für eine Anklage hat das gereicht, doch am Ende war der Richter sauer, dass der Fall überhaupt verhandelt werden sollte und stellte das Verfahren sofort wieder ein. Die Vorgeschichte der Kriminalisierung des Cannabiskonsums erzählt Helge Timmerberg gleich zu Beginn seines »Joint Adventures«. Es ist ein Bericht darüber, wie die Hanfpflanze zuerst in den USA verteufelt und schließlich bis Mitte des 20. Jahrhunderts in vielen Ländern verboten wurde. Dabei war Hanf die älteste Nutz- und Heilpflanze der Welt, noch bis in die 1930er Jahre wurden in Deutschland über hundert Cannabismedikamente in Apotheken verkauft.
Schon der Auftakt zeigt, wie elegant Helge Timmerberg seine eigene Drogenkarriere mit der großen (Drogen-)Geschichte verschränkt: Er erzählt von Hildegard von Bingen, in deren Kloster im 12. Jahrhundert der Siegeszug seiner »Lieblingsdroge durch die Apotheken Europas« beginnt, aber auch von einem Hasch-Bauern in Marokko, der ihm eine kleine Handreichung mit auf den Weg gibt. Dem »Märchen von der Einstiegsdroge« setzt Timmerberg gleich mehrere Argumente aus der »Welt der Wissenschaft« entgegen und flankiert sie mit persönlichen Drogenerfahrungen. Und wie das gerade sonst mit der Legalisierung so klappt, hat er in mehreren Ländern recherchiert.
In Malta, wo, ganz ähnlich wie bald in Deutschland, der Anbau und der Besitz geringer Mengen seit 2018 erlaubt ist, hat Timmerberg einen ganz unaufgeregten Umgang mit der Droge gefunden und keinen einzigen Shop, wo man sie erwerben kann. Für Kalifornien ist Cannabis dagegen ein allseits präsentes Mega-Geschäft, so wie in den USA insgesamt: 22 Millionen Kilo Marihuana werden dort jährlich geerntet.
Viel weniger spektakulär ist die vielleicht wichtigste Frage dieser kleinen Weltgeschichte des Cannabiskonsums: »Kann ich auch aufhören, mit dem, was ich beginne? Das ist eine der nützlichsten Fragen im Allgemeinen und im Besonderen in der Welt der Drogen.« Helge Timmerberg lässt keinen Zweifel daran, jedenfalls für ein paar Monate lebt er abstinent, bis sich die Einsicht durchsetzt: »Ich bin Jahrgang 1952. Vielleicht hätte ich ja nicht schon als 17-Jähriger mit dem Kiffen anfangen sollen, aber es mit 71 aufzugeben wäre so bekloppt, wie ewig und drei Tage grundlos eine Brille zu tragen und sie erst wegzuwerfen, wenn man sie braucht.«
Helge Timmerberg, »Joint Adventure«(Piper), € 22,–
25.09.2023 | Jürgen Abel