Hellmuth Opitz neuer Gedichtband »Rauschnacht Flauschnacht«

Schnabelarien früh um Fünf

Hellmuth Opitz
Hellmuth Opitz, Foto: Helga Schöning
Das Spiel mit tradierten Formen, Reimen und Rhythmen beherrscht der Lyriker Hellmuth Opitz so meisterhaft wie das saloppe Parlando im erzählerischen Duktus. Und das darf man auch erwarten, wenn einer als »Verbalvirtuose« (Gero Mertens) und »kluger Vertreter des poetischen Realismus« (Michael Braun) gefeiert wird. In diesem Frühjahr lädt er mit seinem neuen Gedichtband zur »Flauschnacht Rauschnacht« (Pendragon). Ein Ereignis für alle, die gerne Gedichte lesen.

Zum Auftakt gibt das titelgebende Gedicht des Bandes den Takt vor, da »hagelts« Sternschnuppen und im Park »glühende Blüten«, nachdem der Frühling so richtig aufgedreht und für eine »Flauschnacht Rauschnacht« hinausgelockt hat. Was da im scheinbar mühelosen Wechsel zwischen gelassenem (Sprach-) Flow und hohem Ton, zwischen Alltag und Sternstunde zusammenballt, ist das Markenzeichen der Literatur von Hellmuth Opitz, bei ihm passt ins Gedicht, was in der Welt ist und da gehören »Prachtbauten« dazu, aber eben auch »Haustürgeschäfte«. Das zeigt sich auch in einem der schönsten Gedichte, mit denen das erste der sieben Kapitel des Bandes eröffnet wird: »Replay« ist ein beinahe klassisches Liebesgedicht, in dem ein Tonarm streikt und so »knisternd das Erinnern berührt«, obwohl es »doch ums Abheben« geht. Der Dichter kann aber auch ganz anders, wie eine Sammlung mit Hai-Gedichten zeigt, in denen »Bad Ass Shark. Weiß. Männlich. Dominant« und »eine Legende« zuschnappt, und so ein kleiner »halbstarker Weißer Hai« einen Surfer mal kurz anstupst, bis sich das Wasser trübt. Ein absolutes Highlight ist zweifellos »Die Industrialisierung der Singvögel«, so schön wie in dieser Sammlung haben die »Schnabelarien«, die an einem Sonntagmorgen »kurz vor fünf Uhr« anheben, schon lange nicht mehr geklungen. Reinhören dringend empfohlen.

Hellmuth Opitz, »Rauschnacht Flauschnacht«, Pendragon, € 20,–


30.04.2022 | Jürgen Abel