Jeannette Walls Roman »Vom Himmel die Sterne«
Die Rum-running Queen von Claiborne County
Die Frage, warum man einen Roman lesen sollte, der im ländlichen Virginia zur Zeit der Prohibition spielt, ist schon nicht ganz unberechtigt, aber in diesem Fall schnell ausgeräumt. Wer an ein Revival klassischer Gangsterfilme denkt, liegt zwar nicht ganz falsch, denn das einträglichste Geschäft der Familie Kincaid, um die es hier geht, ist der Whiskey. Waffen und schnelle Autos spielen natürlich auch eine wichtige Rolle, folgenreiche Affären und plötzlicher Verrat noch mehr, aber im Zentrum steht mit Sallie Kincaid eine wundervolle Heldin, die furchtlos und kämpferisch ihren Weg geht. Zu Beginn des Romans landet Sallie jedoch zuerst einmal in der Verbannung.
Nach einem Unfall mit dem Bollerwagen, bei dem sich ihr jüngerer Halbbruder Eddie verletzt, wird sie als junges Mädchen von ihrem charismatischen Vater, dem mächtigen Duke, der die ganze Gegend beherrscht, zu ihrer Tante in die Berge geschickt. Es vergehen neun Jahre, bis Sallie ins »Große Haus« zurückkehren darf, entschlossen, sich einen Platz in der Familie zu erobern. Doch in welche Familie wurde sie da hineingeboren, welche Rolle spielten die Frauen in der Familie? Hat der Duke tatsächlich ihre Mutter umgebracht? Und womit verdient die Familie eigentlich ihr Geld?
In immer neuen Wendungen entfaltet der Roman die Geschichte eines Countys, in dem Whiskey die Währung für nahezu alles ist – und über den Handel damit bestimmen die Kincaids. Sallie steigt als Fahrerin und Geldeintreiberin in das Familiengeschäft ein und steigt zur »Rum-running Queen« von Claiborne County auf, die mit Witz, Charme und Kühnheit mehr für ihre Familie erreicht als alle Männer je zuvor.
Jeannette Walls, »Vom Himmel die Sterne« (Hoffmann und Campe), € 25,–
29.09.2023 | Jürgen Abel