Johanna Sebauers Debüt »Nincshof«
Der Königsweg in die Freiheit
Eine souverän zwischen Satire, Ironie und tieferer Bedeutung changierende, höchst unterhaltsame Geschichte über eine Unabhängigkeitserklärung, wie sie in den europäischen Provinzen derzeit nur zu oft geträumt wird, erzählt Johanna Sebauer in ihrem Romandebüt »Nincshof« (DuMont). Die Lektüre ist ein großer Spaß, der gleichzeitig einen deutlichen Hinweis auf die kulturelle Demarkationslinie zwischen Stadt und Land gibt, an der die politisch-gesellschaftlichen Spaltungstendenzen heute so oft festgezurrt werden.
»Warum musste man mitmachen in der großen Welt, in der alles so chaotisch war und so sinnlos, in der doch alles immer chaotischer und sinnloser werden würde?« In einem sehr kleinen Dorf im österreichischen Burgenland, das irgendwo im Niemandsland an der österreichisch-ungarischen Grenze liegt, geben sich drei Männer eine Antwort auf diese Frage, die eindeutiger nicht sein könnte: Nincshof soll unabhängig und frei sein. Sie nennen sich Oblivisten, was auf das lateinische oblivisci zurückgeht und »vergessen, nicht beachten« bedeutet, und sie finden, dass der Oblivismus in einer Welt, in der (fast) alle auf größtmögliche Aufmerksamkeit aus sind, der Königsweg in die Freiheit ist.
Nincshof beruft sich dabei auf eine lange und sehr besondere Tradition. Der Ort wurde nämlich erst im 19. Jahrhundert entdeckt, nachdem man die das Dorf umgebenden Sümpfe trockengelegt hatte. Ihren Freiheitsdrang haben die Dörfler seitdem nie ganz aufgegeben, auch wenn er sich erst jetzt wieder zu einer breiten Bewegung aufschwingt. Ausgelöst wird er vor allem durch den Architekten und Hobbyziegenhirten Silvano Mezzaroni und seine Frau, die Dokumentarfilmerin Isa Bachgasser, die sich neu im Dorf niedergelassen haben: »Alle hatten irgendwo etwas über die Neuen aufgeschnappt, bei der Wirtin zusammengetragen und mit Pusztafeigenschnaps, dem stärksten Flüssigkleber für Ziegel aus Halbwissen, zu wilden Gerüchten ausgebaut.« Können die beiden Großstädter verhindern, dass Nincshof endlich wieder vergessen wird oder setzen sich doch die Oblivisten des Dorfes durch?.
»Nincshof« ist ein ziemlich lustiger Dorfroman, präzise erzählt, bis zum Finale wunderbar ausgestaltet und doch mehr als eine Komödie, weil der Roman von einem zentralen Problem unserer Zeit erzählt: Was uns als wahr und wichtig erscheint, wie wir die Welt interpretieren, hängt am Ende eben doch vom Standpunkt ab. Und der ist in »Nincshof« mitunter ein ganz anderer als im fernen Wien.
Johanna Sebauer, »Nincshof« (DuMont), € 21,99