Johannes Krause, »Die Reise unseres Gene«

Die Geschichte unserer Vorfahren

Thomas Trappe und Johannes Krause
Thomas Trappe und Johannes Krause, Foto: privat
Das Forschungsgebiet von Johannes Krause ist die Archäogenetik, er ist Experte für die Entschlüsselung der DNA aus alten Knochen und Direktor des 2014 neu gegründeten Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte. Seine Arbeit ist, wie es zum Auftakt seines Buches heißt, ein staubtrockener »Knochenjob« und doch ist »Die Reise unserer Gene« das brisanteste und spannendste Wissenschaftsbuch der letzten Monate. Der Grund dafür ist, dass Krause mit seinen DNA-Analysen historische Epidemien und menschliche Wanderungsbewegungen erklärt.

Durch die »Fingerkuppe« eines »fünf- bis siebenjährigen Mädchens«, die man ihm in einem wattierten Umschlag 2009 aus Nowosibirsk geschickt hatte, entdeckte er 2010 den Denisova-Menschen, einen neuen Urmenschen. Es war eine wissenschaftliche Sensation, die weltweit für Aufsehen sorgte. Heute liegt der Fokus der Arbeit von Johannes Krause vor allem auf der Erklärung historischer Epidemien und menschlicher Wanderungsbewegungen, die er durch DNA-Analysen nachweisen kann. Mit seinem im Herbst neu erschienenen Buch, das sich so »spannend wie ein historischer Krimi« liest, spannt er den Bogen zurück bis in die Urgeschichte und erzählt, wie wir zu den Europäern wurden, die wir heute sind. Eine entscheidende Erkenntnis ist: Migration und Wanderungsbewegungen sind keine Phänomene der Neuzeit, schon vor 8000 Jahren wurde durch eine »einschneidende Migrationswelle« eine »Zeitenwende« in Europa eingeleitet. Tatsächlich wäre unser Kontinent gar nicht denkbar ohne die Einwanderer, die über Jahrtausende aus allen Richtungen nach Europa kamen und immer wieder Innovationen mitbrachten. Für oberflächliche Debatten taugen diesen Erkenntnisse allerdings nicht, sie liefern »Argumente für diejenigen, die gegenüber Migration aufgeschlossen sind, wie für jene, die ihr strikte Grenzen setzen wollen«. Und manchmal machen sie auch einfach nur Spaß, zum Beispiel, wenn Krause erklärt, dass »Karl der Große, der vor mehr als tausend Jahren mindestens 14 Kinder zeugte, wohl als Vorfahre der meisten Europäer gelten« kann. Das sei allerdings »reine Mathematik«.



Johannes Krause, Thomas Trappe, »Die Reise unserer Gene«, Propyläen, € 22,–

22.03.2020 | Jürgen Abel