Jose Dalisays Roman »Killing Time in a Warm Place«

Das kalte Lächeln der Disziplin

Jose Dalisay, Foto: Anvil Publishing
Wie trägt sich eine tief zerrüttete und von einem korrupten Diktator beherrschte Gesellschaft in die Biografie einer Gruppe junger Leute ein? Davon erzählt der philippinische Schriftsteller Jose Dalisay in »Killing Time in a Warm Place« (Transit). Es ist nach dem vielgelobten Krimi »Last Call Manila« (2023) der zweite Roman des vielfach ausgezeichneten Schriftstellers und Literaturprofessors, der in einer deutschen Übersetzung von Niko Fröba erscheint – dreißig Jahre nach seiner Publikation im Original. Dennoch ist der Roman höchst aktuell.

In einem kurzen, nachgetragenen Epilog zu »Killing Time in a Warm Place«fragt sich Jose Dalisay, ob er vielleicht ein »Update« seines Romans für die Gegenwart schreiben sollte – und wundert sich über die »Lockrufe des Despotismus« und die »wiedererweckte Sehnsucht nach simpler Ordnung«, durch die Demokratien weltweit unter Druck geraten sind. Entstanden ist der Roman vor fast 40 Jahren, kurz nach dem Sturz des Regimes von Ferdinand Marcos, der die Philippinen ausplünderte, das Land für viele Jahre unter Kriegsrecht stellte und zehntausende Oppositionelle, Studierende, Gewerkschafter und Journalisten in Lagern inhaftierte.

Die Romanhandlung setzt ein, kurz bevor die Marcos-Diktator das Land mit seinem Terror durchzieht. Erzählt wird aus der Perspektive von Noel Bulaong, der aus den USA zur Beerdigung seines Vaters auf die Philippinen reist und sich erinnert: an seine Familie, seine Freunde, seine Liebschaften, die Jahre im Gefängnis und die Zeit danach. Wie Laurie, Benny und Jong hat sich Noel der maoistischen Bewegung angeschlossen. Von einer Wohnung am Stadtrand Manilas aus leisten sie Widerstand gegen das Regime, hauptsächlich durch Flugblätter, Vorträge und Agitationstheater. Doch dann legt sich mit der Proklamation des Kriegsrechts »gewitzt« ein kaltes »Lächeln der Disziplin« auf die »Lippen des Landes«. Es herrscht nächtliche Ausgangssperre, lange Haare sind verboten, und die jugendliche Widerstandsgruppe, die längst unter Beobachtung der Geheimpolizei steht, wird inhaftiert.

Jose Dalisay nimmt mit seinem Erzähler Noel in den Blick, was daraufhin geschieht und entfaltet dabei ein Panorama über das Leben auf den Philippinen unter der Diktatur, über das Abstumpfen der Bevölkerung, aber auch die Irrungen und Wirrungen des Widerstands. Ein »Update« für die Gegenwart braucht dieser Roman nicht, er erzählt mit viel Ironie und Witz eine aktuelle Geschichte, auf den Philippinen regiert seit zwei Jahren der Diktatorensohn Ferdinand Marcos Junior, bisher noch als Präsident einer Demokratie.

Jose Dalisay , »Killing Time in a Warm Place«, Transit, € 22,–

01.10.2024 | Jürgen Abel