Leif Randts »Let´s Talk About Feelings«

Und der Himmel voller Geigen

Leif Randt
Leif Randt, Foto: Belle Santos
Mit seinem neuen Roman fordert der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller Leif Randt: »Let´s Talk About Feelings« (Kiepenheuer & Witsch). Er führt dazu in eine sanft heruntergedimmte gesellschaftliche Parallelwelt, in der seine Figuren auf der Suche nach Erfüllung und Authentizität sind. Ein zentrales Motiv ist die Welt der Mode, die nur allzu oft von mehr Schein als Sein bestimmt wird. Über Gefühle wird in dem auf glatt polierte Oberflächen fokussierten, sehr unterhaltenden und dennoch nüchternen Roman eher beiläufig, leise und unaufgeregt gesprochen. Leif Randt erweist sich damit einmal mehr als Zeremonienmeister eines popkulturellen Eskapismus.

Die politisch-gesellschaftlichen Konflikte, von denen wir annehmen, dass sie unsere Gegenwart in besonderer Weise aufmischen, diese harten Beats des Weltorchesters, die den Alltag begleiten, sind in diesem Roman auf ein Minimum heruntergeregelt. Es gibt ein paar unkommentierte Anspielungen auf eine zweite Amtszeit von Bernie Sanders als US-Präsident, eine Bundeskanzlerin Brinkmann und eine National-Libertäre-Partei auf dem Vormarsch in Deutschland, das ist der politisch-gesellschaftliche Horizont, den Leif Randt zeigt. Er bleibt nahezu unkommentiert, denn seine Figuren sind ganz mit sich und ihren Bedürfnissen in einer sehr vornehmen Bubble mit begrenztem Realitätsbezug beschäftigt.

Da ist Marian Flanders, der mit 41 an einem Wendepunkt steht, nachdem seine Mutter, ein einst ikonisches Fotomodell, verstorben ist. Sein Berliner Kenting-Beach-Store, den der Mode-Aficionado mit höchsten Ansprüchen betreibt, muss sich ohne die Unterstützung seiner Mutter neu orientieren. Dazu kommt, dass er die schon länger zurückliegende Trennung von seiner Freundin immer noch nicht ganz weggesteckt hat. Marians Vater Milo, einen ehemaligen Nachrichtenmoderator, beschäftigt, ob ihn die Videos erfüllen, mit denen er via TikTok tausende Follower generiert, seine Halbschwester Teda, als DJ erfolgreich, will mit 28 Jahren nicht mehr für Jugendliche auflegen, und sein Bruder Colin steckt in einer Ehekrise. Das Setting und das Figurenensemble wirken wie aus einer Vorabendserie, und Leif Randt lässt nichts unversucht, um den Eindruck einer auf Hochglanz polierten Oberfläche auch noch zu verstärken. Für seinen Helden Marian erfindet er die Midlife-Crises als »Middleage der Fernreisen und der Freundschaft« neu und schickt ihn in einen Liebestaumel, in dem der Himmel bald voller Geigen hängt.

Die eigentliche (Mode-)Frage, die Leif Randt mit dieser sehr vornehmen Parallelwelt aufwirft, ist, wie wir unter all den Kleidern, die sich anbieten, die richtigen für uns finden, also jene, in denen das Ich ganz mit seiner Darstellung übereinstimmt. Als sein Bruder Colin ihn eines Tages darum bittet, ihm dabei zu helfen, sich neu einzukleiden, werden sie im Kenting-Beach-Store nicht fündig. Was auch immer Marian zur Anprobe reicht, wirkt »sonderbar falsch«. In Einklang bringen sie den schönen Schein mit dem Sein erst durch einen Besuch bei C&A und TK maxx. Zum Mittagessen geht es ins Restaurant bei Galeria Kaufhof. Dort kommen die Brüder dann endlich einmal ins Gespräch über ihre Gefühle.

Natürlich geht dieser Roman mit einem »Besuch in den Gärten der Welt« dann auch noch gut aus, vielleicht sogar etwas zu gut, denn bei aller Freude über die durchaus unterhaltende Lektüre stellt sich am Ende die Frage, ob der popkulturelle Eskapismus, den Leif Randt mit diesem Roman wieder zelebriert, als Programm für die Gegenwart noch verfängt. Die Grenze zur belanglosen Vorabendserie, die freundliche Unterhaltung in einem schönen Ambiente liefert, ist fließend – und bei all den großen Gegenwartskonflikten, die heute immer stärker auch ins Private hinreichen, ist das völlig Apolitische, das der Roman als »besondere, bindende Kraft« propagiert, »die ein friedfertiges Miteinander überhaupt erst möglich macht«, zudem keine glaubhafte Haltung mehr, sondern eine Ausrede gegenüber den Zumutungen unserer Zeit.

Leif Randt, »Let´s Talk About Feelings« (Kiepenheuer & Witsch), € 24,–

29.09.2025 | Jürgen Abel