Maren Kames funkelnder Nachtgesang »luna luna«

Sehnsucht, Enttäuschung und Raserei im Mondgebiet

Maren Kames
Maren Kames, Foto: Mathias Bothor
Zuerst klebt sie sich »eine gans / aus pappmaché, / mit flügeln / und allem,« dann holt sie tief Luft und ist unversehens als entzweigebrochenes Ich mittendrin in dem »Mondgebiet«, das dieses grandiose, seit Monaten gefeierte Versepos durchschreitet. Es heißt »luna luna« und ist, wie schon das Debüt »Halb Taube halb Pfau« von Maren Kames, ein Gesamtkunstwerk.

Der Umschlag in schwarzem Leinen, darauf silbern schimmernd die Titelei, das Vorsatzpapier in Pink, der Text mit weißer Schrift auf schwarzem Papier gedruckt. Erschienen ist die kongeniale gestalterische Übersetzung des funkelnden Nachtgesangs, den die 1984 geborene Dichterin anstimmt, im Secession Verlag. In vier Etappen und einem Mix aus Pop- und Hochkultur erzählt das Langgedicht von einem »mödchen«, das sich einen »bären« gegen den Wind aufbindet und sich trotzdem nicht retten kann vor dem »sheitan«, der ein »fieser knilch« ist, der mit Scham und Schande um die Ecke kommt. Das lyrische Ich ist gefangen in einer lunatischen Verfassung aus Sehnsucht, Enttäuschung, Raserei, man darf vermuten über eine hohe Liebe, bis der Mond am Ende »runtergefallen« ist und der ganze Wahnsinn ausglüht. Begleitet wird der Text durch einen umfangreichen Soundtrack aus 27 Pop-Songs, die spielerisch als Cut-ups eingearbeitet sind, mal als Übersetzung direkt im Text, dann im Original zitiert als Fußnote. So klingt Poesie, kann man mit Maren Kamens »luna luna« sagen, wenn sie in der Gegenwart ankommt.

Maren Kames »luna luna« ist ein funkelnder Nachtgesang, kongenial gestalterisch übersetzt, erschienen im Secession Verlag, € 35,–.


20.04.2020 | Jürgen Abel