Max Czolleks Essay »Versöhnungstheater«

Aufforderung, sich zu erinnern

Max Czollek
Max Czollek, Foto: Paula Winkler
Schon mit seinen Büchern »Desintegriert euch! « (2018) und »Gegenwartsbewältigung« (2020) hat Max Czollek lustvoll zum Streit im oft wenig diskursiven deutschen Debattenraum aufgefordert. Daran knüpft er mit seinem neuen Buch »Versöhnungstheater« (Hanser) nun an und nimmt sich die deutsche Erinnerungskultur vor.

Die Ausgangsthese von Max Czolleks »Versöhnungstheater« geht auf einen Wendepunkt der deutschen Geschichte zurück, an dem er auch die Erinnerung an die Verbrechen im nationalsozialistischen Deutschland in eine neue Phase eintreten sieht. Mit der Wiedervereinigung 1990 habe sich die Erzählung der »Wiedergutwerdung Deutschlands« verdichtet, in deren Zentrum die »beispielhafte Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen« steht. Seitdem, so Max Czollek, sei die deutsche Erinnerungskultur vor allem die Aufführung eines »Versöhnungstheaters«, während gleichzeitig an unheilvolle deutsche Traditionen angeknüpft würde. Die sieht Czollek in der Forderung nach einer Normalisierung des deutschen Verhältnisses zur Nation, aber auch im Berliner Stadtschloss, das Preußens Könige feiert, oder in der Erklärung von SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, es sei für Deutschland »nach knapp achtzig Jahren der Zurückhaltung« an der Zeit, »eine neue Rolle im internationalen Koordinatensystem« einzunehmen. Eine Empfehlung gibt Max Czollek unter dem Titel »Begrenzte Wahrnehmung« mit auf den Weg, sie zeigt »Was man vergessen muss, um weiterzumachen« und ist eine Aufforderung, sich zu erinnern. Dafür ist dieses Buch, bei allem, worüber man sich sonst auch streiten kann, ein sehr guter Ausgangspunkt.

Max Czollek, Versöhnungstheater«, Hanser


02.02.2023 | Jürgen Abel