Robert Seethalers Roman »Das Café ohne Namen«
Ein Platzerl im Leben
Das Angebot in diesem Café in der Wiener Leopoldstadt am Karmelitermarkt ist überschaubar, und eigentlich ist es noch nicht einmal ein richtiges Café. Doch die Menschen aus dem Viertel kommen hier trotzdem zusammen, und sie erzählen ihre Geschichten – von der Sehnsucht, dem Verlust und dem unverhofften Glück. Einen richtigen Plot gibt es in dem neuen Roman von Robert Seethaler nicht, und das Thema lässt auch dann noch vieles offen, wenn man es auf eine Milieustudie in der Wiener Nachkriegszeit herunterbricht. Dennoch ist »Das Café ohne Namen« (claasen) ein berührender Roman, das liegt vor allem an der Sprache, die in ihrer Kargheit einen ganz eigenen Sog entwickelt.
Sein Roman »Ein ganzes Leben« (2014) war ein Weltbestseller, und auch mit seinem Roman »Das Feld« (2018) stand Robert Seethaler für Wochen ganz oben in den deutschen Charts. In seinem etwas weniger erfolgreichen Roman »Der letzte Satz« (2020) hat er den Komponisten Gustav Mahler, der uns heute als ein Wegbereiter der Moderne gilt, auf einer Seereise nach New York begleitet. »Das Café ohne Namen« (claasen) spielt nun im Wien des Jahres 1966.
Der Gelegenheitsarbeiter Robert Simon ist auf der Suche nach etwas, »das seinem Leben eine entscheidende Bekräftigung« geben kann. Er findet sie in dem Marktcafé am Karmelitermarkt, das keinen Namen hat, weil Simon keiner einfällt und ist eher ein Wirtshaus. Es gibt nicht viel mehr als Kaffee, Limonade, Bier und Wein, Schmalzbrot, Gurken und Salzstangen. Später kommt im Winter dann noch Punsch dazu, eine Idee von Mila, die Simon bald als Bedienung beisteht. Allzu viel passiert im Café meistens nicht, während die Jahre an Simon, Mila und ihren Gästen vorbeiziehen. Die Rose Gebhartl trinkt ihren »Tee Zitron«, der Georg seinen Hausbrand im großen Glas, und dann brennt auf einmal der Markt und im Keller platzt der Heizkessel. Trotzdem ist es gut, wie es ist. »Und es wird immer noch besser«, verspricht der Fleischermeister von gegenüber seinem Freund Simon.
Aber dann ist halt doch recht schnell und ganz unaufgeregt Schluss mit dem »Café ohne Namen«. Etwas verwundert ist man nach dieser Lektüre schon und berührt von einer Gesellschaft, die sich trotz des Aufbruchs, der im Hintergrund heranrauscht, auf eine Stille Botschaft verständigt hat: »Am besten ist, man sucht sich ein schattiges Platzerl im Leben und hält still.«
Robert Seethaler, »Das Café ohne Namen« (claasen), € 24,–