Simone Buchholz´neuer Roman »Unsterblich sind nur die anderen«

Halb zog sie ihn, halb sank er hin

Simone Buchholz
Simone Buchholz, Foto: Gerald von Foris
Mit ihren Chastity-Riley-Krimis hat Simone Buchholz das große Publikum erobert. Man erkennt sie schon nach wenigen Sätzen an ihrem feinen Sound und der leisen Ironie, die da stets mitschwingt. Das zeichnet auch ihren neuen Roman aus, der garantiert kein Krimi ist, obwohl der Titel passen würde. Er heißt »Unsterblich sind nur die anderen« (Suhrkamp) und erzählt eine ziemlich verrückte Geschichte über ein Buddelschiff, zwei Freundinnen und die Liebe

So richtig gut geht es nie aus und das liegt auch daran, dass die Geschichten von Simone Buchholz eher von der schlimmeren Sorte sind. Aber bei ihrem neuen Roman ist das schon deshalb nicht ganz so wild, weil er über weite Strecken auf einem Buddelschiff spielt, das die Erzählerin in einem Laden im Hamburger Hafen entdeckt. Es ist keines dieser kitschigen historischen Dreimaster, sondern eine eher profane Nordatlantikfähre ohne großen Luxus. Als die Erzählerin es wagt, den Korken von der Flasche mit dem Schiff zu ziehen, beginnt eine fantastische Reise, wie man sie in der deutschen Literatur sonst aus der klassischen Balladendichtung, aus Märchen und Sagen kennt.

Die Freundinnen Iva und Malin sind auf dem Weg zu einer Fähre nach Island, nachdem Malins Freund spurlos verschwunden ist, seit er selbst auf der »Rjúkandi« eincheckte. Dass dort nicht alles mit rechten Dingen zugeht, zeigt sich schnell. Die Crew ist ungewöhnlich jung und verbreitet einen Glanz, der nur durch die Erhabenheit des Kapitäns noch getoppt wird. Eine seltsam wandelbare Schönheit ist die Barfrau, der Bordmusiker kann mit seinen Songs »ganze Welten voller verlorengegangener Herzen« erwecken, und alle verbringen ihre Freizeit auf dem Zwischendeck beim Segeln. Als Iva und Malin schließlich erfahren, was es damit auf sich hat und wer auf diesem Traumschiff wirklich das Kommando führt, sitzen sie plötzlich ausweglos in der Falle.

Simone Buchholz hat die Rahmenhandlung durch Auszüge aus dem Schiffstagebuch des Kapitäns ergänzt, in kurzen Zwischenrufen verhandeln die Wassergöttinnen Leukothea und Lí Ban die Geschehnisse, der Showdown kündigt sich durch ein Theaterstück in drei Akten an und mündet, nach einem kleinen Intermezzo in der »Bundestagsbadewanne«, in einer Katastrophe. Nur der Kapitän und Iva überleben und sind für eine kurze Ewigkeit ein Liebespaar. Wie heißt es in Goethes berühmter Ballade »Der Fischer« so schön, in der eine Nixe einen Angler bezirzt: »Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm; / Da war‘s um ihn geschehn; / Halb zog sie ihn, halb sank er hin / Und ward nicht mehr gesehn«. So ist es hier auch, nur dass die Heldin am Ende noch einmal als Retterin zum Einsatz kommt. Und dann war das alles viel zu schön, um wahr zu sein. Buddelschiff ahoi!

Simone Buchholz, »Unsterblich sind nur die anderen«, Suhrkamp, € 18,-


29.10.2022 | Jürgen Abel