Virginie Despentes Roman »Liebes Arschloch«
»Du bist wie eine Taube«
Virginie Despentes, Foto: JF PAGAn
Nach einem verunglückten Instagram-Post von Oscar, dreiundvierzig, Schriftsteller, der mit seinem zweiten Roman hadert, erhält er eine E-Mail von Rebecca. Die Schauspielerin ist über fünfzig und immer noch recht gut im Geschäft. Nach der Anrede »Liebes Arschloch« stellt sie ganz lapidar fest: »Du bist wie eine Taube, die mir im Vorbeifliegen auf die Schulter kackt. Das ist dreckig und sehr unangenehm.« Eigentlich ist das noch eine freundliche Beschreibung, nach dem Post von Oscar, diesem »Honk«, der sich erlaubt hat, sie als »schmuddeliges Weibstück« zu bezichtigen. Doch es kommt noch sehr viel dicker, denn Oscar ist auch in einen #MeToo-Skandal verstrickt, den die Radikalfeministin und Social-Media-Aktivistin Zoé losgetreten hat. Schon in den kurzen Zitaten aus dem Buch liegt alles, was man von Virginie Despentes nach ihren vorangegangenen Büchern erwartet, es geht um Gewalt und Sex, es geht um Widerstand und Feminismus – um große Themen der Gegenwart. Und »Liebes Arschloch« erweist sich tatsächlich auch als ein »Pageturner mit Knalleffekt« (»Der Standard«), denn es endet ganz unvermutet nicht ganz so unversöhnlich wie man es erwarten würde.
Virginie Despentes, »Liebes Arschloch«, Kiepenheuer & Witsch, € 24,–
28.03.2023 | Jürgen Abel