Der neue Roman von Wolf Haas

Eine vertrackte Angelegenheit

Wolf Haas, Foto: Heike Huslage-Koch
Mit dem wunderbar schrägen Coming-of-Age-Roman »Junger Mann« und einer großen »Verteidigung der Missionarsstellung«, die von einem aussichtslosen Kampf gegen die Liebe erzählt, hat er längst bewiesen, dass er auch anders kann. Doch bekannt wurde Wolf Haas mit seinen Krimis um den Ermittler Simon Brenner. Sie gehören zum Besten, was das Genre in der deutschsprachigen Literatur in den letzten Jahrzehnten hervorgebracht hat. Daran knüpft er mit seinem neuen Roman »Wackelkontakt« (Hanser) insofern an, als dass es sich vom funkenschlagenden Kurzschluss zum Auftakt bis zum finalen Klingeln des Elektrikers am Ende um einen waschechten Mafia-Krimi handelt. Nur, was heißt das schon bei einem Autor wie Wolf Haas?

Es beginnt damit, dass ein gewisser Franz Escher zu Hause in Wien auf dem Sofa liegt und liest. Er wartet auf einen Elektriker von »Elektro Janko«, weil eine Steckdose in seiner Küche repariert werden muss. Sie hat einen Wackelkontakt. Dieser Escher ist kein Verwandter des Künstlers M.C. Escher, sondern ein Trauerredner, aber dass es da eine gewisse Koinzidenz gibt, ist schon nach dem ersten Satz klar. M.C. Escher wurde berühmt mit Darstellungen perspektivischer Täuschungen, und der Trauerredner Franz Escher ist einer, der von genau zwei großen Leidenschaften erfüllt ist: Er liest gerne Bücher über die Mafia, und er ist puzzlesüchtig, seit er zu seinem 19. Geburtstag von der sehr von ihm angehimmelten Martine ein Puzzle mit einem Bild von M.C. Escher geschenkt bekommen hat. Dieses Puzzle zeigt zwei Hände, die sich auf verblüffende Weise gegenseitig zeichnen – und genau diesen Effekt setzt Wolf Haas in seinem Roman literarisch um.

Er selbst bezeichnet das auch als »Zweitaktmotor«. Der funktioniert so, dass dieser Franz Escher in einem Buch über den Mafia-Kronzeugen Elio Russo liest. Elio sitzt im sichersten Gefängnis des Landes und ist sich trotzdem sicher, dass er »für die siebenundzwanzig Bosse, die er ans Messer geliefert« hat, bald selbst umgelegt werden wird. Nachts traut er sich deshalb vor lauter Angst nicht zu schlafen und liest in einem Buch, genaugenommen entziffert er es mit einem Wörterbuch, denn es ist auf Deutsch. Es handelt von dem Trauerredner Franz Escher, der gerade auf einen Elektriker von »Elektro Janko« wartet.

Im ersten Teil des Romans entwickelt sich die Geschichte unter dem Titel »OFF« noch einigermaßen aufgeräumt und übersichtlich aus den beiden Perspektiven weiter. Der Mafia-Kronzeuge Elio beginnt, soviel darf man noch verraten, erfolgreich ein neues Leben, während Franz Escher in Wien zwar zum Puzzle-Großmeister wird, sein Leben sonst aber eine eher »traurige Angelegenheit« ist, bis endlich der Elektriker an seiner Tür klingelt und kurz darauf durch eine Unachtsamkeit von Escher tot in der Küche liegt. Damit läuft die Geschichte dann völlig aus dem Ruder, denn der Tote ist der Mafia-Kronzeuge Elio Russo, der bisher die Geschichte von Escher erzählt hat. Natürlich geht es im zweiten Teil des Romans unter dem Titel »ON« trotzdem weiter, Wolf Haas gelingt es sogar noch, die Spannungsspitzen bis zum Finale in immer weitere Höhen zu treiben. Ein Verwirrspiel und ein großer Spaß bis zum unheimlichen Finale mit 8.000 Puzzleteilen.

Wolf Haas, »Wackelkontakt«, Hanser, € 25,–

28.01.2025 | Jürgen Abel