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Dienstag 19.09.2023
Lesung mit Robert Seethaler
Ein schattiges Plätzchen
Robert Seethaler, Foto: Urban Zintel
Das Angebot in diesem Café in der Wiener Leopoldstadt am Karmelitermarkt ist überschaubar, und eigentlich ist es noch nicht einmal ein richtiges Café. Doch die Menschen aus dem Viertel kommen hier trotzdem zusammen, und sie erzählen ihre Geschichten. Einen richtigen Plot gibt es in dem neuen Roman von Robert Seethaler nicht, und das Thema lässt auch dann noch vieles offen, wenn man es auf eine Milieustudie in der Wiener Nachkriegszeit herunterbricht. Dennoch ist »Das Café ohne Namen« (claassen) ein berührender Roman, das liegt vor allem an der Sprache, die in ihrer Kargheit einen ganz eigenen Sog entwickelt. Robert Seethaler stellt seinen Roman zum Harbour Front Literaturfestival im Deutschen Schauspielhaus vor.
Sein Roman »Ein ganzes Leben« (2014) war ein Weltbestseller, und auch »Das Feld« (2018) stand für Wochen ganz oben in den Charts. In seinem etwas weniger erfolgreichen Roman »Der letzte Satz« (2020) hat Robert Seethaler den Komponisten Gustav Mahler auf einer Seereise nach New York begleitet, »Das Café ohne Namen« (claasen) spielt nun im Wien des Jahres 1966 und steht wieder seit Monaten in den Bestsellerlisten. Der Gelegenheitsarbeiter Robert Simon ist auf der Suche nach etwas, »das seinem Leben eine entscheidende Bekräftigung« geben kann. Er findet sie in einem Marktcafé am Karmelitermarkt, das keinen Namen hat und von Simon eher als Wirtshaus betrieben wird. Es gibt nicht viel mehr als Kaffee, Limonade, Bier und Wein, Schmalzbrot, Gurken und Salzstangen. Später kommt im Winter noch Punsch dazu, eine Idee von Mila, die Simon bald als Bedienung beisteht.
Allzu viel passiert in diesem Café selten, während die Jahre an Simon, Mila, ihren Gästen und all ihren Geschichten vorbeiziehen. Die Rose Gebhartl trinkt ihren »Tee Zitron«, der Georg seinen Hausbrand im großen Glas, und dann brennt auf einmal der Markt und im Keller platzt der Heizkessel. Trotzdem ist es gut, wie es ist. »Und es wird immer noch besser«, verspricht der Fleischermeister von gegenüber seinem Freund Simon. Aber dann ist halt doch recht schnell und ganz unaufgeregt Schluss mit dem »Café ohne Namen«.
Etwas verwundert ist man nach dieser Lektüre schon und berührt von einer Gesellschaft, die sich trotz des Aufbruchs, der im Hintergrund mächtig heranrauscht, auf eine stille Botschaft verständigt: »Am besten ist, man sucht sich ein schattiges Platzerl im Leben und hält still.«
Harbour Front Literaturfestival im Deutschen Schauspielhaus Hamburg, Kirchenallee 39, 20.00 Uhr, € 9,– bis 35,–