Dienstag 06.10.2015


Lesung mit Clemens J. Setz

„Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“




„Nur lesen und nie schreiben, das ist wie geküsst werden, ohne selbst küssen zu dürfen,“ hat Clemens J. Setz kürzlich in einem Interview für die „Süddeutsche Zeitung“ erklärt und damit sein eigenes Schreiben begründet. Erst mit 16 habe er, nachdem er wegen einer Sehstörung seine Leidenschaft für Ballerspiele am Computer nicht mehr weiterverfolgen konnte, im Lesen eine Ersatzdroge gefunden, durch die er schließlich zu einem manisch Schreibenden geworden sei. Dass er sich manchmal in Hotels „im Bademantel neben eine Topfpflanze stellt und den anderen Gästen zuschaut“, hat er in dem Interview auch erzählt. Und dass er „eintönige, intime, repetitive Geräusche“ liebt.

Diese etwas schrägen Selbstbeschreibungen gehören zur Inszenierung von Setz, doch man feiert ihn nicht deshalb als Wunderkind und Genie der deutschsprachigen Literaturszene, sondern wegen seines schon jetzt umfangreichen Werkes. Der 32-jährige Schriftsteller aus Graz hat inzwischen vier Romane, einen Gedicht- und einen Erzählband veröffentlicht, 2011 wurde er für seinen Erzählband „Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes“ mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Sein Roman „Indigo“ stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2012 und wurde mit dem Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft 2013 ausgezeichnet. 2014 erschien sein erster Gedichtband „Die Vogelstraußtrompete“, und in diesem Jahr nun der 1000 Seiten umfassende Roman: „Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“, Suhrkamp Verlag. Von einer „faszinierenden Zumutung“ („taz“), einem „Roman, der den Gemütszustand verändern kann“ („SWR“) und „das Zeug zum Kulturoman“ hat („Die ZEIT“), schwärmte die Literaturkritik. Spielort ist die Villa Koselbruch, ein Wohnheim für behinderte Menschen, in dem die junge Natalie Reinegger zur Bezugsbetreuerin von Alexander Dorm wird. Der Mann sitzt im Rollstuhl und gilt als „schwierig“. Dennoch erhält er jede Woche Besuch – ausgerechnet von Christopher Hollberg, jenem Mann, dessen Leben er vor Jahren zerstört haben soll, als er ihn als Stalker verfolgte und damit Hollbergs Frau in den Selbstmord trieb. Das Arrangement funktioniere zu beiderseitigem Vorteil, versichert man Natalie, die beiden seien einander sehr zugetan. Aber bald verstört die junge Frau die unverhohlene Abneigung, mit der Hollberg seinem vermeintlichen Freund begegnet. Sie versucht, hinter das Geheimnis des undurchschaubaren Besuchers zu kommen und die Motive seines Handelns zu verstehen. Wer vor der 1000-seitigen Lektüre über Macht und Ohnmacht, Sinnsuche und Orientierungsverlust, Unterwerfung und Liebe in allen Spielarten einmal reinhören will, geht ins Literaturhaus, wo Clemens J. Setz seinen Roman „Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“ vorstellen wird. Moderation: Richard Kämmerlings.

Veranstalter: Literaturhaus. Schwanenwik 38, 19.30 Uhr. Eintritt: 10.-/6.- Euro.






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