Mittwoch 12.04.2023


Lesung mit Michael Köhlmeier

So ein ganz schlauer

Michael Köhlmeier
Michael Köhlmeier, Foto: Peter-Andreas Hassiepen
Seine Prosa umfasst über 50 Bücher, er war zudem als Hörspielautor erfolgreich, hat die »Sagen des klassischen Altertums« nacherzählt und das »Nibelungenlied«, und ist ein großer Fan und Erfinder von Märchen. Nach seinem Opus Magnum »Matou«, in dem er auf tausend Seiten aus den sieben Leben eines Katers erzählt, ist Michael Köhlmeier mit seinem Coming-of-Age-Roman »Frankie« nun auf einem eher überschaubaren Spielfeld unterwegs. Doch es geht um ein universelles Thema, das am Beispiel eines Großvaters ausbuchstabiert wird, der gerade aus dem Knast entlassen wurde, und seines Enkelsohns. Es ist eine ziemlich böse Geschichte.
Michael Köhlmeier stellt seinen Roman im Lichthof der Staats- und Universitätsbibliothek vor. Moderation: Katrin Schumacher.


Der Kernsatz der Philosophie von »Matou«, dem so ganz und gar nicht freundlichen Katerchen aus Köhlmeiers letztem Roman, geht so: »Die Welt und die Natur bringen Arschlöcher hervor, das ist bekannt, das muss man akzeptieren, auch wenn man selbst eines ist, vor allem dann.« Doch heißt das gleichzeitig auch, dass man tun und lassen kann, was man will? Das ist die Frage, die in »Frankie« in einem vermeintlich ungleichen Duell zwischen Großvater und Enkelsohn durchgespielt wird.
Der fast vierzehnjährige Frank Thaler lebt sehr behütet und gleichzeitig etwas vernachlässigt bei seiner Mutter in Wien. Die ist Schneiderin in der Wiener Volksoper und oft nicht zu Hause, womit der kluge Frank aber überhaupt kein Problem hat. Er kocht gern und vertreibt sich »prima die Zeit«, indem er über Wörter nachdenkt: »Schicksal, Papa, Vater und so weiter, Wörter gibt es massenhaft, fast so viele wie der sprichwörtliche Sand am Meer«. Doch dann platzt sein Großvater in das beschauliche Leben.
Nach 18 Jahren hat man ihn aus dem Knast entlassen, ein Schwerverbrecher, charismatisch, übergriffig und direkt. Er erkennt sofort, dass sein Enkelsohn so ein ganz Schlauer ist, der manche Antwort schon weiß, bevor die Frage auch nur ausgesprochen ist, und erklärt ihm, dass es genau darauf absolut nicht ankommt. Es sei schlicht nicht so wichtig, »warum einer tut, was er tut«. Sein brachiales Lebensprinzip lautet: »Wir tun etwas. Fertig. Wir tun es, weil wir es tun. Und sogar das ist falsch. Weil und Warum gehören zusammen wie Trinken und Durst. Also kannst du beide Wörter streichen. Wir tun. Fertig.«
Damit lässt sich alles entschuldigen und entsprechend schnell befindet sich der Großvater wieder auf jenen Abwegen, die ins Verderben führen. Sein Enkelsohn Frank, dem er den Spitznamen Frankie gibt, ist anfänglich tief abgestoßen und bald doch verführt. Für das Böse gibt es kein Motiv und mit Moral ist ihm nicht beizukommen, aber wir treffen eine Entscheidung dafür oder dagegen. Am Ende dieser furiosen Roadnovel, die sich streckenweise liest wie ein Thriller, erlebt Frankie eine Initiation ganz nach dem Geschmack seines Großvaters und mit einer kleinen Damenpistole in der Hand.

»High Voltage« – Frühjahrslesetage in der Staats- und Universitätsbibliothek, Von-Melle-Park 3, 19.30 Uhr, € 12,–/8,–






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