Dienstag, 16.02.2016


Lesung mit Karen Duve

Und heute noch ein Birkenbäumchen

Karen Duve
Karen Duve, Foto: Kerstin Ahlrichs
„Die Welt wird nicht untergehen, die Menschheit nicht aussterben“ hat Sibylle Berg kürzlich in einer ihrer Kolumnen festgestellt, nur um gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass auch der Weltfrieden in weiter Ferne ist. Das Problem sei „der Mensch, der in allen Facetten des Irrsinns hergestellt wird“. Mit der Einschränkung, dass sich der Irrsinn auf Männer eingrenzen lässt, würde Karen Duve ihr da sicher zustimmen, wobei der Weltuntergang für die engagierte Schriftstellerin gleich um die Ecke wohnt. Und sie ist sauer auf den Kerl, sogar stinksauer.

In einer „Brandrede“ („FAZ“), die unter dem Titel „Warum die Sache schiefgeht“ (Galiani Berlin) 2014 erschienen ist, hat Karen Duve in großem Furor erklärt, wie „Egoisten Hohlköpfe und Psychopathen“, diese mächtigen Alphatiere in den Chefetagen, uns durch ihre Risikobereitschaft, ihr ungebrochenes Gewinnstreben und Durchsetzungsvermögen in Zeiten des Klimawandels, des Artensterbens und der Überbevölkerung um die Zukunft bringen. Auch wenn man die „ethische Leichtfertigkeit, Geldgier und Machtversessenheit“ von Männern durch eine fünfzigprozentige Frauenquote aufbricht, sieht Karen Duve keine Chance, den Untergang aufzuhalten. Schließlich liegt es in der Natur der Männer, die Macht sofort wieder an sich zu reißen, um den Karren dann doch in den Dreck zu fahren. Und genau so, wie sie das in ihrem Essay vorwegnimmt, passiert es jetzt auch, zwar vorerst noch nicht im wirklichen Leben, aber in ihrem soeben neu erschienenen Roman „Macht“, der ihre Theorie um eine böse Dystopie erweitert.

In sehr naher Zukunft haben die Frauen alle politische Macht übernommen, Superstürme jagen über die Norddeutsche Tiefebene, die Menschen werden durch persönliche CO2-Kontigente zum Maßhalten gezwungen, doch das Ende ist nicht mehr aufzuhalten. Nur, wahrhaben will das kaum jemand. Die Menschen sind in ihrer Hybris gefangen, ein Verjüngungsmittel erlaubt sogar Greisen, sich in die „Chrono-Jugend“ zu retten, dubiose Sekten treiben ihr Unwesen, während sich still und heimlich schließlich auch noch ein Aufstand der Männer gegen die vernunftbegabteren und deshalb mächtigeren Frauen formiert. Erzählt wird uns davon von einem Kerl namens „Basti“, der weiß vom Weltuntergang, nimmt die Sache auch irgendwie ernst, hat jedoch ganz andere Sorgen. Nachdem seine karrierebewusste Frau Christine sich eines Tages von ihm trennte, hat er sie kurzerhand in den Keller gesperrt und erklärt, sie sei verschwunden. Jetzt muss sie ihm als Gespielin für seine sadistischen Allmachtsphantasien gefügig sein und „Spitzbuben“ backen, seine Lieblingskekse. Basti, der in seinem Umfeld einen tadellosen Ruf genießt, ist das Paradebeispiel eines Psychopathen, dem jedes Maß verloren gegangen ist. Als er bei einem Klassentreffen seine erneut aufflammende Jugendliebe Elisabeth wiedertrifft, gerät er in einen Liebestaumel, der ihn am Ende schwer straucheln lässt. Und doch geht die Sache für alle irgendwie halbwegs gut aus, sofern man davon absieht, dass die Welt untergeht.

Während Karen Duve in ihrem Essay noch verantwortungsvolle Menschen findet, die nur dem Fehlverhalten von Männern ausgesetzt sind, wird in ihrem Roman nicht einmal mehr den Kindern Unschuld zugebilligt. „Macht“ erzählt von einer zutiefst korrumpierten Gesellschaft, die jedes Maß verloren hat. Unerbittlich und radikal rechnet Karen Duve mit den Helden wie den Heldinnen dieser gierigen Welt ab. Sogar die arme Christine, die von dem irren Basti doch ständig schwer misshandelt wird, mag man am Ende in ihrem Ehrgeiz nicht mehr leiden. Dennoch bleibt dieser an Klischees sowie an Spott und Ironie über die allgegenwärtige Bereitschaft zu freiwilliger Selbstverblödung reiche Roman spannend bis zum bitteren Ende. „Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, ich würde heute noch ein Birkenbäumchen pflanzen,“ erklärt der sadistische Basti eines Tages ganz ernsthaft, nachdem ein Sturm so radikal gewütet hat, dass manche Straßenzüge aussehen „wie nach dem Zweiten Weltkrieg“. Daran darf sogar seine Christine in ihrer Isolationshaft im Keller teilhaben, allerdings nur durch „einen tragbaren Fernseher (noch mit Antenne!)“.

Karen Duve stellt ihre radikale Endzeitvision im Literaturhaus vor. Moderation: Thomas Böhm.

Veranstalter: Literaturhaus. Schwanenwik 38, 19.30 Uhr. Eintritt: 12.-/8.- Euro.


Abbas Khider
Abbas Khider, Foto: Peter Andreas Hasspiepen
Lesung mit ‚Abbas Khider

„Ohrfeige“

Schon der Debütroman „Der falsche Inder“ (2008) von Abbas Khider wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis, und auch die Literaturkritik war voll des Lobes für das Erstlingswerk des 1973 in Bagdad geborenen Schriftstellers. Es folgten die ebenfalls vielgelobten Romane „Die Orangen des Präsidenten“, „Brief in die Auberginenrepublik“ und in diesem Februar der Roman „Ohrfeige“ (Hanser Verlag).
Abbas Khider stellt seinen neuen Roman bei Cohen + Dobernigg am 16. und 17. Februar vor. Bitte beachten Sie, dass die Veranstaltung am 17. Februar ausverkauft ist.


Abbas Khider ist als 19-Jähriger im Irak wegen politischer Aktivitäten gegen das Regime Saddam Husseins verhaftet worden, er verbrachte zwei Jahre im Gefängnis, kam 1996 frei und fand, nach einer Odyssee als illegaler Flüchtling durch verschiedene Länder schließlich im Jahr 2000 in Deutschland Asyl. Er studierte in München und Potsdam Literatur und Philosophie und hat in der deutschen Sprache, wie er in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ erklärte, eine neue Heimat gefunden. In seinem Roman „Ohrfeige“ erzählt Abbas Khider nun die Geschichte einer Flucht, die ganz anders verläuft und doch alltäglich ist: Karim betritt die Ausländerbehörde, um ein letztes Mal seine zuständige Sachbearbeiterin aufzusuchen. Er ist wütend und hat nur einen Wunsch, dass ihm endlich jemand zuhört. Als er drei Jahre zuvor von der Ladefläche eines Transporters ins Freie springt, glaubt er in Frankreich zu sein. Bis dorthin hat er für seine Flucht aus dem Irak bezahlt. In Wahrheit ist er mitten in der bayerischen Provinz gelandet. Er kämpft sich durch Formulare und Asylunterkünfte bis er plötzlich seinen Widerruf erhält und abgeschoben werden soll. Jetzt steht er wieder ganz am Anfang.

Veranstalter: Cohen + Dobernigg Buchhandel. Sternstr. 4, 21.00 Uhr. Eintritt: 8.- Euro.


Lesung

„Jägerschlacht“

Offener Poetry Slam. Lesezeit: 5 Minuten. Lesen kann, wer sich kurz vor der Veranstaltung in die Leseliste eintragen lässt.

Veranstalter: Kampf der Künste. Ort: Grüner Jäger, Neuer Pferdemarkt 36, 20.30 Uhr. Eintritt: 4.- Euro.


Literatur in Hamburg