Montag, 10.02.2020


Lesung mit Regina Porter

Shakespeare und der Durchschnittsmensch

Regina Porter
Regina Porter, Foto: Liz Lazarus
Sie glaubt an Hamlets Jugendfreunde Rosenkranz und Güldenstern so wie andere Kinder an den Weihnachtsmann. Kein Wunder, dass Claudia Christie später Literaturwissenschaftlerin und Shakespeare-Forscherin wird. Der Grund dafür ist ihr Vater Eddie, der den Vietnamkrieg überlebt, aber mit dem Theaterstück »Rosenkranz und Güldenstern sind tot« von Tom Stoppard auch einen profunden psychischen Hau mit nach Hause bringt, durch den sein weiteres Leben stets begrenzt bleibt. Das ist eine zentrale Episode in dem wundervollen neuen Roman »Die Reisenden« (S. Fischer Verlag) der US-amerikanischen Schriftstellerin Regina Porter, einem weitläufigen Panorama der Zeitläufe, das Mitte des 20. Jahrhunderts einsetzt und bis in die Jahre der Präsidentschaft von Barack Obama reicht.

Nur einmal falsch abgebogen, schon nimmt das Schicksal dich in seine ungnädigen Arme, drückt sich an dich und nichts ist mehr wie zuvor. Das ist eine Erfahrung, die Agnes durch ihr Leben begleitet. Auf dem Rückweg von einem Familienbesuch gerät die junge Afroamerikanerin mit ihrem Verlobten Claude auf einer entlegenen Straße in eine Polizeikontrolle. Es ist eine schreckliche Falle, die beide nur mit Glück überleben und die ihr weiteres Leben prägen wird. Agnes heiratet nur kurz darauf den Soldaten Eddie Christie und bekommt mit ihm die beiden Mädchen Beverly und Claudia. »Wo sind die Münzen?«, das ist der erste vollständige Satz, den die kleine Claudia sagen lernt, nachdem ihr Vater bei einem Urlaub von seinem Einsatz in Vietnam zum Einschlafen immer aus dem Theaterstück »Rosenkranz und Güldenstern sind tot« von Tom Stoppard vorgelesen hat. Die beiden Hauptfiguren Ros und Gül stolpern in dem Stück ziemlich unbeholfen durch die Geschichte rund um Hamlet. Sie sind pausenlos damit beschäftigt, sich die Zeit zu vertreiben, zum Beispiel mit Münzenwerfen. Für Eddie wird das Theaterstück zu einer Obsession, durch die er den Krieg überlebt, und für seine Tochter Claudia sind Shakespeare und der Durchschnittsmensch später ihr »Geschäft« als Dozentin an der Universtität. Verheiratet ist sie mit Rufus, einem Joyce-Forscher, der dem zweiten Familienverband des Romans angehört.
Dennoch sind »Die Reisenden« viel mehr als ein Familienroman. Kunstvoll hat Regina Porter ihr Figurenensemble aus über 30 Personen in ein sehr zeitgemäßes, multiperspektivisches Panorama eingebunden, es gewährt eine Innenansicht, nämlich dann, wenn die Figuren von sich selbst und von den kleineren und größeren Dramen ihres Lebens erzählen, und eine Außenansicht, für die Interviews, Briefe, berichtende Passagen und durchgängig auch Fotos eingeflochten sind. Das dramaturgische Grundgerüst des meisterhaft komponierten Romans bildet eine unerfüllt bleibende Liebesbeziehung, die sich zu Anfang andeutet und erst auf den letzten Seiten aufgelöst wird. »Die Reisenden« sind ein intelligent gemachter, gut erzählter und sehr pannender Roman. Wie oft kann man mit dieser noblen Trias schon ein Buch zur Leempfehlen?

Buchhandlung & Antiquariat Lüders, Heußweg 33, 20.00 Uhr, € 8,–


Lesung und Konzert

»Teure Freundin«

Maria Hartmann und Volker Lechtenbrink lesen aus dem Briefwechsel zwischen Peter Tschaikowsky und Nadeshda von Meck, musikalisch begleitet von der Pianistin Irina Kolesnikova.

Ernst-Deutsch-Theater, Friedrich-Schütter-Platz 1, 20.00 Uhr, € 27,–


Offene Werkstatt

Buchdruck

Die Offene Werkstatt hat eine lange Tradition und ist besonders beliebt bei allen, die das Museum bei der Arbeit erleben wollen. Ehemalige Setzer und Drucker sowie angelernte Kolleginnen und Kollegen geben einen Einblick in ihren früheren Arbeitsalltag im Grafischen Gewerbe und helfen bei der Herstellung eigener kleiner Drucksachen.

Museum der Arbeit, Wiesendamm 3, 18.00 bis 21.00 Uhr, Museumseintritt plus Materialkosten


Ausstellung

»Zwei Menschen – Richard und Ida Dehmel in Hamburg«

Hermann Peter Piwitt
Der Schriftsteller Richard Dehmel und seine Frau Ida im Nietzsche-Archiv, 1905, Foto: Louis Held
Richard und Ida Dehmel waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts das strahlende Künstlerpaar Hamburgs. Der berühmte, von vielen Komponisten vertonte Dichter und die schillernde, sich zunehmend für Frauenrechte einsetzende Muse waren jedoch mehr als die modernen, unkonventionellen Liebenden. Vom 16. Januar bis zum 22. März zeigt die Staats- und Universitätsbibliothek im Ausstellungsraum im Erdgeschoss anlässlich des 150. Geburtstags von Ida und des 100. Todestags von Richard Dehmel eine Ausstellung über das Künstlerpaar.

Richard und Ida Dehmel waren das Zentrum eines sie umgebenden, gezielt errichteten Gesamtkunstwerks: Von der präzise realisierten Buchgestaltung und Ausstattung von Dehmels Werken bis hin zur Bekleidung Idas nach Dehmels eigenen Entwürfen; von der kalligraphischen Dehmelschen Dichterhandschrift bis hin zum poetischen Dialog mit anderen Autoren der Zeit. In ihrem nicht minder zum Gesamtkunstwerk tendierenden Haus, dessen Verwirklichung im großen Ganzen wie im kleinen Detail sich dem Zusammenspiel namhafter Künstler verdankt, trafen sich die großen Zeitgenossen aus Literatur, Musik, Kunst und Kultur. Das Netzwerk der Dehmels offenbart sich noch heute in ihrem enormen Briefwechsel und in den Dokumenten des Dehmel-Archivs.
Anlässlich des 150. Geburtstags von Ida und des 100. Todestags von Richard Dehmel beleuchtet die Ausstellung das Paar in verschiedenen Konstellationen und Spiegelungen. Ausgehend von Richard Dehmels Roman in Romanzen Zwei Menschen zeigt sie nicht nur, wie Ida und Richard Dehmel sich ineinander spiegelten, sondern auch wie sie sich selbst und sich in anderen Personen reflektierten. In diesem Spiegel-Mosaik wird ein komplexes Kaleidoskop von Beziehungen und Querverbindungen sichtbar, das die »zwei Menschen« einbettet in den zeitgenössischen ästhetischen und kulturellen Kontext der Stadt.

Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky, Von-Melle-Park 3, Ausstellungsraum m Erdgeschoss, Öffnungszeiten: täglich 9.00 bis 24.00 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Literatur in Hamburg