Dienstag 03.05.2016
Heinz Strunk liest „Goldener Handschuh“
Lokaltermin mit Fiete
Heinz Strunk, Foto: Dennis Dirksen
In seinen bisherigen Romanen hat Strunk, der auch als Musiker und Entertainer sehr erfolgreich ist, vor allem aus seinem eigenen Leben erzählt, in seinem Debüt, dem Bestseller „Fleisch ist mein Gemüse“, von einem Musiker, der mit einer Tanzkapelle durch Norddeutschland tingelt. Skurrile und dabei doch sehr treffende Milieubeschreibungen sind das Markenzeichen seiner Literatur. In seinem neuen Roman leuchtet er die Nachtseite Hamburgs in den 1970er Jahren aus – und damit eine nicht allzu lange nach dem Krieg und der Nazi-Diktatur verrohte Gesellschaft.
Fritz „Fiete“ Honka hat Anfang der 1970er Jahre im Goldenen Handschuh einen Stammplatz. Wer sich in einer klammen Märznacht spät abends am Hamburger Berg in eine der durchgehend geöffneten Kaschemmen verirrt, wird auch heute noch solche treffen, wie die, mit denen er sich dort ständig bis zur Besinnungslosigkeit besäuft. Damals sind ihre Namen Fanta-Rolf, Soldaten-Norbert, Tampon-Günter, Doornkaat-Willy oder Ritzen-Schorsch, Inge, Gertrud, Gisela. Die Doppelnamen muss man sich verdienen, die sind eine Auszeichnung, so wie der Spitzname Fiete, jedenfalls denkt sich Fritz Honka das so zurecht, und dass er was Besonderes ist: „So was denkt er öfter“ auch. Fritz Honka wird tatsächlich als Albtraum-Mann, als Inbegriff des grausamen Mörders berühmt. Seine Opfer sind ältere, wehrlose Frauen Alkoholikerinnen, die er im Goldenen Handschuh
abschleppt, tage- und wochenlang misshandelt. Wenn er sie dann satt hat, erdrosselt er seine Opfer, zerstückelt die Leichen und versteckt sie in einer Abseite seiner Wohnung. Heinz Strunk lässt all das nicht aus, er erzählt von den Morden, von den „Anbahnungen“, vom „Vernichtungstrinken“, von dieser fatalen Sprachlosigkeit am untersten Rand der Gesellschaft, in dem sich das abspielt.
Doch im Handschuh stürzen auch ganz andere Leute ab, zum Beispiel der Reedersohn WH3. Heinz Strunk verbindet die Geschichte des Frauenmörders Honka in seinem Roman mit Berichten aus der obersten Etage der Hamburger Gesellschaft, wo man „von Dohren“ heißt, „von Lützow“ oder „Thiessen“. So viel zivilisierter als unter den Fietes dieser Welt, geht es dort nicht zu. Und im Goldenen Handschuh sind sie sowieso alle gleich, ob Reeder oder Nachtwächter, die Hoffnung auf ein bisschen Glück lassen sie dort alle für den großen Suff fahren. Und werden, ganz gleich wie sie heißen, gestraft durch die Erbärmlichkeit, in die der Suff sie entlässt.
Der Ausblick, den Heinz Strunk in seinem Roman dann gibt, ist fast schon versöhnlich: Rolf Bossi, ein Staranwalt, übernimmt 1976 die Verteidigung von Fritz Honka, der wegen Mordes in einem Fall und Totschlag in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt wird. Er stirbt nach Verbüßung seiner Haftstrafe 1998 in der Psychiatrie in Ochsenzoll. Der Albtraum ist irgendwie in einer zivilisierteren, einer humaneren Welt angekommen, in der es Richter gibt, Gefängnisse, Heime, Psychologen, Therapeuten – und Romane wie „Der goldene Handschuh“ von Heinz Strunk, die eine ganz eigene Sprache für das Unsagbare finden, für einen wie diesen Fritz Honka und diese erbärmlich kalte und gefühllose Welt, in der er groß werden musste
Hamburger Volkshochsuhle und Bücherhalle Harburg, Eddelbüttelstr. 47a, 20.00 Uhr, 10.- Euro.