Mittwoch, 07.06.2023
Lesung mit Helga Schubert
Die weiten blauen Fernen
Helga Schubert, Foto: Renate von Mangold
Bekannt wurde Helga Schubert schon 1975 mit dem Erzählband »Lauter Leben«, der in der DDR im Aufbau Verlag erschienen ist, das große Lesepublikum in Westdeutschland erreichte sie Anfang der 1980er Jahre mit dem vielgelobten Band »Das verbotene Zimmer« (Luchterhand). Für die Lakonie und Treffsicherheit ihrer literarischen Miniaturen aus meist nur wenigen Seiten wurde sie auch damals schon gefeiert, euphorisch schwärmte ihre Kollegin Sarah Kirsch: »Profession und Talent haben sie mit Über-Blicken über das Leben der Menschen ausgerüstet.« Auch in der Folge veröffentlichte Helga Schubert noch Erzählbände, Kinderbücher, Theaterstücke und Filmszenarien. In den letzten zwanzig Jahren lebte sie dann zurückgezogen in einem Dorf zwischen Wismar und Schwerin, bis der Trubel um den Bachmann-Preis und der »märchenhafte Erfolg« (Volker Weidermann) ihres Erzählbandes »Vom Aufstehen« sie zurück in die literarische Öffentlichkeit katapultierte. Zum gefeierten Bestseller wurde nun auch neues Buch »Der heutige Tag«, in dem sie von zwei »alten Liebesleuten« erzählt.
»Jede Sekunde mit dir ist ein Diamant«, sagt ihr Mann zu der Erzählerin und schiebt dann die Frage hinterher, ob es gerade morgens ist oder abends. Der schon seit Jahrzehnten emeritierte Professor für Psychologie ist weit über neunzig Jahre alt, er verliert immer wieder die Orientierung im Hier und Jetzt und ist vollständig von der Hilfe seiner Frau abhängig. Dennoch sind die Eheleute sich auch nach 58 gemeinsamen Jahren innig verbunden. Helga Schubert erzählt ohne jedes Pathos aus dem gemeinsamen Alltag, und es gehört zur großen Kunst dieser Erzählerin, dass das kleine Glück einer singenden Amsel ebenso selbstverständlich in den Kanon des Textes findet wie Windeln, Blasenkatheter, Rollstuhl und Babyfon. Nach und nach entfaltet sich die gemeinsame und die eigene Vergangenheit in den letzten Jahrzehnten, vom ersten Kennenlernen an der Universität über die Jahre in Berlin, die Selbstfindungsprozesse und Neuorientierungen in der Lebensmitte bis zu den tastenden Fragen danach, was passiert, wenn es so nicht mehr weitergeht. Es ist ein Ereignis, wie schonungslos offen Helga Schubert erzählt und wie sich die kleinen Episoden dieses Stundenbuchs zum Bild eines Lebens zusammenfügen, das von einer großen Zuversicht getragen wird und dem Glauben an die »weiten blauen Fernen«, die Franz Schubert in seinem »Nachtgesang« anstimmt, in denen die Liebe »ein süßes Licht« ist.
Literaturhaus, Schwanenwik 38, 19.30 Uhr, € 12,–/8,–, Streaming € 6,–
Leseshow und Hafenrundfahrt
»20 Jahre Frau Hedi«
Die drei literarischen Pragmatiker Sven Amtsberg, Alexander Posch und Michael Weins laden aufs »Schischiboot« und zu einer »literarischen Tauchfahrt« mit »Grabe- und Tauchgeschichten«.Barkasse Frau Hedis Tanzkaffee, Landungsbrücke 10, Innenkante, 19.00 bis 22.00 Uhr, € 15,– (AK), € 13,– (VVK)
Buchpräsentation
»On Air«
Peter Urban präsentiert seine »Erinnerungen an mein Leben mit der Musik«.Buchhandlung Klauder in der Cantatekirche, Duvenstedter Markt 4, 20.00 Uhr
Musikalische Lesung
»Ein Schiff kommt nach Hause«
In einer musikalischen Lesung mit Sofortmalerei zu den Texten präsentieren die Schauspieler Stephan Möller-Titel und Jochen Klüßendorf und die Bildkünstler Jan Helbig und Matthias Kulcke den Roman »Das Vaterland« von Heinz Liepman.Acht Wochen nach der Machtübernahme durch die Nazis kehrt der Ich-Erzähler von einer mehrmonatigen Seereise ins veränderte Deutschland zurück. Er beschreibt faktengetreu, was sich allein in dieser kurzen Zeitspanne alles verändert hat: Freundschaften funktionieren nicht mehr, es gibt plötzlich Unpersonen und gänzlich Recht- und Wehrlose.
Der Schriftsteller, Dramaturg, Literaturagent und Antifaschist Heinz Liepmann wurde 1905 in Osnabrück geboren und ist in Hamburg aufgewachsen. Seine bis dahin erschienenen Werke standen auf der »Schwarzen Liste« der Autor:innen, deren Bücher 1933 verbrannt und verboten wurden. Liepmann wurde im Juni 1933 im KZ Wittmoor inhaftiert, konnte allerdings kurze Zeit später fliehen und sich nach Holland absetzen. Sein Roman »Das Vaterland« erschien Ende 1933 in Amsterdam. Dort wurde in am 12. Februar 1934 wegen eines Satzes in dem Roman verhaftet, der sich auf Paul von Hindenburg und den Osthilfeskandal bezog. Man warf ihm »Beleidigung des Staatsoberhauptes eines befreundeten Staates« vor und verurteilte ihn zu einem Monat Gefängnis. Nur internationale Proteste verhinderte die Auslieferung von Heinz Liepmann nach Deutschland, er wurde nach Belgien abgeschoben, reiste weiter nach Paris und emigrierte später in die USA. Erst 1947 kam er nach Hamburg zurück.
»Hamburg liest verbrannte Bücher« in Planten un Blomen, Musikpavillon, Parkeingang Rentzelstr./Ecke Tiergartenstr., 19.00 Uhr, Eintritt frei
Lesung und Konzert
»Von Salzburg nach Paris und zurück«
Klaus Maria Brandauer (Rezitation) und Sebastian Knauer (Klavier) präsentieren eine literarisch-musikalische Reise auf den Spuren des Lebens und Schaffens von Wolfgang Amadeus Mozart.Hauptkirche St. Michaelis, Englische Planke 1, 20.00 Uhr, ab € 53,–
Lesung
»Schattenelfen – Das eherne Wort«
Bernhard Hennen liest aus seinem Fantasy-Roman.Thalia Buchhandlung, Spitalerstr. 8, 20.15 Uhr, € 15,–
Preisverleihung
»Funkenflug«
Die Thomas Mann-Gesellschaft Hamburg verleiht zum zweiten Mal den Erika und Klaus Mann-Preis für junge Autor:innen. Er steht diesmal unter dem Motto »Funkenflug«. Im feierlichen Rahmen werden die Gewinner:innen und der neu erschienene Sammelband mit den besten Kurzgeschichten des Wettbewerbs vorgestellt.Thomas-Mann-Gesellschaft Hamburg im Schroedingers, Schröderstiftstr. 7, 18.00 Uhr, Eintritt frei
Lesung
»Über Vertonungen von Goethes Werther«
Vortrag von Bernhard JahnGoethe-Gesellschaft im Warburg-Haus, Heilwigstr. 116, 19.00 Uhr
Lesung
»Jägerschlacht«
Offener Poetry Slam. Lesezeit: 5 Minuten. Lesen kann, wer sich kurz vor der Veranstaltung in die Leseliste eintragen lässt. Moderation: Hannes Maaß.Grüner Jäger, Neuer Pferdemarkt 36, 20.00 Uhr, € 6,–
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Die weiten blauen Fernen
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