Dienstag, 04.10.2022


Lesung mit Dörte Hansen

Winde wehn, Schiffe gehen

Dörte Hansen
Dörte Hansen, Foto: Sven Jaax
Als großes Leseerlebnis wurde schon Dörte Hansens Debüt »Altes Land« gefeiert, es folgte der »fein mit Plattdeutsch abgeschmeckte« Roman »Mittagsstunde«, eine liebevolle Hommage an Nordfriesland und seine Menschen, der einen ganz großen Bogen von der Jungsteinzeit bis in die Gegenwart schlägt. Pünktlich zum Kinostart der Verfilmung von »Mittagsstunde« von Lars Jessen mit Charly Hübner in der Hauptrolle ist nun ihr dritter Roman: »Zur See« (Penguin) erschienen.

»Also, das macht man so, wie ihr das denkt«, lässt Dörte Hansen ihrer Fangemeinde über ein Interview für den NDR auf die Frage ausrichten, ob man nun zuerst den Film gucken soll und oder das neue Buch lesen. Und na klar läuft es darauf raus, dass es ja auch ganz schön wäre, für beides Zeit zu finden. Dem Film eilen schon seit Monaten Berichte und Interviews voraus. Das Drehbuch stammt von der Hamburger Autorin Catharina Junk, neben Charly Hübner spielen Peter Franke, Hildegard Schmahl und auch Gabriela Maria Schmeide (»Systemsprenger«) in dem Film mit, und es gibt zwei Filmfassungen – eine in Hochdeutsch, eine andere in nordfriesischem Platt. Ziemlich sensationell für einen deutschen Spielfilm ist, dass für die verschiedenen Sprachfassungen auch noch jede einzelne Szene zweimal gedreht wurde.
Das ist ein Aufwand, der bei Dörte Hansens neuem Roman »Zur See« einmal nicht notwendig sein wird, denn er spielt auf einer kleinen Insel, die eine Fährstunde vom Festland aus »irgendwo in Jütland, Friesland oder Zeeland« in der Nordsee liegt. Dort lebt in einem von zwei Dörfern seit fast 300 Jahren die Familie Sander. Zum Auftakt des Romans begegnen wir »Ryckmer Sander, Sohn von Jens und Enkelsohn von Henrik, Urenkelsohn von Ove und so weiter«. Er sieht genauso aus wie sich die Touristen einen grimmigen Seebär vorstellen und arbeitet als »Decksmann« auf der Fähre, die zwischen der Insel und dem Festland verkehrt, nachdem er sein Kapitänspatent verloren hat. Jetzt wartet er, gequält von Ahnungen, auf den schwersten aller Stürme. Doch sind es wirklich die Sturmfluten oder die Touristenfluten, die der Insel immer gefährlicher werden? Seine Schwester Eske pflegt im Seniorenheim Seeleute und Witwen und fürchtet die Touristenströme mehr als das Wasser, weil mit ihnen die Inselkultur nach und nach zur Folklore verkommt. Nur Henrik, der Jüngste, ist mit sich im Reinen. Er ist der erste Mann in der Familie, den es nie auf ein Schiff gezogen hat, er sammelt Treibgut am Strand und wird als Künstler gefeiert. Im Laufe eines Jahres verändert sich das Leben der Familie Sander von Grund auf, erst kaum spürbar, dann mit voller Wucht.

Literaturhaus im Magazin Kino, Fiefstücken 8a, 19.30 Uhr, € 16,–/12,–


Talente aus vier Ländern

Internationaler Graphic Novel Salon

Seit 2010 präsentieren die als EUNIC Hamburg zusammengeschlossenen Kulturinstitute - Instituto Cervantes, Istituto Italiano di Cultura, Goethe-Institut und Institut français Hamburg, - einen Salon, der aktuelle Trends in der künstlerischen Gestaltung und Themenwahl Graphic Novels sichtbar machen will sowie Talente aus den vier Ländern der Kulturinstitute vorstellt. Bei zwei aufeinanderfolgenden Auftritten stellen jeweils zwei der eingeladenen Autorinnen und Autoren ihre aktuellen Werke vor. Im Anschluss gibt es Gelegenheit, bei einem Umtrunk und Snacks mit den Gästen ins Gespräch zu kommen sowie Bücher signieren zu lassen. Die Veranstaltung findet auf Deutsch, Spanisch, Italienisch und Französisch statt, mit Verdolmetschung ins Deutsche. Zu Gast sind Büke Schwarz aus Deutschland, Davide Toffolo aus Italien und Gabri Molist aus Spanien; der Name der Teilnehmer*in aus Frankreich wird in Kürze auf der Webseite des Institut français bekannt gegeben. Moderation Francesca Bravi.

Harbour Front Literaturfestival, Comicfestival Hamburg, EUNIC Hamburg, Buchhandlung Strips & Stories im Institut français Hamburg, Heimhuder Str. 55 , 18.30 Uhr, Eintritt frei, um
Anmeldung wird gebeten: brigitte.zinke@institutfrancais


Podiums- und Publikumsgespräch

»Macbeth«

Podiums- und Publikumsgespräch über die schottische Tragödie von William Shakespeare, der mit »Macbeth« eine überzeitliche Parabel über das unstillbare Verlangen des Menschen nach Macht und über die Verbrechen einer Schreckensherrschaft schuf. Das Schauspielhaus zeigt das Stück in dieser Spielzeit in der Inszenierung von Karin Henkel. Über das Stück und die Inszenierung sprechen der Dramaturg Roland Koburg und der Ethiker Christoph Seibert von der Universität Hamburg.

Schauspielhaus und Katholische Akademie, Herrengraben 4, 19.00 Uhr, € 10,–, Anmeldung: https://www.kahh.de


Aktuelle Buchempfehlungen


01.10.2022 | Literatur in Hamburg
Abdulrazak Gurnahs neuer Roman »Nachleben«

Macht und Last der Erinnerung

 Abdulrazak Gurnah
Abdulrazak Gurnah, Foto: Amrei Marie, Wikipedia
In seinem Roman »Nachleben« (Penguin) verknüpft der im vergangenen Jahr mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnete Schriftsteller Abdulrazak Gurnah ein ergreifendes Familienepos mit der Kolonialgeschichte Deutschlands. Der Erinnerung stiftender Roman stellt die Ereignisse einer ganzen Epoche aus einer Perspektive dar, in der sie bisher kaum sichtbar wurde. Die Romanhandlung spielt über weite Strecken in der Swahiligesellschaft der Küstenregion des heutigen Tansania – und endet aus gutem Grund in Hamburg.


01.10.2022 | Literatur in Hamburg
Karen Duves neuer Roman über »Sisi«

Parforcejagd mit der Kaiserin

Karen Duve
Karen Duve, Foto: Kerstin Ahlrichs
Sie ist eine der populärsten Frauengestalten der Gegenwart, diese Elisabeth von Österreich, die 1837 in München geboren wurde und 1898 in Genf einem Attentat zum Opfer fiel. Netflix hat der »Kaiserin« gerade eine Miniserie gewidmet, sie folgte in nur wenigen Monaten auf eine »Event-Serie« von RTL und den Spielfilm »Corsage« der österreichischen Regisseurin Marie Kreutzer, in dem Sisi als moderne Frau in der Midlife-Crisis gezeigt wird. Von einer Frau, die ihrer Zeit voraus war und bis heute immer noch unterschätzt wird, erzählt auch Karen Duve in ihrem neuen Roman »Sisi« (Galiani).


01.10.2022 | Literatur in Hamburg
Heinz Strunks Bestseller »Ein Sommer in Niendorf«

Liebe ist ein Gefühl, Durst auch

Heinz Strunk
Heinz Strunk, Foto: Dennis Dirksen
Mit der Geschichte eines geglückten sozialen Abstiegs stürmte Heinz Strunk im Sommer bis an die Spitze der Bestsellerlisten und wurde zudem für den Deutschen Buchpreis nominiert. Skurrile und dabei doch treffende Milieubeschreibungen vor allem aus den gesellschaftlichen Randgebieten sind das Markenzeichen seiner Literatur. Der Kanon seiner Themen ist dabei ziemlich überschaubar, es geht um Alkohol, Sex, Einsamkeit und Antriebslosigkeit. So ist es auch in dem so berührenden wie witzigen Roman »Ein Sommer in Niendorf« (Rowohlt).


06.09.2022 | Literatur in Hamburg
Édouard Louis´»Anleitung ein anderer zu werden«

Geschichte einer Befreiung

Edouard Louis
Édouard Louis, Foto: Christian Werner
Im ersten Prolog zu diesem Buch ist es kurz nach Mitternacht und ein junger Mann kündigt die Geschichte einer Odyssee an, die ihn aus einfachsten Verhältnissen in ein Umfeld größten Reichtums führte. Es folgt ein zweiter Prolog, der sich weniger süffig liest. Er erzählt von einer höchst kompromittierenden Situation. Der Erzähler ist gezwungen, sich für eine Zahnarztrechnung zu prostituieren und erspart seinen Leser:innen nicht die Details. In diesem Schwingungsverhältnis ist die »Anleitung ein anderer zu werden« (Aufbau), von der Édouard Louis in seinem neuen Buch erzählt, insgesamt eingerichtet. Da hat einer etwas erlebt und zu sagen. Und er erzählt in aller Härte auch gegen sich selbst.


06.09.2022 | Literatur in Hamburg
Silke Stamms neuer Roman »Hohe Berge«

Alle Sinne auf Anfang

Silke Stamm
Silke Stamm, Foto: Andreas Hornoff, Piper Verlag
In so ausholenden wie eleganten Satzschwüngen von manchmal mehr als einer Seite erzählt Silke Stamm in ihrem neuen Roman »Hohe Berge« (Berlin Verlag) von einem Ausflug in schwieriges Gelände. Bei einer Skiquerung im Hochgebirge kommen die Tourengänger an ihre Grenzen, bis alle Sinne auf Anfang stehen. Doch es wird nicht nur von einem einmaligen Abenteuer erzählt, auch die Lektüre selbst ist ein ungewöhnliches Leseerlebnis und brennt sich durch eine höchst kunstvolle Erzählweise tief ein. Für einen Auszug aus dem Roman wurde Silke Stamm 2020 mit dem Hamburger Literaturpreis ausgezeichnet.


22.08.2022 | Literatur in Hamburg
Hernan Diaz´neuer Roman »Treue«

Das Evangelium des Geldes

Hernan Diaz
Hernan Diaz, Foto: Jason Fulford
Männer, Macht und Moneten, das ist eine Trias, die scheinbar unauflösbar zusammengehört. Heute fungieren Elon Musk, Jeff Bezos oder Mark Zuckerberg als Figuren in den heroischen Geschichten, mit denen wir das Evangelium des Geldes konzertieren, aber man findet sie durch die Jahrhunderte. Hernan Diaz erzählt in seinem neuen Roman »Treue« (Hanser Berlin) von einem dieser Männer und überführt an seinem Beispiel in vier grandiosen erzählerischen Etappen den Mythos, von dem großer Reichtum stets umrankt ist, in die provokante Geschichte einer Emanzipation.


30.05.2022 | Literatur in Hamburg
Claudia Schumachers Debüt »Liebe ist gewaltig«

Zahlen, Dresche, Streuselkuchen

Claudia Schumacher
Claudia Schumacher, Foto: Roman Raacke
Nach einem mentalen und körperlichen Zusammenbruch landet die 17-jährige Juli zur Kur in einem »Kneippkurort mit Moorheilbad« im Schwarzwald. In einem wunderbar flapsigen Tonfall entfaltet sich dort das kuriose Szenario einer suizidgefährdeten Jugendlichen im Kuralltag unter lauter alten Leutchen – und nach und nach auch des Irrsinns, der sie dorthin gebracht hat. Das ist der furiose Auftakt des Debütromans »Liebe ist gewaltig« (dtv) von Claudia Schumacher, einem sehr berührenden Coming-of-Age-Roman, der sich fast auch ins Horror-Genre einordnen lässt, denn erzählt wird ziemlich harter Stoff.


30.05.2022 | Literatur in Hamburg
Wolf Haas und sein Bestseller »Müll«

Knie in Wanne 4

Wolf Haas
Wolf Haas, Foto: Gerry Nitsch
Mit dem schönen Märchen von einer Prinzessin beginnt der neue Roman von Wolf Haas. Ein Vater tischt es seiner vierjährigen Tochter auf, weil er ihr die furchtbare Geschichte nicht erzählen kann, wegen der in einer Bucht so viele abgeschliffene Glasscherben in allen Farben angeschwemmt werden. Also sind es Perlen und am Seegrund lebt eine Prinzessin, deren Perlenschatulle überquillt vor lauter Reichtum. Sanft stimmt Wolf Haas damit die Motive und die Tonlage seines neuen Romans auf einer halben Seite an. Die Auflösung gibt es erst ganz zum Schluss. Und dazwischen eine so rasante wie komische Geschichte, deren Kulminationspunkt knallgelb auf dem Cover des Romans steht: »Müll« (Hoffmann und Campe).


30.04.2022 | Literatur in Hamburg
Lea Draegers neuer Roman »Wenn ich euch verraten könnte«

Das Unfassbare aussprechen

Lea Draeger
Lea Draeger, Foto: Paula Winkler
Es ist alles andere als eine Gute-Laune-Geschichte, die Lea Draeger in ihrem Debütroman erzählt, sondern harter Stoff. Da geht es um patriarchale Gewaltstrukturen und Traumata, die von einem perfiden Glaubenssystem getragen werden und über mehrere Generationen fortwirken. Für die dreizehnjährige Ich-Erzählerin in »Wenn ich euch verraten könnte« (hanserblau) gibt es nur einen Weg, um aus dieser Familiengeschichte herauszukommen – sie muss lernen, das Unfassbare auszusprechen.


30.04.2022 | Literatur in Hamburg
Yasmina Rezas neuer Roman »Serge«

Vom Kuddelmuddel einer Familie

Yasmina Reza
Yasmina Reza, Foto: Pascal Victor
Yasmina Reza ist die meistgespielte Bühnenautorin der Gegenwart, weltberühmt, ein internationaler Star der Szene, vielfach ausgezeichnet und auch mit ihren Romanen seit Jahren höchst erfolgreich. Und die 1957 in Paris als Tochter einer ungarischen Geigerin und eines iranischen Ingenieurs geborene Schriftstellerin ist eine Expertin für abgründige Komik, ihr gesamtes Werk kann als »Komödie über die Condition Humaine« (»Le Monde«) gelesen werden. In ihrem neuen Roman »Serge« (Hanser Verlag) begibt sie sich mitten hinein in die »Kuddelmuddelkiste« einer Familie in Paris.


30.04.2022 | Literatur in Hamburg
Hellmuth Opitz neuer Gedichtband »Flauschnacht Rauschnacht«

Schnabelarien früh um Fünf

Hellmuth Opitz
Hellmuth Opitz, Foto: Helga Schöning
Das Spiel mit tradierten Formen, Reimen und Rhythmen beherrscht der Lyriker Hellmuth Opitz so meisterhaft wie das saloppe Parlando im erzählerischen Duktus. Und das darf man auch erwarten, wenn einer als »Verbalvirtuose« (Gero Mertens) und »kluger Vertreter des poetischen Realismus« (Michael Braun) gefeiert wird. In diesem Frühjahr lädt er mit seinem neuen Gedichtband zur »Flauschnacht Rauschnacht« (Pendragon). Ein Ereignis für alle, die gerne Gedichte lesen.


29.04.2022 | Literatur in Hamburg
Abbas Khiders neuer Roman »Der Erinnerungsfälscher«

Erinnerungen wie Minenfelder

Abbas Khider
Abbas Khider, Foto: Peter-Andreas Hassiepen
Herkunft und Identität sind die zentralen Themen der Literatur von Abbas Khider. In seinem neuen Roman »Der Erinnerungsfälscher« erzählt er von einer Reise, die seinen Protagonisten unvermittelt aus dem Alltag in Deutschland und nach Bagdad katapultiert. Unterwegs ist er mit der Brüchigkeit seiner Erinnerungen konfrontiert. Und wirft ganz beiläufig Fragen des Schreibens und der Literatur auf. Was ist Fiktion, was Wahrheit? Gibt es eine richtige Erinnerung und vielleicht auch eine falsche?


29.04.2022 | Literatur in Hamburg
Madame Nielsens neuer Roman »Lamento«

Das leuchtende Jetzt

Madame Nielsen
Madame Nielsen, Foto: Frederike van der Straeten
Eigentlich heißt sie »Lou Camille Nielsen«, aber ihren vollen Namen benutzt sie nur selten. Geboren wurde Madame Nielsen 2013 in Paris, doch es war nur ein weiterer Schritt von mehreren Identitäts- und Namensänderungen. Ihr neuer Roman »Lamento« (Kiepenheuer & Witsch) erzählt von der Zeit, die diesen Häutungen und Verwandlungen vorausging und die Geschichte einer Liebe, bei der die Flammen von Beginn an ziemlich hoch lodern.


01.04.2022 | Literatur in Hamburg
Lucy Frickes Roman »Die Diplomatin«

Angst ist nur eine Ermessensfrage

Lucy Fricke
Lucy Fricke, Foto: Gerald von Foris
Es ist ein Beruf, der seit jeher die Fantasie beflügelt. Wer ihn ausübt, lebt fast in einer Parallelwelt, genießt höchste Reputation und sogar Straffreiheit im Gastland. Zum Klischee der diplomatischen Kulisse gehören rauschende Feste und Empfänge ebenso wie das stille Agieren im Hintergrund großer politischer Krisen und weltbewegender Affären. All das blüht auch der Heldin in dem neuen Roman von Lucy Fricke und ist doch ganz anders, als es sich »Die Diplomatin« (Claassen) in ihren schlimmsten Träumen vorstellte. Bewirken kann sie nämlich nichts. Bis sie dem routinierten Zynismus freundlicher Lügen eines Tages ganz undiplomatisch mit der Wahrheit begegnet und handelt.


01.04.2022 | Literatur in Hamburg
Fatma Aydemirs »Dschinns«

Wahrheiten, die immer da sind

Fatma Aydemir
Fatma Aydemir, Foto: Sibylle Fendt
Fatma Aydemir hat mit ihrem Familienroman »Dschinns« das Buch der Saison vorgelegt. Die in Berlin lebende Schriftstellerin wurde schon für ihr vielgelobtes Debüt »Ellbogen« mit dem Klaus-Michael-Kühne-Preis und dem Franz-Hessel-Preis ausgezeichnet, für »Dschinns« erhielt sie den Robert-Gernhardt-Preis. Der Roman ist ein großer Wurf, auch weil er versucht, so viel Gegenwart wie möglich in 350 Seiten Text zu packen. Das ist radikal, es ist maßlos und nicht immer gelungen. Dennoch ist »Dschinns« eine Lektüre, die sich tief einbrennt und lange nachwirkt.


29.03.2022 | Literatur in Hamburg
Helge Timmerbergs »Lecko mio«

Verstreute Identitäten

Helge Timmerberg
Helge Timmerberg, Foto: Federico Balboa
Gewidmet ist dieses Buch einem Wiener Zahnarzt und seiner Gattin, deren Praxis auf Zahnimplantate spezialisiert ist. Das hat bei einem wie Helge Timmerberg natürlich Gründe. In seinem neuen Buch »Lecko mio« (Piper) ist er einmal mehr den »verstreuten Identitäten« seines Ichs auf der Spur, das in den letzten beiden Jahren jedoch nicht allzu weit in die Ferne schweifen konnte. Dennoch hat sich dem weitgereisten Autor ein ganz neuer Erfahrungshorizont offenbart. In »Lecko mio – Siebzig werden« (Piper) erzählt er davon.


20.03.2022 | Literatur in Hamburg
Mareike Fallwickls neuer Roman »Die Wut, die bleibt«

Collateral Damage

 Mareike Fallwickl
Mareike Fallwickl, Foto: Gyöngyi Tasi
Schon ihre Romane »Dunkelgrün fast schwarz« und »Das Licht ist hier viel heller« sind rasante Psychodramen über toxische Männlichkeit, Sexismus, Macht und Machtmissbrauch im Binnenraum mehr oder weniger alltäglicher Beziehungen. Pointierte Szenarien aus diesem gesellschaftlichen Giftschrank orchestrieren auch den neuen Roman »Die Wut, die bleibt« (Rowohlt) der österreichischen Autorin Mareike Fallwickl. Ihr Ausgangspunkt ist hochaktuell und liegt in der unmittelbaren Gegenwart, in der vor allem Familien mit kleinen Kindern durch die Corona-Pandemie einer andauernden Belastungsprobe ausgesetzt sind. In diesem Roman mit tragischen Folgen, die nicht ungesühnt bleiben.


10.03.2022 | Literatur in Hamburg
Jens Eisels neuer Roman »Cooper«

Ein Fall für die Ewigkeit

Jens Eisel
Jens Eisel, Foto: Melina Mörsdorfs
Es gibt eine ganze Reihe von Theorien über diesen Fall und unzählige Spekulationen in alle Richtungen. Doch auch, nachdem das FBI die Ermittlungen 2007 und 2009 noch einmal aufnahm, gab es keine neuen Erkenntnisse. Die Akte »Norjak« wurde 2016 nach 45 Jahren endgültig geschlossen. Es ist der bis heute einzige ungelöste Fall einer Flugzeugentführung in den USA. Und er ist so spektakulär, dass er immer wieder in Filmen, Büchern und sogar in Songs verarbeitet wurde. In einem großartigen semidokumentarischen Roman erzählt der Hamburger Schriftsteller Jens Eisel nun die Geschichte eines Gentlemans, der mit 200.000 Dollar Lösegeld tollkühn aus einem Flugzeug springt: »Cooper« (Piper).


09.03.2022 | Literatur in Hamburg
Kristine Bilkaus neuer Roman »Nebenan«

Und still schweigt das alte Haus

Kristine Bilkau
Kristine Bilkau, Foto: Thorsten Kirves
In ihrem neuen Roman zoomt Kristine Bilkau ganz nah heran an die feine Nahtstelle, an der unsere Wünsche, Träume und Hoffnungen sich in der Realität verfangen. Getragen von einem wunderbar leichten Stil, erzählt sie eine Geschichte, die gleich »Nebenan« (Luchterhand) spielt, dort, wo wir so offensichtlich wegsehen, wie sonst nirgends: in der Nachbarschaft. Schon im vergangenen Herbst wurde Kristine Bilkau für den Roman mit einem Hamburger Literaturpreis ausgezeichnet. »Nebenan« ist eines der literarischen Highlights der Saison.


01.03.2022 | Literatur in Hamburg
Joshua Cohens neuer Roman »Witz«

»Das berühmte Oktadekamega«

Joshua Cohen
Joshua Cohen, Foto: Adam Gong
Er ist ein Tech-Gelehrter und kennt sich glänzend in der Bibel, in der Philosophie, der Geschichte und Literatur aus. Doch Joshua Cohen, der 2015 von der Zeitschrift »Granta« zu einem der zehn besten jungen amerikanischen Autoren der Gegenwart gewählt wurde, schreibt nicht nur Romane und Erzählungen, sondern auch für Magazine und Zeitschriften, er ist der Ghostwriter von Edward Snowden und übersetzt aus dem Deutschen und Hebräischen ins Englische. Als sein Opus Magnum gilt der 2010 im Original erschienene, 900 Seiten starke Roman »Witz«. Ulrich Blumenbach hat das »Abenteuer« auf sich genommen, den Roman zu übersetzen. In diesem Frühjahr ist er nun bei Schöffling & Co. erschienen.


04.02.2022 | Literatur in Hamburg
Katharina Hagenas Buch vom Singen

Schläft ein Lied in allen Dingen

Katharina Hagena
Katharina Hagena, Foto: Jürgen Abel
Mit dem Roman »Der Geschmack von Apfelkernen«, der in 26 Sprachen übersetzt und fürs Kino verfilmt wurde, hat Katharina Hagena 2008 ein großartiges Debüt vorgelegt. Es folgten »Vom Schlafen und Verschwinden« (2012) und »Das Geräusch des Lichts« (2016), eine grandiose kanadische Rhapsodie, die von fünf Suchenden erzählt. Im Februar erscheint nun »Herzkraft« (Arche), »Ein Buch über das Singen«. Es ist eine vielschichtige Eloge auf die vermutlich älteste und ursprünglichste musikalische Ausdrucksform des Menschen. Katharina Hagena stellt ihr Buch im Literaturhaus vor.


02.02.2022 | Literatur in Hamburg
Anselm Nefts neuer Roman »Späte Kinder«

Denken, träumen, hoffen, fürchten

Anselm Neft
Anselm Neft © Jürgen Abel
Die Versuchsanordnung ist so radikal wie alltäglich: Eine Frau erfährt, dass sie nur noch wenige Monate leben wird. Was ist jetzt zu tun? Was lässt sich noch besser, was anders machen? Und was ist, trotz aller Verzweiflung, bei noch klarem Verstand vorzubereiten? Das sind die Ausgangsfragen von Anselm Nefts neuem Roman »Späte Kinder« (Rowohlt). Er führt in eine dramatische Ausnahmesituation und zudem mitten hinein in die tiefen Abgründe einer Familiengeschichte. Dennoch ist dies ein versöhnlicher Roman mit einem bewegenden Happy End.

Literatur in Hamburg