Samstag, 29.06.2024


Lesung mit Christian Maintz, Kristine Bilkau und Anselm Neft und Hannes Wittmer

ZIEGEL-Lesungen in der HafenCity

frei
Foto: Jürgen Abel
Acht Autorinnen gastieren im Juni und August bei der traditionellen Lesebühne des Hamburger Literaturjahrbuchs ZIEGEL in der Hafencity. Zum Auftakt sind Christian Maintz, Kristine Bilkau und Anselm Neft zu Gast. Special Guest ist der Musiker Hannes Wittmer, der sein neues Album »Sag es allen Leuten. Über das Ende einer Reise« vorstellen wird. Am 31. August kommen dann Simone Buchholz, Herbert Hindringer und Christa Thelen zu Kurzlesungen in die HafenCity. Special Guest ist Stevan Paul mit einer Vorpremiere seines neuen Erzählbandes »Die Kichererbsen der Señora Dolores. Geschichten vom Kochen«.

Literaturkontor Hamburg und HafenCity Hamburg GmbH auf dem Strandhöft (U Überseequartier oder HADAG Anleger Elbphilharmonie) im Grasbrockhafen, 17.00 Uhr, Eintritt frei, Anmeldung nicht erforderlich. Bei Regen finden die Veranstaltungen indoor statt – der Ort wird hier bekannt gegeben: www.elbsommer.com. Weitere ZIEGEL-Lesung: 26.08.


Buchdruckwerkstatt

»Satz und Druck«

In der Buchdruckwerkstatt des Museums der Arbeit lüften Mitarbeiter des Museums oder ehemalige Setzer und Drucker die Geheimnisse der »Schwarzen Kunst«.

Museum der Arbeit, Wiesendamm 3, 14.00 bis 15.00 Uhr, Museumseintritt, https://shmh.de


01.06.2024 | Literatur in Hamburg
Miranda Julys Roman »Auf allen Vieren«

Mitten ins Herz

Miranda July
Miranda July, Foto: Elizabeth Weinberg
Schon für ihr literarisches Debüt, den Kurzgeschichtenband »Zehn Wahrheiten« (2008) wurde sie mit dem O’Connor-Preis ausgezeichnet, dem höchstdotierten Kurzgeschichtenpreis der Welt. Vor zehn Jahren folgte mit ihrem Romandebüt »Der erste fiese Typ« ein international gefeierter Bestseller. Heute ist die 1974 in Barre (Vermont) geborene Künstlerin, Filmemacherin und Schriftstellerin Miranda July eine der spannendsten und vielseitigsten Akteurinnen der internationalen Kunstszene. Ihr neuer Roman »Auf allen Vieren« (Kiepenheuer & Witsch) ist zeitgleich in den USA und Deutschland erschienen und eines der großen Ereignisse des Bücherjahres.


01.06.2024 | Literatur in Hamburg
Die Anthologie »Kafka gelesen«

Mit Odradek in die Zukunft

Kafka_gelesen
Franz Kafka, 1923, Foto: gemeinfrei
Es gibt keinen Autor der Moderne, um den sich so viele Legenden und Anekdoten ranken. Gleichzeitig ist der Einzelgänger Franz Kafka, dessen Werk zu seinen Lebzeiten kaum wahrgenommen und gelesen wurde, der als Beamter in Prag arbeitete und am 3. Juni 1924 mit nur 40 Jahren starb, der weltweit bekannteste Schriftsteller der Moderne. Entsprechend groß ist der Wirbel um seinen 100. Todestag. Da gibt es die neue Fernsehserie »Kafka« von David Schalko und Daniel Kehlmann, eine Neuauflage der Werke und unzählige weitere Publikationen. Eine davon heißt »Kafka gelesen« (S. Fischer) es ist eine Anthologie mit Beiträgen von u.a. Marcel Beyer, Marie-Luise Knott und Joseph Vogl, die Sebastian Guggolz herausgegeben hat.


01.06.2024 | Literatur in Hamburg
Melanie Möllers Buch »Der entmündigte Leser«

Streitschrift für die Freiheit der Literatur

Melanie Moeller
Melanie Möller, Foto: privat
Es ist ein Streit, der sich seit einigen Jahren mehr und mehr zuspitzt. Zuletzt hat es wieder einmal den Kinderbuchklassiker Otfried Preußler getroffen, nach dem ein Gymnasium in Bayern nicht mehr benannt sein wollte, weil er in seiner Jugend mit Begeisterung in der Hitlerjugend war. Es ist nur eine besonders prominent besetzte Episode in dem weiten Feld, das die »neue Moral in der Literatur« (SWR) beackert. Melanie Möller hält von all dem nicht viel, mit ihrem Buch »Der entmündigte Leser« (Galiani) hat sie ein Plädoyer »Für die Freiheit der Literatur« vorgelegt. Die Philologin sagt, dass Literatur böse sein darf und wild und auch weh tun können muss.


15.05.2024 | Literatur in Hamburg
Caroline Wahls Roman »Windstärke 17«

Das ausrastende Herz

Caroline Wahl
Caroline Wahl, Foto: Frederike Wetzels
Ihr Debüt »22 Bahnen« erzählt eine berührende Geschichte über zwei Schwestern, die sich durch die Alkoholabhängigkeit ihrer Mutter in einem höchst fragilen Alltag behaupten müssen. Caroline Wahl ist es gelungen, die Härten, denen die Kleinfamilie ausgesetzt ist, authentisch darzustellen, und sie hat gleichzeitig ein Lebensbuch vorgelegt, das viel Mut macht und glänzend unterhält. Kein Wunder, dass der Roman zum Bestseller und von fast 1.000 Buchhandlungen zum »Lieblingsbuch der Unabhängigen« gekürt wurde. Mitte Mai erscheint mit »Windstärke 7« Caroline Wahls neuer Roman – es ist eine Art Fortsetzung des gefeierten Debüts.


01.05.2024 | Literatur in Hamburg
Dana von Suffrins Roman »Nochmal von vorne«

Die Struktur verstehen

Dana von Suffrin
Dana von Suffrin, Foto: Tara Wolff
Mit viel schwarzem Humor erzählt Dana von Suffrin in ihrem mit zahlreichen Preisen ausgezeichneten Debüt »Otto« von einem jüdischen Patriarchen, seiner Familie und seinen Abenteuern. Einen deutsch-jüdischen »Familienkosmos« leuchtet die Schriftstellerin und Historikerin auch in ihrem neuen Roman »Nochmal von vorne« (Kiepenheuer & Witsch) aus. In den kurzen Episoden über die schrecklich nette Familie Jeruscher findet sich all das, was gute Literatur ausmacht: Dramatik und Komik, Ironie und tiefere Bedeutung. Und immer wieder auch eine ganz gehörige Portion Spott.


01.05.2024 | Literatur in Hamburg
Laura Lichtblaus Roman »Sund«

Eine »frohe Unruhe«, die immer da ist

Laura Lichtblau, Foto: Max Zerrahn
Es sei eine »frohe Unruhe«, die über dieser Landschaft läge, heißt es in dem neuen Roman »Sund« der in Berlin lebenden Schriftstellerin und Übersetzerin Laura Lichtblau, eine Unruhe, in der das Meer und der Himmel sich für ein vages Versprechen verbünden, das sich nicht zeigen will und das doch immer da ist.


01.04.2024 | Literatur in Hamburg
Dana Grigorceas neuer Roman »Das Gewicht eines Vogels beim Fliegen«

Man hört ihn fliegen

Dana Grigorcea
Dana Grigorcea, Foto: Mardiana Sani
Es geht um eine weitreichende Frage, die glücklicherweise von einem konkreten Gegenstand aufgeworfen wird, einer golden schimmernden Bronze, hoch aufschießend, mit einem lang gestreckten, geschwungenen Korpus. »Vogel im Raum« nennt der Bildhauer Constantin Brâncusi die 1926 entstandene Skulptur. In einem Gerichtsverfahren »Brâncusi vs. USA« wird 1927 verhandelt, ob es sich hier um einen Kunst- oder einen Gebrauchsgegenstand handelt. In ihrem neuen Roman »Das Gewicht eines Vogels beim Fliegen« erzählt Dana Grigorcea von dem Prozess, der Rechts- und Kunstgeschichte schrieb und verknüpft Episoden aus dem Leben des Bildhauers im New York der 20er Jahre mit der Geschichte einer Schriftstellerin in der Gegenwart.


01.04.2024 | Literatur in Hamburg
Deniz Ohdes neuer Roman »Ich stelle mich schlafend«

Von einem alten Geist berührt

Deniz Ohde
Deniz Ohde, Foto: Börge Meyn, Suhrkamp Verlag
Über soziale Herkunft, strukturelle Diskriminierung und die Konsequenzen für die Bildungsbiografie eines begabten Arbeiterkindes erzählt Deniz Ohde in »Streulicht«. Es war eines der erfolgreichsten Romandebüts der letzten Jahre, wurde mehrfach ausgezeichnet und zum Bestseller. In diesem Frühjahr hat die in Leipzig lebende Schriftstellerin nun ihren zweiten Roman vorgelegt: »Ich stelle mich schlafend« (Suhrkamp) ist die Rekonstruktion einer dunklen Liebe – und einer verheerenden Gewalttat.


30.03.2024 | Literatur in Hamburg
Gerbrand Bakkers Roman »Der Sohn des Friseurs«

Der Friseur, sein Vater, sein Liebhaber und ihr Salon

Gerbrand Bakker
Gerbrand Bakker, Foto: Gerbrand Bakker/A Quattro Mani/Suhrkamp Verlag
Schon mit seinem Romandebüt »Oben ist es still« (2006) wurde der niederländische Schriftsteller Gerbrand Bakker international bekannt und mehrfach ausgezeichnet. Immer wieder lobt die Kritik seinen leisen, unaufgeregten Erzählstil, der auch seinen neuen Roman »Der Sohn des Friseurs« (Suhrkamp) auszeichnet. Gleichzeitig ist die höchst wendungsreiche Vater-Sohn-Geschichte aber auch von der ersten Seite an spannend, und das liegt nicht nur daran, dass sie von einer der schlimmsten Katastrophen der zivilen Luftfahrt erzählt.


01.04.2024 | Literatur in Hamburg
Ronya Othmanns Buch »Vierundsiebzig«

Ferman 74

Ronya Othmann
Deniz Ohde, Foto: Börge Meyn, Suhrkamp Verlag
Schon ihrem Roman »Die Sommer«, für den sie 2020 mit dem Mara-Cassens-Preis des Hamburger Literaturhauses für den besten deutschsprachigen Debütroman ausgezeichnet wurde, hat sie voller Zärtlichkeit und Wut über das Leben zwischen zwei Welten erzählt. In diesem Frühjahr knüpft Ronya Othmann mit ihrem zweiten Roman »Vierundsiebzig« (Rowohlt) daran an. Bereits 2019 hat sie für das Auftaktkapitel den Publikumspreis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt gewonnen. Der Roman erzählt vom Genozid an den Jesiden 2014 und ist ein Zeitzeugnis von internationaler Relevanz im Stil einer Reportage.


01.03.2024 | Literatur in Hamburg
Barbara Kingsolvers Roman »David Copperhead«

Der Dämon der Appalchen

Barbara Kingsolver
Barbara Kingsover, Foto: Evan Kafka
Von den Demütigungen und Ängsten eines verwaisten Jungen im London des 19. Jahrhunderts erzählt Charles Dickens in »David Copperfield«. Es ist einer der bedeutendsten Kindheits- und Jugendromane der Weltliteratur und als Stoff heute wieder brandaktuell, wie der neue Roman »Demon Copperhead« (DTV) der US-amerikanischen Schriftstellerin Barbara Kingsolver zeigt. Sie hat den autobiografischen Bildungsroman, der zur Zeit der ersten industriellen Revolution spielt, in die Gegenwart geholt und in ihre Heimat, die Appalachen verlegt. In diesem Frühjahr ist die grandiose, u.a. mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnete, Neuerzählung in einer deutschen Übersetzung von Dirk van Gunsteren erschienen.


01.03.2024 | Literatur in Hamburg
Nicole Seiferts Buch »Einige Herren sagten etwas dazu«

Vorgelesen, gerupft worden und fallen gelassen

Nicole Seifert
Nicole Seifert, Foto: Katja Scholtz
Eine vergleichbar machtvolle literarische Institution gab es danach nie wieder: Die Gruppe 47 hat den deutschen Literaturbetrieb für Jahrzehnte geprägt, auch lange nach dem Ende ihrer berühmten Tagungen war sie durch einige ihrer Protagonisten noch richtungsweisend für die Entwicklung der deutschsprachigen Literatur. Die Hamburger Autorin und Literaturwissenschaftlerin Nicole Seifert, die seit Jahren über Schriftstellerinnen, ihre Literatur und ihre Wahrnehmung in der Gesellschaft forscht, schreibt und publiziert, erzählt in ihrem neuen Buch »Einige Herren sagten etwas dazu« (Kiepenheuer und Witsch) nun von den »Autorinnen der Gruppe 47«.


13.03.2024 | Literatur in Hamburg
John Nivens Memoir über seinen Bruder

»O Brother«

John Niven
John Niven, Foto: Erik Weiss
Seine rabenschwarze Satire »Kill your Friends« wurde zum internationalen Bestseller und Kultroman, und auch mit seinen folgenden Romanen hat der im schottischen Ayrshire geborene Schriftsteller John Niven mit einem Mix aus bissigem Humor, Direktheit und Herz überzeugt. Das zeichnet auch sein neues Buch aus, obwohl sein Memoir »O Brother« (btb) von einem »Tschernobyl der Seele« erzählt.


29.01.2024 | Literatur in Hamburg
Iris Wolffs neuer Roman »Lichtungen«

Countdown einer Liebe

Iris Wolff
Iris Wolff, Foto: Maximilian Goedecke
Bisher ist Iris Wolff mit ihren Romanen stets auf die ein oder andere Weise in die Regionen ihrer Kindheit zurückgekehrt, zuletzt mit dem hochgelobten und mehrfach ausgezeichneten Roman »Die Unschärfe der Welt«, einer Familiensaga mit Schauplätzen im Banat und in Siebenbürgen. Ihr neuer Roman »Lichtungen« (Klett-Cotta) spielt nun in einem kleinen Dorf im rumänischen Vielvölkerstaat in den letzten Jahren der Ceausescu-Diktatur. Er erzählt die tief berührende Geschichte einer Freundschaft und Liebe als Reise in die Vergangenheit. Sie beginnt in der Gegenwart und mit einem Happy End.


29.01.2024 | Literatur in Hamburg
Uwe Timms Lebensbuch »Alle meine Geister«

Die Kunst des Auslassens

Uwe Timm, Foto: Lena Ternovaja
Ganz erstaunlich an dem neuen Buch von Uwe Timm ist seine große Leichtigkeit. Obwohl schon der Titel »Alle meine Geister« (Kiepenheuer und Witsch) ankündigt, dass da vieles erinnernd beschworen wird, gelingt es diesem Grandseigneur der deutschen Gegenwartsliteratur virtuos, seine Themen in einem fein gesponnenen Netz aus atmosphärisch verdichteten Erinnerungssplittern für ein großes Lebensbuch einzufangen. Es spielt in den fünfziger Jahren in Hamburg, und es geht um Pelze, um Literatur und den Jazz.


29.01.2024 | Literatur in Hamburg
Anja Marschals historischer Roman »Als der Sturm kam«

»Als der Sturm kam«

Anja Marschall, Foto: Frauke Ibs
Wer es einmal miterlebt, vergisst es nicht mehr, obwohl es so oft glimpflich ausgeht. Meist dümpeln dann am Fischmarkt und in der HafenCity ein paar Autos im Wasser und müssen von der Feuerwehr gerettet werden, Straßenlaternen und Straßenschilder stehen im Wasser, Bahnstrecken sind gesperrt. Das passiert in den Wintermonaten in Hamburg häufiger. Auch am 16. Februar 1962 wurde ein Szenario wie dieses erwartet, doch es kam anders. Fast ein Fünftel des Stadtgebietes wurde überschwemmt. Es war die schlimmste Sturmflut seit fast 140 Jahren. Die Hamburger Autorin Anja Marschall erzählt in dem exzellent recherchierten Spannungsroman »Als der Sturm kam« (Piper) von den Ereignissen und vom Überlebenskampf der Menschen. Im Speicherstadtmuseum stellt Anja Marschall ihren Roman vor.


01.01.2024 | Literatur in Hamburg
Martin Doerrys deutsch-jüdische Familiengeschichte

»Lillis Tochter«

Martin Doerry
Martin Doerry, Foto: privat
Es ist ein zutiefst ergreifendes Zeitzeugnis, das der Journalist und Historiker Martin Doerry vor über 20 Jahren mit seinem Buch »Mein verwundetes Herz. Das Leben der Lilli Jahn 1900–1944« vorlegte. Das Buch wurde in 19 Sprachen übersetzt und als »ein großes, ergreifendes Dokument über eine private Katastrophe inmitten der politischen« (FAZ) gefeiert. Es basiert auf Briefen von Martin Doerrys Großmutter Lilli, die in Auschwitz ermordet wurde, und von ihren fünf Kindern. In seinem neu erschienenen Buch »Lillis Tochter« (DVA) erzählt er nun die Geschichte seiner Mutter Ilse – eine deutsch-jüdische Familiengeschichte »im Schatten der Vergangenheit«.


01.12.2023 | Literatur in Hamburg
Alice Hasters neues Buch »Identitätskrise«

Plädoyer für eine neues Wir

Alice Hasters
Alice Hasters, Foto: Paula Winkler
Mit ihrem Buch »Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten« (2020) ist ihr ein vieldiskutierter Longseller gelungen, heute ist Alice Hasters eine der wichtigsten Stimmen des Landes im Kampf gegen Rassismus. Bekannt wurde die Journalistin aber auch durch ihren monatlichen Podcast »Feuer & Brot«, in dem sie zusammen mit Maxi Häcke tausende von Zuhörer:innen mit Themen »zwischen Politik & Popkultur« erreicht. Entsprechend groß ist die Aufmerksamkeit für ihr neues Buch »Identitätskrise« (hanserblau).


01.12.2023 | Literatur in Hamburg
Erika Freeman und Dirk Stermann

»Zweifeln immer, verzweifeln nimmer«

Dirk Stermann und Erika Freeman
Dirk Stermann und Erika Freeman, Foto: Ingo Pertramer
Jeden Mittwoch um halb elf hat sich der in Wien lebende Kabarettist, Fernsehmoderator und Schriftsteller Dirk Stermann im Luxushotel Imperial an der Wiener Ringstraße für einige Monate mit Erika Freeman getroffen. Aus den Gesprächen mit der berühmten 96-jährigen Psychoanalytikerin und Therapeutin ist in einer sehr gelungenen Melange aus Lebensbericht, Anekdotensammlung und Porträt ein grandioses Buch über ein »Jahrhundertleben« entstanden: »Mir geht‘s gut, wenn nicht heute, dann morgen« (Rowohlt).


01.12.2023 | Literatur in Hamburg
Florian Illies Buch über Caspar David Friedrich

Sehnuschtsmond im Nebelland

Winterlandschaft
Caspar David Friedrich: Winterlandschaft, 1811, Foto: Staatliches Museum Schwerin
Es gibt Bilder, die sich in wenigen Augenblicken in die Netzhaut brennen und dann zu einer Erinnerung werden, die man nicht mehr vergisst. Eines dieser Bilder wird seit Jahrzehnten unermüdlich und in immer neuen Varianten für die Titelseiten von Magazinen reproduziert, wenn deutsche Bewusstseinslagen zu verhandeln sind. Dann steht er da auf seinem Felsen und blickt in eine erhabene Landschaft: Caspar David Friedrichs »Wanderer über dem Nebelmeer«. Zum 250. Geburtstag des Romantikers werden seine Werke in mehreren großen Ausstellungen gezeigt. In Hamburg zeigt die Kunsthalle bis zum 1. April eine der umfangreichsten Werkschauen des Künstlers seit vielen Jahren. Und Florian Illies lädt mit seinem neuen Buch zu einer »Reise durch die Zeiten«, im Blick hat er dabei den »Zauber der Stille« (S. Fischer), der so vielen Bildern von Caspar David Friedrich zu eigen ist.


01.12.2023 | Literatur in Hamburg
Jasmin Schreibers Roman »Endling«

Die letzte ihrer Art

Jasmin Schreiber
Jasmin Schreiber, Foto: privat
Als Schriftstellerin, Biologin, Bloggerin und Krabbeltier-Enthusiastin stellt sich auf ihrer Website Jasmin Schreiber vor, die »mit einer unübersichtlichen Anzahl an Tieren und Pflanzen in Hamburg« lebt: Asseln, Spinnen, verschiedenen Schneckenarten, Gottesanbeterinnen, Käfern, Würmern, und zwei Hunde gehören auch zur Familie. In ihrem neuen Roman »Endling« (Eichborn) bilden Tiere vom Taubenschwänzchen über die Achateule bis zur Hani-Bänderschnecke einen schönen Leitfaden durch eine spannende Geschichte. Sie spielt in einer dystopischen Welt des Jahres 2041.


29.10.2023 | Literatur in Hamburg
Jarka Kubsovas Roman »Marschlande«

Eine Alte Geschichte in neuem Licht

Jarka Kubsova
Jarka Kubsova, Foto: Christoph Niemann
Eine Hamburger Sage überliefert seit Jahrhunderten die Geschichte der schönen, alleinstehenden Bäuerin Abelke Bleken, die im März 1583 als Hexe verurteilt und verbrannt wurde. In ihrem neuen Roman »Marschlande« (S. Fischer) rekonstruiert die Hamburger Autorin Jarka Kubsova die Ereignisse, die damals zu einer Anklage wegen »Schadenszauberei« und »Teufelsbuhlschaft« führten und verschränkt sie mit der Suche einer Frau und Mutter nach einem selbstbestimmten Leben in der Gegenwart.


29.09.2023 | Literatur in Hamburg
Mirko Bonnés neuer Roman

Wenn die Tage plötzlich wieder zählen

Mirko Bonné
Mirko Bonné, Foto: Beowulf Sheehan
Der neue Roman »Alle ungezählten Sterne« (Schöffling) von Mirko Bonné ist ein Höhepunkt und ganz besonderes Glanzlicht der deutschen Gegenwartsliteratur in diesem Jahr. In einem grandiosen Mix aus Politthriller, Gesellschafts- und Zeitroman führt der Hamburger Übersetzer, Dichter und Schriftsteller an eine zentrale gesellschaftliche Bruchkante unserer Zeit. An ihr prallen bürgerliche Saturiertheit und Erschöpfung auf die radikale Unbedingtheit und Entrüstung einer Jugend, die keine Zukunft mehr für sich sieht. Hamburg ist ein idealer Ort, um den Großkonflikt auszuleuchten – und Mirko Bonné erweist sich dabei als kongenialer Erzähler.


29.09.2023 | Literatur in Hamburg
Jeannette Walls Roman »Vom Himmel die Sterne«

Die Rum-running Queen von Claiborne County

Jeannette Walls
Jeannette Walls, Foto: John Taylor
Mit ihrem autobiografischen Roman »Schloss aus Glas« über ihre ungewöhnliche Kindheit, der in 31 Sprachen übersetzt wurde, erreichte die US-amerikanische Schriftstellerin Jeannette Walls ein Millionenpublikum und stand in Deutschland monatelang auf den Bestsellerlisten. Einen autobiografischen Hintergrund hatten auch ihre beiden folgenden Romane. Bei »Vom Himmel die Sterne« (Hoffmann und Campe) ist das nun anders, der actiongeladene Pageturner erzählt von einer mächtigen Familiendynastie in Virginia zur Zeit der Prohibition.


29.09.2023 | Literatur in Hamburg
Louise Kennedys Roman »Übertretung«

Gegen jede Vernunft

Louise Kennedy, Foto: privat
Seit dem Karfreitagsabkommen 1998 gilt der Nordirlandkonflikt als befriedet und schwelt doch bis heute weiter. Wie fragil die Situation ist, hat der Brexit gezeigt, in dessen Folge zum ersten Mal wieder Brandbomben in dem ehemaligen Bürgerkriegsland flogen. Zwischen 1969 und 1998 forderte der Konflikt weit über 3000 Todesopfer und zahllose Verletzte. Die Gewalt und die daraus resultierenden Traumata wirken bis heute fort und werden auch in der reichen Literatur Nordirlands immer wieder thematisiert. In ihrem international gefeierten Besteller »Übertretung«, der in diesem Herbst in der Übersetzung von Claudia Glenewinkel und Hans-Christian Oeser bei Steidl erschienen ist, erzählt die irische Schriftstellerin Louise Kennedy von den »Troubles« – und von einer Liebe gegen jede Vernunft.


27.09.2023 | Literatur in Hamburg
Helge Timmerbergs »Joint Adventure«

Auf Drogentrip mit Helge

Helge Timmerberg
Helge Timmerberg, Foto: Frank Taurit
Er tut es seit Jahrzehnten und hat nicht vor, es irgendwann aufzugeben, solange er genussmittelfähig ist: Helge Timmerberg outet sich in »Joint Adventure« (Piper) als Kiffer. Pünktlich zum Endspurt des neuen Cannabis-Gesetzes, das zum Jahreswechsel in Kraft treten soll, hat er sich auf eine so informative wie unterhaltsame »Reise in die Welt des Cannabis« begeben. Er ist nach Malle, Malta und Marrakesch, nach Thailand, Holland und Hollywood gereist, um in Erfahrung zu bringen, was mit der Legalisierung so auf uns zukommt.


18.09.2023 | Literatur in Hamburg
Rachel Yoders Roman »Nightbitch«

Ein ganz anderer Mensch

Rachel Yoder
Rachel Yoder, Foto: Nathan Biehl
Das knallrote Buchcover zeigt drei rohe Steaks in zarten Frauenhänden, darunter steht in weißen Großbuchstaben »Nightbitch«. Auf den Büchertischen der Buchhandlungen wird das krasse Motiv auffallen, soviel ist sicher. Doch die US-amerikanische Schriftstellerin Rachel Yoder, deren gefeierter Debütroman in diesem Herbst in der deutschen Übersetzung von Eva Bonné erschienen ist, geht es um mehr als bloße Provokation. Ihr Roman ist eine furiose Kampfansage und gleichzeitig die poetische Ausführung einer populären feministischen Denkfigur. Er erzählt von einer Mutter, die für ihr Baby alles aufgibt. Und von ihrer Selbstermächtigung durch die kuriose Verwandlung in einen Hund.


30.08.2023 | Literatur in Hamburg
Terézia Moras neuer Roman

»Muna oder Die Hälfte des Lebens«

Terézia Mora
Terézia Mora , Foto: Antje Berghäuser
Sie ist eine der wichtigsten Stimmen der deutschen Gegenwartsliteratur. Als Literaturstar wurde Terézia Mora schon mit ihrem Debüt »Seltsame Materie« (1999) gefeiert, 2013 erhielt sie für ihren Roman »Das Ungeheuer« den Deutschen Buchpreis, 2018 mit dem Büchner-Preis für ihr Gesamtwerk die renommierteste Auszeichnung, die es im deutschen Sprachraum zu gewinnen gibt. In diesen Tagen ist nun ein neuer Roman der 1971 in Sopron, Ungarn, geborenen Schriftstellerin erschienen, die seit 1990 in Berlin lebt. Es ist eine Liebesgeschichte: »Muna oder Die Hälfte des Lebens« (Luchterhand).


29.08.2023 | Literatur in Hamburg
Tanja Schwarz´ neuer Roman »Vaters Stimme«

Ein Basso continuo für das schwankende Selbst

Tanja Schwarz
Tanja Schwarz, Foto: Rebecca Hoppé
Man kann diesen Roman als Plädoyer gegen patriarchale Gewalt lesen, vor allem zeichnet »Vaters Stimme« (hanserblau) von Tanja Schwarz aber das präzise und in einer oft hochpoetischen Sprache ausgestaltete Sittenbild einer westdeutschen Mittelstandsfamilie von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart. Die Brüche und Verwerfungen, die ihm eingeschrieben sind, finden sich, mal mehr und mal weniger dramatisch, in vielen Familien und mit ihnen stellt sich immer auch die universelle Frage danach, wie wir zusammenleben wollen, selbstbestimmt und emanzipiert oder überformt von autoritären Strukturen.


25.08.2023 | Literatur in Hamburg
Johanna Sebauers Romandebüt »Nincshof«

Der Königsweg in die Freiheit

Johanna Sebauer
Johanna Sebauer, Foto: Birte Filmer
Eine souverän zwischen Satire, Ironie und tieferer Bedeutung changierende, höchst unterhaltsame Geschichte über eine Unabhängigkeitserklärung, wie sie in den europäischen Provinzen derzeit nur zu oft geträumt wird, erzählt Johanna Sebauer in ihrem Romandebüt »Nincshof«. Die Lektüre ist ein großer Spaß, der gleichzeitig einen deutlichen Hinweis auf die kulturelle Demarkationslinie zwischen Stadt und Land gibt, an der die politisch-gesellschaftlichen Spaltungstendenzen heute so oft festgezurrt werden.


20.08.2023 | Literatur in Hamburg
Robert Seethalers Roman »Das Café ohne Namen«

Ein Platzerl im Leben

Robert Seethaler
Robert Seethaler, Foto: Urban Zintelr
Das Angebot in diesem Café in der Wiener Leopoldstadt am Karmelitermarkt ist überschaubar, und eigentlich ist es noch nicht einmal ein richtiges Café. Doch die Menschen aus dem Viertel kommen hier trotzdem zusammen, und sie erzählen ihre Geschichten – von der Sehnsucht, dem Verlust und dem unverhofften Glück. Einen richtigen Plot gibt es in dem neuen Roman von Robert Seethaler nicht, und das Thema lässt auch dann noch vieles offen, wenn man es auf eine Milieustudie in der Wiener Nachkriegszeit herunterbricht. Dennoch ist »Das Café ohne Namen« (claasen) ein berührender Roman, das liegt vor allem an der Sprache, die in ihrer Kargheit einen ganz eigenen Sog entwickelt.


01.06.2023 | Literatur in Hamburg
Marica Bodrožics »Die Arbeit der Vögel«

Das größere Gedächtnis

Marica Bodroži?
Marica Bodrožic, Foto: Peter von Felbert
Klare Gattungsgrenzen gibt es in diesem Buch nicht, die Übergänge zwischen Essay, Erzählung und Poesie sind so fließend wie jene zwischen der Natur und der inneren Lebenslandschaft, die Marica Bodrožic in »Die Arbeit der Vögel« (Luchterhand) erkundet. Sie selbst bezeichnet es als ein »Denk-, Essay- und Erzählprojekt«, im Untertitel gibt sie den poetischen Takt dafür vor und nennt die kurzen Texte über eine Wanderung und ein ganzes Jahrhundert, das dabei durchschritten wird »Seelenstenogramme«. Sie verbinden eine brillante Erinnerungsarbeit über Walter Benjamin mit der Suche nach einem »weiter gefassten, großzügigeren Selbst«.


01.06.2023 | Literatur in Hamburg
Ella Carina Werners Erzählband »Man kann auch ohne Kinder keine Karriere machen«

So super, diese Frau Werner

frei
Ella Carina Werner, Foto: Julia Schwendner
In ihrem gefeierten Erzählband »Der Untergang des Abendkleides« (2020) erzählt sie von ihrer Geburt, ihren hochfliegenden Plänen, aber auch von Menschen, etwa vom »Ding Dong« der Handwerker und von Onkel Bernhard, der sich lustvoll die Pfeffermühle auf den Kopf haut. In den neuen Geschichten aus dem Leben von Ella Carina Werner hängt Onkel Bernhard nun »halb auf dem Teppich« und ist Feminist, »ein bisschen Restsexist« und Frauenfußballfan. Doch auch sonst schöpft die Mitherausgeberin des Satiremagazins »Titanic« und Autorin der monatlichen Kolumne »Rosen in Beton« höchst »inspirierend« aus ihrem reichen Erfahrungsschatz als Frau. Das geht schon mit dem Titel los: »Man kann auch ohne Kinder keine Karriere machen« (Rowohlt).


30.05.2023 | Literatur in Hamburg
T.C. Boyles »Blue Skies«

Der Countdown läuft

T.C. Boyle
T.C. Boyle, Foto: Jamieson Fry
In seinen letzten Romanen war der amerikanische Schriftsteller T.C. Boyle stets auf der Spur wissenschaftlicher Untersuchungen: Eine bitterböse Persiflage des Versuchs, eine autarke »Biosphäre« zu erschaffen, ist sein Roman »Die Terranauten« (2017), in »Das Licht« (2019) erzählt er von den Experimenten mit bewusstseinserweiternden Drogen des Hippie-Gurus und Harvard-Professors Timothy Leary, und in »Sprich mit mir!« (2021) geht es um das Bewusstsein von Tieren, genaugenommen um einen Schimpansen, der ohne Kontakt zu seinen Artgenossen in einer menschlichen Familie aufwächst. Für seinen neuen Roman »Blue Skies« (Hanser) projiziert er nun die Folgen des Klimawandels ein klein wenig in die Zukunft und erzählt von einer Welt, in der die Apokalypse beginnt.


30.05.2023 | Literatur in Hamburg
Helga Schuberts »Der heutige Tag«

Die weiten blauen Fernen

Helga Schubert
Helga Schubert, Foto: Renate von Mangold
Für eine Erzählung aus ihrem Sammelband »Vom Aufstehen. Ein Leben in Geschichten« (DTV) wurde Helga Schubert 2020 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet, 40 Jahre nachdem die heute 83-jährige Schriftstellerin schon einmal zum Wettbewerb eingeladen war und ihn dann verpasste, weil sie nicht aus der DDR ausreisen durfte. In diesem Frühjahr ist mit der »Der heutige Tag« (DTV) ein tief berührendes Porträt des Lebens mit ihrem Mann im Mecklenburgischen Neu Meteln erschienen, es ist »Ein Stundenbuch der Liebe«, das die kleinen Momente des Glücks in einem höchst beschwerten Alltag feiert.


01.05.2023 | Literatur in Hamburg
Clemens Setz neuer Roman »Monde vor der Landung«

Den »Windmühlen-Vorteil« nutzen

Clemens Setz
Clemens Setz, Foto: Max Zerrahn
Vor zwei Jahren wurde Clemens J. Setz mit dem Büchner-Preis ausgezeichnet, und es ist nur der Gipfel all der Preise, mit denen der Grazer Schriftsteller schon geehrt wurde. Dabei ist seine Literatur im besten Sinn exzentrisch, gleichzeitig gegenwärtig, hochpoetisch und verspielt. Mit künstlich erschaffenen Sprachen setzt er sich in »Die Bienen und das Unsichtbare« (2020) auseinander, ein »Gespräch ohne Autor« inszeniert er in »Bot« (2018), und sein neuer Roman »Monde vor der Landung« (Suhrkamp) erzählt die Geschichte eines Querdenkertums »avant la lettre«, wie der Verlag ankündigt, die aktueller kaum sein könnte. Es ist die Rekonstruktion der Biografie einer historischen Figur, akribisch recherchiert und literarisch meisterhaft ausgeleuchtet.